"Europa hat uns eine Lektion erteilt"

Marc-Oliver Robbers
02. Oktober 201411:30
San Antonios Erfolgstrio: Tony Parker, Tim Duncan und Headcoach Gregg Popovich (v.l.)getty
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Die San Antonio Spurs gelten als europäischstes aller NBA-Teams. Coach Gregg Popovich erklärt, weshalb er sich am Basketball aus Übersee orientiert hat. Außerdem: Erfahrungen in Berlin und Istanbul, das Scouting-System der Spurs und mögliche europäische Coaches in der NBA.

Frage: Herr Popovich, steigt Ihre Vorfreude auf die Global Games bereits?

Gregg Popovich: Es ist schon ein wenig lustig. Ich war im Sommer in Berlin und Istanbul im Urlaub und hatte alles geplant, bevor feststand, dass wir im Oktober wieder mit dem Team nach Berlin und Istanbul reisen würden. Also kenne ich mich jetzt in beiden Städten aus und weiß, wo wir hingehen können. Ich freue mich daher, zurückzukommen. Und dann wurde mir noch gesagt, dass wir da auch zwei Spiele haben. (lacht).

Frage: Wie lange waren Sie in Berlin? Sind noch Dinge offen, die sich diesmal ansehen möchten?

Popovich: Wir waren vier oder fünf Tage in Berlin. Ich hatte noch ein paar Freunde aus Serbien und den USA dabei. Wir haben die Atmosphäre und die Kultur sehr genossen. Das Pergamonmuseum war hervorragend und unser Trip nach Potsdam war auch sehr interessant. Wir hatten die Möglichkeit, eine Menge von Berlin zu sehen und haben es genossen. Es war eine tolle Zeit. Ich hoffe, dass die Spieler neben dem Spiel und dem Training auch die Kultur und die Geschichte der Stadt genießen können.

Frage: Was erwarten Sie sportlich vom Spiel gegen Alba Berlin?

Popovich: Wir sind natürlich erst ganz am Anfang unserer Saisonvorbereitung. Das Spiel gegen Alba wird daher eine gute Gelegenheit sein, einen Blick auf unsere jungen Spieler zu werfen. Zudem können wir sehen, in welcher Form sich unsere Jungs nach dem Sommer befinden und wie sehr sie die Meisterschaft genossen haben. Ich bin mir sicher, dass wir danach noch nicht bei allen sagen können, in welcher Verfassung sie sein können. Ich freue mich aber auf den Saisonstart und Alba ist der Anfang.

Frage: Wie gut kennen Sie den Gegner?

Popovich: Ich kenne natürlich Coach Sasa Obradovic, der einer der besten Trainer in Europa ist. Ich weiß um die Erfolge in der deutschen Liga und im Pokal und kenne die stolze Geschichte. Er hat das sehr gut gemacht. Sie hatten ein gutes Jahr, unter anderem mit einem harten Spiel gegen Valencia (Viertelfinale des Eurocups , Anm. d. Red.). Alles ist auf die Zukunft ausgelegt, aufs Wachsen und besser werden. Es wird daher eine gute Standortbestimmung für uns.

Frage: Im Anschluss an das Spiel in Berlin geht es für sie nach Istanbul. Genießen Sie solche Trips?

Popovich: Ich kann sagen, dass Istanbul einer meiner Lieblingsorte ist, die ich in den letzten 15-20 Jahren besucht habe. Die Leute da sind sehr freundlich. Zum ersten Mal in der Türkei war ich vor vielen Jahren. Damals war ich noch jung. Mittlerweile freue ich mich immer wieder, zurückzukommen. Ich glaube, dass viele Amerikaner gar nicht wissen, wie vielfältig die Geschichte der Türkei und Istanbul ist. Das Goldene Horn mit seiner großen Bedeutung ist beispielsweise ein toller Ort.

Frage: Inwieweit helfen Reisen, wie jetzt bei den Global Games, die Ziele in der kommenden Saison zu erreichen?

Popovich: Ich finde es großartig, wenn unser Team die Möglichkeit hat, solche Trips zu machen. Es ist für sie eine tolle Möglichkeit, ihren Horizont zu erweitern und an Orte zu gelangen, an denen sie vorher noch nie waren. Das hilft uns natürlich auch, als Team besser zusammenzufinden und bereichert gleichzeitig ihr Leben.

