Am Ende wurde es noch einmal deutlich. 25 Punkte standen zwischen den Indiana Pacers und den Miami Heat. Zwischen einem entscheidenden Spiel 7 in den Eastern Conference Finals und dem abermaligen Aus gegen den zweifachen Champ. Beinahe selbstverständlich standen die Pacers am falschen Ende dieser 25 Punkte. Sie waren schlicht nicht gut genug, Miami erneut ein siebtes Spiel aufzuzwingen, die Heat vielleicht sogar frühzeitig vom Thron zu stoßen.
Dabei deutete bis zum All-Star Break einiges darauf hin, dass Indiana und nicht erst die San Antonio Spurs zum Sargnagel für Miamis Three-peat-Träume werden könnten. Mit gnadenloser Defense trieben die Pacers Gegner für Gegner zur Verzweiflung. Die Offense war immerhin gut genug, den Vorteil am hinteren Ende des Feldes effektiv zu nutzen. Sogar gut genug für die beste Bilanz der Liga.
Die WM-Vorbereitungsspiele der USA - LIVE mit dem LEAGUE PASS!
Eines der größten Mysterien der Geschichte
Was dann geschah, wird wohl als eines der größten Mysterien der jüngeren Vergangenheit in die NBA-Geschichte eingehen. Die Pacers fielen völlig auseinander. Mit einem Mal gelang nichts mehr. Rein gar nichts. Ab dem 1. Februar brachte Indiana das Kunststück fertig, die schlechteste Offense all jener Teams zu stellen, die halbwegs ernsthafte Ambitionen hegten, ihre Spiele auch zu gewinnen, und nicht in Philadelphia beheimatet sind.
So verloren die Pacers 14 ihrer letzten 36 Regular-Season-Spiele, ließen sich vom Shooting der Hawks in der ersten Playoff-Runde völlig aus dem Konzept bringen und zogen als topgesetztes Team im Osten erst nach sieben Spielen in Runde zwei ein. Basketball-Puristen wandten sich beim bloßen Anblick Indianas beinahe peinlich berührt ab. Diese unglaublich holprige Offense. Diese teils an Slapstick erinnernden Turnover. Diese Probleme, effektiv in der Zone zu punkten. Indianas Spiel war unansehnlich geworden.
Vom Meisterschafts-Favoriten aus dem Winter war kaum mehr etwas übrig. Wieso, weiß eigentlich niemand. Bekam der Trade, der Danny Granger für Evan Turner nach Philly schickte, der Stimmung tatsächlich so schlecht? War Andrew Bynums bloße Präsenz genug, ein eigentlich funktionierendes Team in sich zusammenstürzen zu lassen?
"Alles, um Titel zu gewinnen"
Irgendetwas ist, irgendetwas muss vorgefallen sein. Oder doch nicht? "Wir waren immer noch ein großartiges Team", liefert Paul George gegenüber den "Los Angeles Daily News" einen Erklärungsansatz. "Wir hatten immer noch die richtigen Teile beisammen, Teile, um eine Meisterschaft zu gewinnen. Am Ende haben wir es aber nicht zur richtigen Zeit zusammenbekommen. Hätten die Playoffs im November oder Dezember begonnen, hielten wir jetzt wahrscheinlich die Trophäe hoch. Wir haben unser Maximum einfach zu früh erreicht."
Bliebe die Frage, ob Indiana in naher Zukunft überhaupt wieder derart starke Pacers bewundern darf, wie zu Beginn der vergangenen Saison. In selber Zusammensetzung jedenfalls nicht. Denn Lance Stephenson entschied sich gegen die von Larry Bird gebotenen 44 Millionen Dollar für fünf Jahre und unterschrieb stattdessen für 27 Millionen Dollar und drei Jahre bei den Charlotte Hornets. "Born Ready", dieser kontroverse Charakter, wird sein unterhaltsames Wechselspiel aus Genie und Wahnsinn ab sofort in North Carolina aufführen.
Eine Zäsur. "Es ist einfach enttäuschend", gesteht Bird. "Wenn ich beim Training und er heiß war, war er bei Weitem unser bester Spieler. Und er hat gearbeitet. Wenn du so hart arbeitest wie er, wirst du automatisch besser. Ich werde den Jungen vermissen. Keine Frage."
Stephenson wird fehlen
Und die Pacers werden es ebenfalls tun. Denn, so sehr Stephensons grandios gescheiterte Psychospielchen mit LeBron James während der Conference Finals auch zur allgemeinen Erheiterung beigetragen haben mögen, so essentiell war der Shooting Guard für Indianas Spiel. Als einer von nur zwei Pacers brachte er so etwas wie Kreativität in die Offense. Stephenson besitzt die Gabe, für seine Mitspieler zu kreieren, eine Gabe, die ausgerechnet Point Guard George Hill nahezu völlig abgeht.
