Clint Capela war begeistert. Nur widerwillig hatte sich der 13-Jährige von seinen Freunden überzeugen lassen, zu diesem Basketball-Spiel zwischen der Schweiz und Frankreich zu gehen. Und dann war da auf einmal dieser Typ, knapp zwei Meter groß, so wie er - aber der konnte verdammt gut mit dem orangen Leder umgehen! Dunks, Dreier und sogar ein Block gegen diesen Franzosen namens Noah - Clint Capela war begeistert von Thabo Sefolosha.
"Ich war elektrisiert nach diesem Spiel. Thabo hat mich heiß gemacht. Zwei Wochen später habe ich mich bei meinem ersten Verein angemeldet", blickt der mittlerweile 20-Jährige gegenüber der "Sports Illustrated" auf die Partie aus dem Jahr 2007 zurück. Mittlerweile ist Capela mit 2,08 Metern größer als Thabo Sefolosha - und auf dem besten Weg, der nächste Schweizer NBA-Export zu werden.
Thabo hinterher
Doch zunächst zeigt der Teenager Capela kein großes Interesse am Basketball. Mit Begeisterung spielt er Fußball, verfolgt noch heute die Spiele der Nati so oft er kann. "Glückwunsch, wir haben eine große Zukunft vor uns", twitterte der gebürtige Genfer nach dem Auftaktsieg der Schweizer gegen Ecuador. Doch schon früh erkennen seine Trainer ein Problem: Capela ist mit jetzt schon zwei Metern zu groß zum Kicken.
Die unfreiwillige Begegnung mit Sefolosha erweist sich im Nachhinein als schicksalsträchtiges Ereignis. Capela lernt im Genfer Vorort Meyrin den Umgang mit dem orangen Leder, schnell befindet er sich auf dem Radar der europäischen Scouts. Nach nur zwei Jahren wechselt er dann 2009 zum französischen Klub Elan Chalon, der bekannt für seine gute Jugendakademie ist. Neben zahlreichen europäischen Top-Spielern schafften auch Udonis Haslem und Thabo Sefolosha über die Elche den Sprung in die NBA.
Da war sie wieder, die Verbindung zu Sefolosha. Allerdings endet mit dem Wechsel zu Elan Chalon der gemeinsame Pfad Richtung NBA. Schnell ist klar: Capela ist kein Guard, sondern hält sich lieber in der Zone auf, wird in Zukunft wahrscheinlich auf der Vier oder als Center spielen. Auch sonst gibt es kaum Kontakt zwischen den Aushängeschildern des Schweizer Basketballs. "Ich habe Thabo vielleicht ein oder zwei Mal getroffen. Groß miteinander geredet haben wir aber nicht. Er ist für mich aber trotzdem mehr als nur ein Vorbild", erklärte der 20-Jährige der Schweizer Zeitung "Le Matin".
Ein Elch auf Korbjagd
Drei Jahre lang wird der Rohdiamant Capela im Burgund geschliffen, getreu seinem Mantra "von Spiel zu Spiel denken" verbessert sich der Youngster stetig und versteht das Spiel immer besser. 2012 ist es dann endlich soweit: der Schweizer debütiert im November für die Elche, sein erster Einsatz gleicht aber einem Wurf ins kalte Wasser.
Denn Chalon muss nach dem überraschenden Aus im Eurocup Big Men Joffrey Lauvergne, der zunächst nach Valencia, dann zu Partizan Belgrad wechselt, ersetzen. Entsprechend oft wirkt der Schweizer auf dem Feld noch enorm orientierungslos, nur 13 Spiele mit acht Minuten Einsatzzeit stehen für den damals 18-Jährigen zu Buche. Trainer Mickael Hay bricht das Experiment schnell ab.
Doch anstatt aufzustecken, schuftet Capela im Sommer wie ein Besessener im Kraftraum und entwickelt sein Spiel weiter. Als dann Headcoach Hay im Oktober wegen Erfolglosigkeit durch Jean-Denys Choulet ersetzt wird, schlägt die große Stunde Capelas. 22 Minuten im Schnitt steht er auf dem Parkett, sammelt 9,4 Punkte und 6,9 Rebounds. Dazu schickt er 1,5 Würfe pro Spiel zurück an den Absender. "Ich habe nicht so viel Spielzeit erwartet, freue mich aber, dass der Coach so viel Vertrauen in mich setzt", erklärt Capela.
