"LETS GO!" DeMarcus Cousins hatte genug gesehen. Die ersten Minuten des WM-Finals waren überhaupt nicht nach dem Geschmack der USA verlaufen. Serbien punktete in schöner Regelmäßigkeit am Brett und zu allem Überfluss hatte sich Anthony Davis auch noch zwei schnelle Fouls eingehandelt. Also brachte Coach Mike Krzyzewski Backup Boogie ins Spiel.
Und der brauchte nicht lang, um Eindruck zu hinterlassen, um dem großen Favoriten die Richtung vorzugeben, vielleicht sogar, um die Serben ein wenig einzuschüchtern. Cousins räumte Miroslav Raduljica beim Layup unsaft, aber fair ab - dann brach es aus ihm heraus. "LET'S GO!". Botschaft angekommen.
Der Rest ist schnell erzählt. Die USA füllten die ihnen zugedachte Rolle im weiteren Verlauf des Finals beeindruckend gnadenlos aus und sicherten sich am Ende die Goldmedaille. Auch dank DeMarcus Cousins, der im Endspiel um lediglich einen Rebound an einem Double-Double vorbeischrammte. "DeMarcus Cousins hatte Mitte des ersten Viertels fünf Plays, die das Spiel für uns gedreht, die uns geholfen haben", hob auch Coach K Boogies Leistung noch einmal hervor.
Zweifel ausgeräumt
Während der zwei Wochen in Spanien war am Ende exakt das eingetreten, was sich viele - nicht nur in Sacramento - erhofft hatten. Anstatt sich regelmäßig von seinen Gefühlen übermannen zu lassen, ständig mit Schiedsrichtern und Gegenspielern zu diskutieren, füllte Cousins seine Rolle im Team USA bestens aus, half der Mannschaft, wo er gebraucht wurde. 9,6 Punkte dazu 5,6 Rebounds legte Boogie in durchschnittlich 13,9 Minuten auf, traf zudem durchaus respektable 70,2 Prozent seiner Würfe. "Effektiv" ist wohl der treffende Begriff für derartige Zahlen.
Dabei war vor dem Turnier noch diskutiert worden, ob es überhaupt eine gute Idee sei, Cousins mit nach Spanien zu nehmen. Das kleinliche Pfeifen internationaler Schiedsrichter würde Boogies so dünnes Nervenkostüm doch arg überstrapazieren, nahmen viele an. Gerade in einem möglichen Finale gegen Gastgeber Spanien und deren Big-Man-Trio um die Gasol-Brüder und Serge Ibaka wäre Cousins so unter Umständen eher Bürde als Hilfe.
Man erinnerte sich nur zu gern an die Vorbereitungen auf die Olympischen Spiele 2012, an der der Center als Mitglied des USA Select Teams mitwirkte. Cousins habe im Training ständig nur gefoult, beschwerte sich Carmelo Anthony damals. Jerry Colangelo wurde sogar noch deutlicher. "Zeige Respekt gegenüber anderen und dir wird Respekt entgegengebracht", kommentierte der Chef von USA Basktball Cousins' Ausschweifungen. "Wenn er eine großartige Karriere in der NBA haben will, muss er erwachsen werden. Als Persönlichkeit und als Spieler. Ehe es Diskussionen darüber geben kann, ober er Teil unseres Programms wird, muss er noch hart an sich arbeiten."
Unkontrollierte Emotion
Cousins Qualitäten als Spieler standen bei derlei Bekundungen nie in Frage. Vielmehr ging es um Reife. Um Reife, deren Beweis Boogie in den vergangen Jahren häufig schuldig blieb. 12 Technische Fouls kassierte er während der verkürzten Lockout-Saison, 17 vor zwei Jahren, vergangene Spielzeit waren es 16. Boogie hat sich einfach nicht im Griff. Boogie lässt sich zu schnell reizen, schadet so immer wieder seinem Team.