Mit ihrem Zweier auf dem Feld schlossen die Pacers häufiger in der Zone ab, trafen besser von jenseits der Dreierlinie - speziell aus der Ecke. 45,5 Prozent der Corner-Threes, jenes Wurfs, der beinahe ausschließlich assistiert Richtung Ring geschickt wird, fielen, sobald Stephenson mitwirken durfte. War ein wenig Abkühlung auf der Bank nötig, sank die Quote auf 38,6 Prozent.
Natürlich trug Stephensons exzessiv ausgelebte Liebe zum Risikopass nicht unwesentlich zu Indianas Turnover-Problematik bei, "Born Readys" Explosivität, seine Kreativität wird den Pacers dennoch deutlich fehlen. Zumal Paul George - als hätte er nicht schon genug Aufgaben zu erfüllen - kommende Saison wohl noch mehr Verantwortung beim Ballvortrag übernehmen muss. Seiner Effizienz könnte das durchaus schaden.
Hilft Stuckey?
Vielleicht vermag Rodney Stuckey jedoch für ein wenig Entlastung zu sorgen. Immerhin versteht es der ehemalige Piston wie Stephenson, aus dem Dribbling heraus zu kreieren, wenngleich er zu häufig eher zum eigenen Wurf tendiert, anstatt den offenen Mitspieler zu suchen. Zudem ist Stuckeys Dreier schlicht nicht existent. 28,6 Prozent von jenseits des Perimeters dürften jedenfalls nicht zur Lösung von Indianas latenter Spacing-Problematik sorgen.
Überhaupt sollte Coach Frank Vogel seinen Spielern eintrichtern, das Feld effektiv zu nutzen, sich rund um die Dreierlinie zu postieren, anstatt den Raum innerhalb des Perimeters unnötig eng zu machen. Ein großes Problem der Pacers in der vergangenen Saison.
Allerdings scheint Indiana durchaus gewillt zu sein, etwas zu unternehmen. Das lassen jedenfalls die Aktivitäten des Sommers vermuten. Mit C.J. Miles und Damjan Rudez wurden zwei Shooter verpflichtet, die Stephensons Abgang durch ihre Fähigkeiten von draußen auffangen sollen. Spacing statt Slashing.
Hibbert trainiert mit Kareem
Ein Profiteur könnte Roy Hibbert sein. Der Center legte vergangene Saison den vielleicht steilsten Abstieg eines All Stars hin, den die Liga je gesehen hat. Beinahe von heute auf morgen war vom dominanten Center der ersten Saisonhälfte nichts mehr zu sehen. Hibbert wirkte verunsichert, hatte seinen Rhythmus völlig verloren. Natürlich trieb seine Defense gerade John Wall und Bradley Beal im Conference-Halbfinale den Angstschweiß auf die Stirn, offensiv war Hibbert jedoch zu häufig überhaupt kein Faktor.
Dominanten Auftritten wie jenem in Spiel 1 gegen die Heat (19 Punkte, 9/13 FG, 9 Rebounds) folgten immer wieder rätselhafte Nichtleistungen. Hibbert mutierte zum Enigma - und stand damit sinnbildlich für den Niedergang des besten Teams der ersten Saisonmonate. Wiederholen soll sich das natürlich nicht. Deshalb begann der Center vor kurzem mit Kareem Abdul-Jabbar zu arbeiten. Seiner Offense wird das sicherlich nicht schaden. Inwieweit das dem offensiven Gesamtkonstrukt der Pacers zugutekommen kann, muss sich allerdings erst zeigen.
Erstarkte Konkurrenz
Genauso, ob es Frank Vogel gelingt, seine offensiv Begabten besser in die Rotation einzubinden, ohne dabei Indianas Defense zu viel an Effizienz einbüßen zu lassen. Denn allein durch Defense, so viel ist mittlerweile klar, dürften sich die Pacers den neuerlichen Sprung ins Conference Final nicht verdienen. Denn der Osten kommt deutlich ausgeglichener daher als noch im vergangenen Jahr. Die Chicago Bulls scheinen die Pacers überholt zu haben, Cleveland ist mit LeBron ebenfalls wieder ernstzunehmen. Hinzu kommen die Hornets und Wizards. Auch Toronto ist sicherlich nicht zu unterschätzen.
Während sich ein Großteil der Konkurrenz noch einmal verstärkt hat oder allein aufgrund gewonnener Erfahrung (Washington, Toronto) gefährlicher erscheint, müssen die Pacers erst einmal den Abgang eines ihrer Besten verkraften. Auch der wunderliche Absturz der vergangenen Saison will irgendwie weggesteckt werden. So dürften am Ende sicherlich mehr als 25 Punkte zwischen Indiana und einem möglichen Spiel 7 in den Conference Finals stehen.