Frage: Nun zu den Spurs: Ihr Team ist das erfolgreichste der letzten 15 Jahre. Was unterscheidet Sie von den anderen Teams in der Liga? Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Popovich: (lacht) Das Geheimnis ist, dass es kein Geheimnis gibt. Jeder von uns weiß, dass dieser Erfolg nicht möglich wäre, wenn wir nicht jeden Tag hart arbeiten würden und versuchen würden, unser Bestes zu geben. Natürlich spielen auch immer die Begleitumstände eine Rolle, wenn man Erfolg haben will. Das wissen wir alle. Aber es ist nicht so, dass wir Spielzüge kennen, die andere Teams nicht kennen oder dass wir in Situationen während des Spiels mehr wissen als andere Teams. Es ist einfach Basketball. Man braucht nicht hochintelligent sein, um erfolgreich zu sein, aber die Gegebenheiten müssen stimmen und die richtigen Leute am Werk sein. Bei uns fängt das mit unserem Besitzer an, der General Manager RC Buford und mich einfach unseren Job machen lässt. Er erlaubt uns, kontinuierlich zu arbeiten und erwartet keinen kurzfristigen Erfolg. Ich denke, es fängt alles mit dieser Philosophie an. Dann fühlen sich automatisch alle wohl in ihrer Haut, machen nicht ihr eigenes Ding und freuen sich über den Erfolg des anderen. Dann Bedarf es natürlich noch des Glücks, in der Lage zu sein, einen Tim Duncan als Erstes im Draft ziehen zu können. Das bedarf keiner großen Cleverness. All diese Dinge vereint haben es uns erlaubt, da zu stehen, wo wir jetzt stehen.

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Frage: Andererseits waren Sie einer der ersten, der viel auf europäische und südamerikanische Spieler setzte. Was macht sie so wertvoll?

Popovich: In erster Linie möchte ich gewinnen. Da ist es mir egal, woher die Spieler kommen. Es ist ja logisch: Wenn ein Spieler gut ist, versuchen wir, ihn zu verpflichten oder zu draften. Darüber hinaus habe ich eine Affinität für solche Spieler. Als ich beim Militär war und Basketball gespielt habe, sind wir viel gereist. Ich habe unter anderem in Tschechien und Wiesbaden gespielt und gesehen, dass es die Spieler dort auch drauf haben. Das jugoslawische Team war großartig, Die Sowjetunion hatte ein tolles Team. Marciulionis, Divac... es gab diese Spieler und ich habe mir vorgenommen, mir das genauer anzuschauen und diese Spieler zu finden. Unser Besitzer und unsere ganze Organisation hat mir das erlaubt und wir haben das immer weiter verbessert. Aber wir hatten natürlich auch Glück: Manu Ginobili haben wir beispielsweise an 57. Stelle gedraftet. Da kann man nicht davon ausgehen, dass man einen Spieler wie ihn bekommt.

Frage: Haben Sie dennoch ein bestimmtes Scouting-System, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen?

Popovich: Ganz am Anfang haben RC Buford und ich das selbst gemacht. Irgendwann haben das aber andere Scouts für uns übernommen, die an vielen Orten der Welt für uns unterwegs sind und uns Reports schicken. Der andere Punkt ist aber, dass viele dieser Jungs aus Übersee wissen, wie man dieses Spiel spielt. Ich liebe es, wie sie den Ball bewegen. Ich habe viel gelernt, indem ich mir Teams aus Übersee angeschaut habe. Die Coaches fordern da gutes Ball-Movement, viel Bewegung und uneigennütziges Spiel. In den USA waren wir irgendwann an einem Punkt, an dem nur noch das 1-on-1 zählte. Ein Star gegen den anderen Star und es ging mehr um gamblen und shooten und nicht darum, mit den Teamkollegen zusammenzuspielen. Wir haben diese Phase zum Glück überwunden, aber ich habe zu der Zeit nach Spielern Ausschau gehalten, die wussten, wie man spielt.

Frage: Was halten Sie generell vom europäischen Basketball? Gibt es noch große Unterschiede zwischen Europa und der NBA?

Popovich: Ich glaube, es gab eine Zeit, in der uns der Basketball in Europa eine Lektion in Sachen Ball-Movement, Passen und uneigennützigem Spiel erteilt hat. Wir waren, wie gesagt, einem ESPN-TV-Mode verfallen, in dem es nur noch um Dunks und Dreier ging. Die Fundamentals blieben dabei auf der Strecke. Nun schlägt das Pendel jedoch wieder in die andere Richtung aus. Wir Amerikaner verstehen jetzt diesen Wert wieder viel besser. Wir haben in der Zwischenzeit viele Europäer, Südamerikaner und Spieler aus Übersee verpflichtet. Diese Jungs wissen, wie man spielt. Wir haben sie mit Amerikanern zusammengebracht und waren sehr erfolgreich. Es ist mittlerweile so ein globales Spiel. Es gibt überall großartige Trainer - wie meinen Top-Assistant Ettore Messina, aber auch tolle Spieler. Das zeigt der Draft jedes Jahr wieder aufs Neue. Die Bandbreite wird immer größer, jeder versteht das Spiel. Es geht darum, daraus das beste Team zusammenstellen. Die Organisation, die dies schafft, ist erfolgreich.

Frage: Sie sprechen Ettore Messina an, einen der besten europäischen Trainer. Nun ist er Ihr Assistent. Wie kam es dazu?

