Er steht häufig im Schatten von LeBron James und Dwyane Wade. Nicht Wenige sehen ihn nicht einmal als Teil der Big 3. Eigentlich wird er seit seinem Wechsel nach Miami durchweg kritisch beäugt. Und doch ist es ihm egal.
Chris Bosh hat seine Rolle gefunden. Er akzeptiert es, die Nummer drei zu sein und macht das, was das Team gerade braucht. So auch in Spiel 2. Der Big Man bestach durch Aggressivität, Präsenz und Variabilität. Gut eine Minute vor Ende - beim Stand von 92:93 aus Sicht der Heat - bekommt Bosh den Ball von James serviert.
Der Center drückt aus der Ecke ab und versenkt den Dreier eiskalt. Rund 50 Sekunden später geht Bosh am Perimeter gegen Tim Duncan ins Dribbling, zieht vorbei und bedient Wade für den einfachen Korbleger. 98:93. Der Deckel ist drauf.
Bosh bringt Kritiker zum Schweigen
Bosh könnte den Moment auskosten, sich ins Rampenlicht stellen und mit seinen Kritikern abrechnen. Stattdessen lobt er seinen Teamkollegen James für die Uneigennützigkeit vor dem wichtigen Dreier. Er ist halt die Nummer drei.
Dann können die anwesenden Journalisten ihm aber doch noch ein Statement zu der Kritik entlocken. Nachdem LeBron sich tags zuvor als "leichtestes Angriffsziel in der Sportswelt" bezeichnete, sieht sich Bosh als "zweitleichtestes" Angriffsziel. "Ich habe diese Dinge wirklich vor langer Zeit hinter mir gelassen. Mich interessieren diese Dinge nicht. Ich konzentriere mich aufs Spiel", ergänzte er anschließend.
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Das Lob für den Center übernehmen andere. Coach Erik Spoelstra gerät dabei geradezu ins Schwärmen: "Er ist wohl unser wichtigster Spieler." Der Trainer meint dabei wirklich seinen Center und nicht LeBron. "Wenn er nicht die üblichen Möglichkeiten bekommt, nicht punktet oder viele Rebounds holt, hagelt es von außen immer Kritik. Aber für uns ist er auch auf anderen Wegen wichtig", holt Spoelstra aus und erklärt weiter: "Er ist ein Two-way-Spieler auf beiden Seiten des Feldes. Er macht das Spiel breit und muss trotzdem Wege finden, aggressiv zu sein. Es ist schwer, die richtige Balance zu finden, aber er ist versiert genug und hat genug Einfluss, dies zu schaffen.
"Der vergessene Typ in unserem Team"
Wie gegen die Spurs. Bosh machte vier der ersten fünf Körbe in der Zone und setzte mit zwei Dunks ein Ausrufezeichen. Da staunte selbst der ausgewiesene Dunk-Experte im Team. "Er hatte heute zwei Dunks dabei, die haben wir seit einer langen Zeit nicht mehr gesehen. Wenn er diese Haltung hat, mischt er einfach alles auf", sagte LeBron und schickte ein Lob hinterher: "Er ist der vergessene Typ in unserem Team, aber das sollte so nicht sein. Gerade heute Nacht. Ohne seine Aggressivität hätten wir heute nicht gewonnen."
Ohne James aber auch nicht. Der Superstar zeigte die erwartete Reaktion. 35 Punkte, 10 Rebounds, eine Trefferquote von 64 Prozent. Solche Zahlen hatte in den Finals bislang nur Shaquille O'Neal hingelegt. Von seinen Krämpfen war keine Spur mehr.
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"Er ist einfach der beste Spieler in diesem Spiel. Er hat einen unglaublichen Weg, dem Spiel auf verschiedene Arten seinen Stempel aufzudrücken", so Spoelstra. Das musste auch Kawhi Leonard schmerzlich erfahren. Der Spurs gehört sicher zu den besseren Verteidigern in der Liga und auch LeBron hat er schon mehrfach überragend verteidigt. Nicht umsonst stand er im All-Defensive-Second-Team. Dieses Mal fand er sich nach knapp 32 Minuten mit sechs Fouls auf der Bank wieder.
James liefert Gala ab
Läuft James heiß, ist er nun mal nicht zu stoppen - von keinem Spieler auf dieser Welt. Dabei lief der Anfang eher schleppend. LeBron brauchte eine Weile, um seinen Rhythmus zu finden, ehe der Attack Mode auch Wirkung zeigte. Und die war dann durchschlagend.
James traf immer die richtige Entscheidung. Wie beim Pass auf Bosh. Es war der gleiche Spielzug wie in Spiel 5 der Conference Finals gegen Indiana. Damals warf Bosh daneben und die Pacers gewannen. Es war auch der gleiche Spielzug wie in Spiel 1 der Conference Finals 2007 gegen Detroit, als der damalige Cavalier Donyell Marshall suchte und fand. Auch Marshall traf nicht. Jetzt aber traf Bosh und brach den Spurs das Genick.
Spurs spielen keinen Team-Basketball mehr
Oder taten sie es selbst? San Antonio zeigte nämlich lange Zeit ein blitzsauberes Spiel. Das Ball-Movement funktionierte traumhaft. Die Spurs zeigten schlicht und ergreifend den Team-Basketball, der sie so gefährlich macht.
Bis zum vierten Viertel. Ohne Not wichen sie von ihrer Marschroute ab. "Der Ball klebte an unseren Händen. Ich glaube, dass wir es versucht haben, aber wir haben es nicht als Gruppe versucht. Wir wollten es individuell lösen, aber dafür sind wir nicht gut genug", ärgerte sich Coach Gregg Popovich.
Manu Ginobili sah es ähnlich: "Es gab Momente, da haben wir einfach vergessen, wie wir bis hierhin gekommen sind." San Antonio hatte in den letzten 4:30 Minuten nicht einen Abschluss in der Zone. Viele Würfe waren erzwungen. LeBron dämmte Tony Parkers Kreise ein und so kam auch das Ball-Movement zum Erliegen.
Der Heimvorteil ist futsch, das Momentum auch. Die Serie aber noch lange nicht. Jetzt sind die Spurs gefordert. Jetzt müssen sie Antworten liefern.