Bestreiten lässt sich all dies sicher nicht. Auch Cousins selbst ist sich bewusst, dass es kaum schaden würde, sein Temperament ein wenig zu zügeln. Deshalb hat er sich nun eine dicke Fünf an seinen Spint geklebt. Fünf Technische Fouls möchte er sich kommende Saison erlauben. Maximal. Wie realistisch das ist, sei einmal dahingestellt. Schließlich kommen Cousins' Ausbrüche nicht von Ungefähr. "Ich will einfach jedes Spiel gewinnen", erklärte er im Gespräch mit "Grantlands" Bill Simmons. "All die Emotionen kommen da her."
Andererseits fühlt sich Boogie jedoch auch ein wenig missverstanden, falsch dargestellt. "Wenn ich vorne eine gute Aktion habe, gehe ich auch aus mir heraus", erzählt er. "Wenn ich dann etwas falsch mache, ist es genauso. Aber es wird negativ aufgenommen." Er habe bereits während des Drafts 2010 einige negative Dinge in seine Richtung gespürt. "Einige sagten, ich wäre der nächste Oliver Miller, andere, ich würde mich nur zwei Jahre in der Liga halten. Solche Dinge. Eine echte Chance habe ich gar nicht bekommen."
"Hätte mich an erster Stelle gewählt"
Die Sacramento Kings schlugen dennoch an fünfter Stelle zu. Zu spät, findet Boogie. "Ich hätte mich an erster Stelle ausgewählt", sagt er. Da ist er wieder, dieser Ehrgeiz. Deshalb erinnert sich Cousins auch ebenso gut an die Namen John Wall, Evan Turner, Derrick Favors und Wesley Johnson wie an Dwight Howard, Joakim Noah und Al Jefferson. An ein Quartett, das im Draft vor ihm ausgewählt wurde, sowie ein Trio, das vergangene Saison All-NBA-Ehren erhielt. Anstelle von Cousins.
Unfair, findet Boogie. "Ich kenne jeden, der mir einmal vorgezogen wurde, der besser ist als ich. Der DENKT, er sei besser als ich", sagt der Center im "B.S. Report". Es klingt ein wenig nach Übermut, die Zahlen untermauern jedoch Cousins' Ansprüche, zu den besten Big Men der Liga gezählt zu werden. 22,7 Punkte, 11,7 Rebounds, 2,9 Assists sowie 1,2 Blocks legte der Center vergangene Saison auf und war damit der einzige Spieler mit mindestens 20, 11, 2,5 und 1. Ligaweit.
Historisch gesehen ist Boogie erst der fünfte Spieler, dem derartigen Statistiken und dazu noch mindestens ein Steal (1,5) gelangen, noch bevor er sein 24. Lebensjahr vollendet hatte. Die übrigen hören auf die Namen Charles Barkley, Bob McAdoo, Hakeem Olajuwon und Kevin Garnett. Jeder einzelne ist bereits stolzes Mitglied der Hall of Fame oder wird in den kommenden Jahren dazu stoßen (Garnett).
Cousins' Gesellschaft in Sachen Player Efficiency Rating liest sich wiederum wie ein kurzer Überblick über das Beste, was die NBA derzeit zu bieten hat. Effizienter als Cousins (PER 26,1) spielten vergangene Saison schließlich lediglich Kevin Love (26,9), Kevin Durant (29,8), Anthony Davis (26,5) und LeBron James (29,3). Hinzu kommt Cousins' Vielseitigkeit, die ihn eigentlich zum perfekten Fundament eines Teams macht.
Vertrauen vom neuen Besitzer
Der Ansicht war auch Vivek Ranadive und stattete seinen Center vor einem Jahr, kurz nachdem er die Kings übernommen hatte, deshalb mit einem langfristigen Vertrag aus. Die Botschaft: Wir vertrauen dir, Boogie.
