NBA

Die Spurs des Ostens

Dennis Schröder und Mike Budenholzer gehen in ihre zweite Saison bei den Atlanta Hawks
© getty

Mit einem gesunden Al Horford wollen die Atlanta Hawks im Osten angreifen. Erst jetzt kann Coach Mike Budenholzer die Spurs-Kopie perfektionieren. Dafür vertrauen die Hawks dem alten Kader und hoffen auf eine Steigerung von Dennis Schröder.

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Im ersten Moment wirkte alles völlig harmlos. Eine ganz normale Szene, wie sie hunderte Male jede Woche in der NBA vorkommt. Beim Einwurf der Cleveland Cavaliers versucht Al Horford, den Ball vor Anderson Varejao abzufangen. Mit der rechten Hand reckt sich der Center nach dem Spalding, um sich nur eine Sekunde später schmerzverzerrt die Schulter zu halten.

Riss der rechten Brustmuskulatur lautete die ernüchternde Diagnose. Es sollte der Knackpunkt in der bis dahin überraschend erfolgreichen Saison der Atlanta Hawks sein. Mit Horford lagen die Hawks an Weihnachten auf dem dritten Platz im Osten. 16-13 lautete die Bilanz - auf die Saison hochgerechnet wäre das Platz 5 mit 45 Siegen geworden.

Horford als Schlüsselfigur

Ohne den All-Star wurde es mit Ach und Krach Platz 8 im Osten (38-44). In den Playoffs ließ Atlanta dann zwar noch einmal aufhorchen, aber jeder im "Dirty South" war sich sicher, mit Horford wäre mehr drin gewesen.

Jetzt ist der Center zurück und damit auch die Hoffnungen auf einen tiefen Playoff-Run. Der Dominikaner ist der Schlüssel im System von Coach Mike Budenholzer. Atlanta lebt vom guten Ball Movement, vom Spacing und den hervorragenden Dreierschützen.

Mit Horford unter dem Korb haben die Scharfschützen mehr Platz. Der Big Man zieht automatisch die Aufmerksamkeit der Defense auf sich. So war es auch wenig verwunderlich, dass General Manager Danny Ferry darauf verzichtete, sich um die großen Fische in der Free Agency zu bemühen.

Kopie der Spurs

Schließlich bekommt Atlanta ebendiesen großen Fisch zurück - zum Nulltarif. Erst jetzt wird sich Coach Buds Spiel in Gänze zeigen. Keiner der Ex-Schüler von Gregg Popovich hat dessen Spielidee vom selbstlosen Team-Basketball so stark adaptiert wie Budenholzer.

Auch das war ein Grund, warum die Hawks es auch ohne ihren Franchise-Spieler in die Playoffs schafften. Ähnlich wie beim Meister aus San Antonio ist das System der Star. Und so ergänzten die Hawks den ohnehin schon tiefen Kader nur marginal.

Mit Thabo Sefolosha und Kent Bazemore kamen zwei ausgewiesene Defensivspezialisten für den Backcourt, die aber durchaus auch scoren können. Damit erhoffen sich die Hawks, ein Problem abgestellt zu haben. Denn die Team-Defense unterscheidet sich noch erheblich von der des Meisters aus Texas.

Ein Defensiv-Rating von 105 (Platz 20 in der abgelaufenen Saison) weist das Verbesserungspotenzial aus. Die Frage wird sein, ob Sefolosha das noch leisten kann. Der Schweizer hat eine seiner schwächsten Spielzeiten hinter sich und dürfte mit 30 Jahren seinen Zenit bereits erreicht haben.

Stärkung der Defensive

"Thabo ist uneigennützig, ein Wettkämpfer und bringt Playoff-Erfahrung mit. Er macht auf beiden Seiten des Courts viele Dinge gut. Er füllt bei uns eine Lücke, indem er uns mehr Größe und Tiefe verleiht. Er war immer Teil von Gewinner-Teams und passt perfekt in unsere Philosophie", hält Ferry dagegen.

Auch Bazemore könnte in seiner dritten Saison einen weiteren Schritt nach vorne machen. Der ungedraftete Guard erlebte nach seinem Trade zu den Lakers eine Art Coming-Out-Party und zog in der Offseason das Interesse von gefühlt jedem NBA-Team auf sich.

Die Minuten dürften nun zwar wieder zurückgehen, dennoch könnte Bazemore als Energizer von der Bank nützliche Dienste leisten. Zumal er eben auch Gefahr von außen ausstrahlt - wie so ziemlich jeder im Kader der Hawks.

Egal ob Kyle Korver, DeMarre Carroll, Jeff Teague oder eben die Big Men Mike Scott, Paul Millsap, Pero Antic oder Mike Muscala, den offenen Dreier treffen alle. Mit Rookie Adreian Payne reiht sich der nächste Stretch-Four ein. Der Power Forward, der durch volle vier Jahre am College mit einer gewissen Reife in die Liga kommt, dürfte wenig Eingewöhnungszeit brauchen. Da lässt sich das wohl nicht mehr unendlich hohe Entwicklungspotenzial verschmerzen.

Schröder muss zulegen

In der Summer League gab er bereits eine ordentliche Kostprobe seines Talents und profitierte dort auch von Dennis Schröder. Der Deutsche muss nach einer durchwachsenen Rookie-Saison nun beweisen, dass er zu Recht in der ersten Runde ausgewählt wurde.

Eine gute Vorstellung in Las Vegas und sein selbstbewussten Auftreten beim DBB-Team machen Hoffnung. Sollte seine Entwicklung weiter voranschreiten, dürfte Schröder sich die Backup-Rolle von Konkurrent Shelvin Mack zurückerkämpfen.

Assistant Coach Darvin Ham gibt die Richtung vor: "Wir erwarten von ihm, dass er verteidigt, reboundet und unsere Offensive organisiert, aber in erster Linie erwarten wir, dass er sich weiter reinhaut und das nächste Level erreicht." Es wartet mehr Verantwortung auf Schröder, schließlich gilt es auch den Abgang von Lou Williams zu kompensieren.

Was passiert mit Millsap?

Bei aller Kontinuität im Kader und dem klaren Plan, den das Front Office verfolgt, gibt es auch Baustellen. Eine davon ist Paul Millsap. Der einmalige All-Star, der vor der letzten Saison zum durchaus günstigen Tarif von 19 Millionen Dollar für zwei Jahre kam, spielte in Abwesenheit von Horford eine bärenstarke Saison (17,9 Punkte, 8,5 Rebounds).

Dumm nur, dass Millsap nun in sein letztes Vertragsjahr geht. Einen ähnlichen Rabatt wird der Power Forward sicher nicht noch einmal gewähren und so halten sich Gerüchte um einen Trade. Den ganz dicken Vertrag werden die Hawks ihm auch in der kommenden Free Agency nicht anbieten. Ferry legt großen Wert darauf, dem Team nicht die Flexibilität zu berauben, solange man noch kein Contender ist.

Gleichzeitig werden die Hawks immer wieder als Interessent für Detroits Center Greg Monroe genannt. Es bleibt abzuwarten, inwieweit Millsap sich davon beeinflussen lässt. Die Weichen sind zumindest gestellt in Atlanta, jetzt liegt es am Team, die richtige Richtung einzuschlagen.

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