In der Zone zuhause
Auch seine Wurfquote von 63,2 Prozent beweist: Capela fühlt sich im bemalten Bereich unter dem Korb zuhause. Nur fünf Sprungwürfe nahm der 20-Jährige in 43 Partien in dieser Saison, keiner davon landete im Korb. Meistens schließt der Schweizer aus dem Pick-and-Roll ab oder verwertet seine Offensivrebounds zu einfachen Punkten. Besonders das Blocken und Abrollen beherrscht er bereits sehr gut, aufgrund seiner schnellen Füße zieht er meist mühelos an seinem überforderten Gegenspieler vorbei.
Capelas seltene Offensivaktionen finden sich aber zumeist in den Highlightvideos der französischen LNB wieder. Aufgrund seiner starken Athletik malträtiert er zumeist den gegnerischen Korb mit krachenden Dunks, nicht selten landet dabei ein Verteidiger mit auf dem Poster. Wer jetzt unweigerlich Parallelen zu DeAndre Jordan oder einem jungen Serge Ibaka zieht, der liegt gar nicht so falsch. "Meine Vorbilder sind DeAndre Jordan und Serge Ibaka, aber auch von Anthony Davis kann ich mir noch einiges abschauen", verrät Capela. Mit dem Thunder-Forward verbinden ihn außerdem seine afrikanischen Wurzeln. Capelas Vater kommt aus Angola, seine Mutter aus dem Kongo.
Ebenfalls mit Ibaka gemeinsam hat Capela eine bereits jetzt recht ansehnliche Defense. Das Pick-and-Roll verteidigt er vorbildlich, auch unter dem Korb macht er aufgrund seiner Krakenarme mit einer Spannweite von 223 Zentimetern jedem Gegner das Leben schwer. Lediglich aufgrund seines geringen Gewichts lässt er sich noch manchmal in der Zone herumschubsen. Seine Athletik macht hier allerdings einiges wieder wett. 3,2 Blocks auf 40 Minuten hochgerechnet sprechen eine deutliche Sprache.
Keine Fundamentals
Allerdings wurde bereits in der LNB deutlich: Um restlos zu überzeugen, fehlen Capela defensiv wie offensiv die Fundamentals. Im Lowpost wirkt der 20-Jährige schon gegen LNB-Veteranen oft hilflos. Kaum vorzustellen, was NBA-Forwards mit Capela anstellen. Zudem fehlt ihm in der Offense ein Arsenal an Postmoves, besonders mit dem Rücken zum Korb ist Capela absolut ungefährlich. Hinzu kommt der eingangs schon erwähnte fehlende Sprungwurf. Auch seine Freiwurfquote von 58,2 Prozent ist sicherlich ausbaufähig.
Beim Nike Hoop Summit in diesem Jahr wurden diese Probleme offensichtlich, nur fünf Punkte erzielte Capela. Coach Roy Rana ist dennoch von seinem Schützling begeistert: "Er ist vielleicht der athletischste Spieler, den der Hoop Summit jemals hatte. Er hat eine große Zukunft vor sich. Er hat unglaubliches Potential, wenn er an seinem Körper arbeitet, und kann ein Team als Glue Guy zusammenhalten."
"Ich mag die Raptors"
Die Draft-Experten sind sich sicher: Capela wird definitiv in der ersten Runde die Hand von Adam Silver schütteln. Von einem Late-Lottery-Pick bis hin zum Ende der ersten Runde ist dabei alles drin. Bisher absolvierte er Workouts bei den Grizzlies, Celtics, Rockets, Suns, Raptors und Nuggets. "Ich bin zufrieden mit meinen Workouts in Toronto und Phoenix, in Denver war ich leider verletzt", bilanziert Capela. Am liebsten würde er aber am Draft-Tag die Cap der Dinos aufsetzen. "Ich mag die Raptors. Sie sind ein junges Team, das sich in den letzten Jahren gut entwickelt und eine große Zukunft hat", verriet Capela der "Sports Illustrated".
Aber auch die San Antonio Spurs sollen am besten jungen Spieler der LNB 2014 Interesse haben. Und wer wäre ein besserer Lehrer für den jungen Schweizer als Tim Duncan? Nach der Absage von Kristaps Porzingis könnten aber auch die Oklahoma City Thunder an 21. Stelle zuschlagen - und Capela mit seinem großen Schweizer Vorbild vereinen.