"Genau das möchte doch jeder Spieler hören", beschreibt Cousins sein Verhältnis zum Besitzer. "Dass dein neuer Besitzer kommt und dir derart viel Vertrauen entgegenbringt, so sehr an dich glaubt. Wir haben ein großartiges Verhältnis. Ich kann ihn anrufen, wann immer ich will. Seit er da ist, hat sich unsere Franchise komplett gewandelt. Es ist wie Tag und Nacht."
Tatsächlich hat sich einiges getan in Sacramento. Wo die Franchise in den vergangenen Jahren nicht zwingend durch Kontinuität, Verlässlichkeit oder gar einen stringenten Plan glänzte, sieben Coaches in acht Jahren verschliss, den Kader unzählige Mal veränderte, soll mit neuem Besitzer, neuem Coach - Mike Malone übernahm im Sommer 2013 - und neuem General Manager - Pete D'Alessandro lenkt seit vergangenem Jahr die Geschicke - nun endlich ein wenig in die Zukunft gedacht werden. Zwar wirkt der Kader weiter nicht optimal zusammengestellt, doch ein Plan entsteht. Ein Plan, in dessen Zentrum, nicht nur positionsbedingt, DeMarcus Cousins steht.
Endlich Leader?
Entsprechend groß sind die Erwartungen. Entsprechend groß die Hoffnung, dass Boogie die positiven Eindrücke der WM auch in Sacramento bestätigt und als Leader der Kings vorangeht. Denn nichts anderes soll Cousins in seiner fünften NBA-Saison sein. Dass er dazu nicht mehr ganz so häufig durch emotionale Ausbrüche negativ auffallen sollte, steht außer Frage. Szenen wie jene, als er Isaiah Thomas nach einem Spiel gegen die Clippers davon abhielt, mit Chris Paul abzuklatschen, sollten der Vergangenheit angehören.
Dass das möglich ist, zeigt nicht nur das Turnier in Spanien. Anders als häufig dargestellt, ist Boogie durchaus umgänglich. Den Eindruck gewinnt man jedenfalls, wenn man zusieht, wie er sich im Training der USA um die Stelle als dritter Splash Brother bewirbt. Auch in Interviews wirkt Cousins inzwischen offener, zugänglicher. Kurz: Gereift.
Boogie hat verstanden
"Ein Defensiv-Anker", antwortete er beispielsweise auf die Frage des "Sacramento Bee", was er noch verbessern möchte. "Und ich glaube wirklich, dass ich das kann. Daneben möchte ich der bestmögliche Leader für dieses Team sein. Ich weiß, dass ich nicht perfekt bin und werde es wohl auch nie sein, aber ich arbeite daran, der beste Leader für dieses Team zu sein, der ich sein kann."
Cousins scheint sich bestens bewusst sein, wo es noch fehlt, was er verändern muss. Und das ist neben seinem Verhalten auf dem Court eben auch die Defense. Denn noch kann sein Spiel am hinteren Ende des Courts nicht mit jenem in der Offense mithalten. Häufig kam er in der Vergangenheit zu spät oder verschlief Rotationen. Doch auch hier geben die Leistungen in Spanien Anlass zur Hoffnung. Denn plötzlich zeigte Boogie auch defensiv den zuvor teils so schmerzlich vermissten Einsatz.
Bleibt der positive Eindruck bestehen, haben die Sacramento Kings tatsächlich den Leader, den sie sich in Cousins erhoffen. Einen, der die Franchise global repräsentieren kann. Denn nichts anderes ist der Plan. "Wir wollen hier eine globale Marke schaffen", erklärt Vivek Ranadive. "Und mir würde nichts besser gefallen als dass eine Milliarde Inder wissen, wer DeMarcus Cousins ist."
Ein erster Schritt dazu wäre sicherlich eine erste All-Star-Nominierung, die Cousins nach Meinung vieler - und nicht zuletzt seiner eigenen - schon länger verdient. Auch die Playoffs, die er im Gespräch mit Bill Simmons versprochen hat, würden helfen - so unwahrscheinlich sie angesichts des Kings-Rosters und der Tiefe der Western Conference auch sein mögen. Also dann: "LET'S GO!"