Popovich: Als Manu Ginobili als junger Spieler in Bologna den Durchbruch schaffte, war Ettore Messina sein Coach. Da habe ich Coach Messina das erste Mal wahrgenommen. Ich kam häufiger nach Europa und habe mir das Team angeschaut und habe so Respekt vor seine Fähigkeiten bekommen. Er kam dann auch ein paar Mal in die USA und war sogar einmal bei einem unserer Roadtrips dabei. Da haben wir uns sehr viel über Basketball unterhalten. Auch als er dann eine Saison Assistant Coach unter Mike Brown bei den Lakers war, haben wir uns wieder einige Male unterhalten. So fing alles an. Nach der Meisterschaft in diesem Jahr war er der Erste, den ich kontaktiert habe. Er stand gerade nirgendwo unter Vertrag und ich konnte ihn davon überzeugen, mir und den Spurs zu helfen. Wir sind sehr glücklich, dass jemand wie er sich für unser Team entschieden hat.

Frage: Kann er Sie eines Tages beerben?

Popovich: (lacht) Es gibt eine Menge Leute, die mich ersetzen können, aber er ist sicher einer davon. Leute, die glauben, dass sie nicht ersetzbar sind, machen einen Fehler. Er hat auf jeden Fall die Fähigkeiten, dies zu tun. Ich habe viele gute Assistenten und jeder von ihnen kennt unser Programm so gut wie ich oder sogar besser. Das wird also nicht besonders schwierig, wenn es irgendwann so weit ist.

Frage: Fenerbahce, ihr zweiter Gegner im Zuge der Global Games wird von Zeljko Obradovic trainiert, ebenfalls eine Legende in Europa. Viele nennen ihn aufgrund seiner Erfolge sogar den europäischen Gregg Popovich. Kennen Sie ihn persönlich?

Popovich: Ja, ich kenne ihn und kenne auch seine ganzen Erfolge. Ich respektiere ihn und sehe ihn auf einem Level mit Ettore Messina. Er hat großartige Dinge erreicht und ich verfolge seine Teams seit einer ganzen Weile an verschiedenen Orten. Er war eine Weile in Griechenland und auch in Belgrad und hat viele serbische Trainer inspiriert.

Frage: Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit ein europäischer Trainer Head Coach in der NBA sein wird?

Popovich: Trainer wie Obradovic oder Ettore sind auf jeden Fall in der Lage, ein NBA-Team zu trainieren. Die Frage stellt sich gar nicht, es geht vielmehr um die Trainerrolle. Hat irgendwer genug Ahnung und Vertrauen dies zu tun? Es ist vergleichbar mit der Zeit, als der erste internationale Spieler in die Liga kam. Da hieß es auch: "Er spricht nicht die Sprache, er kommt aus einer anderen Kultur, er spielt keine Defense..." Diese ganzen dummen Argumente. Jeder ist anders. Es gab Europäer und Südamerikaner, die hier gescheitert sind, es gab aber auch Amerikaner, die in Europa gescheitert sind. Man muss jeden Menschen einzeln betrachten und wenn man sich Messina oder Obradovic anschaut, haben sie auch das Zeug für die NBA. Ohne Frage.

Frage: Mit Messina haben Sie nun einen Europäer im Trainerteam, mit Becky Hammon auch erstmals eine Frau. Welche Rolle spielt sie bei Ihnen?

Popovich: Sie spielt die gleiche Rolle wie alle anderen auch. Bei uns gibt es keinen Offense- oder Defense-Koordinator. Wir trennen da nicht. Jeder ist für alles verantwortlich. Wenn wir Meetings abhalten, ist jeder gleich. Wenn Sie eine gute Idee haben, nehme ich sie auch. Becky war ja bereits in der letzten Saison bei uns. Sie war lange verletzt und konnte daher nicht in der WNBA spielen. Sie war Teil der Teammeetings, leitete Teile des Trainings. Sie ist also ein Assistant Coach wie alle anderen auch.

Frage: Zum Abschluss eine Frage zu Ihrem großen Konkurrenten der vergangenen beiden Jahre: Was haben Sie gedacht als LeBron James seine Rückkehr zu den Cleveland Cavaliers bekanntgab?

Popovich: Erst einmal sollte jeder das tun, was er für sich und seine Familie für richtig erachtet. Ich hoffe, dass es ein guter Move von ihm war. Er hat wirklich herausragende Qualität. Ich denke, jeder von uns macht mal Sachen, die er sicherlich später anders gemacht hätte, aber dieser Junge hat ein gutes Herz und ist ein richtig selbstloser Spieler, der versteht, wie man das Spiel spielen muss. Ich hoffe, er ist erfolgreich in Cleveland. Aber letztlich kümmere ich mich nur um meine Spieler und da ist es mir egal, wo LeBron oder die anderen Jungs spielen. Ich wünsche ihm aber alles Gute.

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