Erfolg, der (Substantiv, maskulin): positives Ergebnis einer Bemühung; Eintreten einer beabsichtigten, erstrebten Wirkung. Wenn man die Saison der Utah Jazz unter Berücksichtigung dieser Definition betrachtet, dann kommt man zu einem einfachen Schluss: Die Spielzeit 2013/2014 war für die Männer vom großen Salzsee ein Erfolg.
Obwohl das Team nur 25 Siege einfahren konnte, gelang genau das, was beabsichtigt war: Der Rebuild wurde eingeleitet, das junge Team sicherte einen hohen Draftpick und potenzielle zukünftige Schlüsselspieler wie Point Guard Trey Burke konnten sich individuell weiterentwickeln. In Jahr zwei des Neuaufbaus geht es nun ans Eingemachte - 2014/2015 wird ein entscheidendes Jahr für die Jazz.
Hayward bleibt der Leader
63 Millionen Dollar. Für vier Jahre. Der neue Vertrag von Gordon Hayward war das Thema, das Utah in der Offseason in die Schlagzeilen brachte. Der Allrounder (16 Punkte, 5 Rebounds, 5 Assists im Schnitt) konnte als Go-to-guy nicht überzeugen und die durch den Abschied von Al Jefferson entstandene Lücke nicht adäquat füllen. Dennoch entschied General Manager Dennis Lindsey mit Blick auf den neuen TV-Deal, das von den Charlotte Hornets vorgelegte Angebot zu matchen und den Free Agent für die kommenden vier Jahre zu binden. Der Swingman ist und bleibt der Leader des Teams und soll jungen Spielern wie Dante Exum ein Vorbild sein.
Der Australier, den Utah im Draft an Position fünf auswählte, war der Hauptpreis für die schwache Bilanz der vergangenen Saison. In der Summer League und den ersten Spielen der Preseason konnte der Combo-Guard die Fans in Salt Lake City noch nicht verzücken, aber wenn er sich akklimatisiert hat, dürfte "X" massig Minuten von der Bank bekommen.
Der an Nr. 23 gedraftete Shooting Guard Rodney Hood deutete sein Potenzial ebenfalls bereits an. Für zusätzliche Tiefe auf dem Flügel sorgt die Verpflichtung von Carrick Felix, der im Tausch für John Lucas III, Erik Murphy und Malcolm Thomas von den Cleveland Cavaliers geholt wurde.
Mit Coach Q zurück nach oben
Die wichtigste Sommer-Entscheidung des Front Office betraf die Besetzung der vakanten Coaching-Position. Nach dem Rücktritt von Jerry Sloan, der 23 Jahre lang die Geschicke der Jazz leitete, wurde 2011 Tyrone Corbin verpflichtet - mehr als Platzhalter denn als Coach für die Zukunft. Dieser scheint mit Quin Snyder nun gefunden.
Coach Q lernte bei Mike Krzyzewski an seinem ehemaligen College Duke und unter Ettore Messina bei ZSKA Moskau. In der NBA war er Assistant Coach bei den Lakers und den Clippers, zuletzt unterstützte er Mike Budenholzer bei den Atlanta Hawks. Snyder steht für modernen Basketball und tritt in Salt Lake City seinen ersten Job als NBA-Headcoach an.
Neuer Coach, neue Philosophie
Horns heißt das Zauberwort - das erste Mal überhaupt, das dieses System bei den Jazz die Grundlage der Abteilung Attacke bilden wird. Die Flex Offense, jahrelang das Aushängeschild in Utah, ist damit vorerst Geschichte. In den ersten Spielen der Preseason ließen sich bereits einige Variationen des neuen Systems beobachten. Snyder ist aber kein Freund der allzu festgelegten Abläufe. Lieber lässt er seinen Spielern ein wenig Freiheit, Entscheidungen situationsbedingt zu treffen. Bis sich die neue Grundordnung in den Köpfen der Spieler etabliert hat, dürfte es sowieso noch eine Weile dauern.
Das Halfcourt-Game ist zudem nicht zwingend die erste Option: "Wenn du die Möglichkeit hast, schnell nach vorn zu spielen, dann eröffnet es dir Chancen, zu attackieren und bringt einfache Punkte", so Snyder. Mit den schnellen Burke, Exum, Hayward und Alec Burks haben die Jazz im Fastbreak mehrere gute Optionen.
Um ins Laufen zu kommen, muss Coach Synder aber erst einmal die Verteidigung auf Vordermann bringen. Pro 100 Possessions bekam Utah vergangene Saison mehr als 108 Punkte eingeschenkt. Vor allem in der Team-Defense und in der Transition muss dringend etwas passieren, sonst finden sich die Jazz im Angriff häufig im Set-Play wieder. Dort hat Coach Q eine Vorliebe für Spacing und viele, viele Pässe. Uneigennützigkeit steht ganz oben auf der Agenda - und das zu Recht: Mit knapp über 20 Assists in der abgelaufenen Spielzeit stand Utah am unteren Ende der NBA-Rankings.
Inside-Out - aber mit wem?
Der talentierte Frontcourt mit Derrick Favors, Enes Kanter und einem aufstrebenden Rudy Gobert könnte mit ein wenig Geduld zu einer der besseren Frontlines der Liga reifen. Das rückt auch wieder die Scharfschützen in den Fokus. Die Jazz trafen vergangene Saison lediglich 34,4 Prozent von Downtown - Rang 25 aller Teams und definitiv zu wenig.
Mit Richard Jefferson, der kommende Saison an der Seite von Dirk Nowitzki bei den Dallas Mavericks spielen wird, Diante Garrett, der nach Toronto geschickt wurde, und Marvin Williams, der bei den Charlotte Hornets unterschrieb, haben die Jazz ihre drei besten Outside-Shooter verloren. Die Verpflichtung von Steve Novak überrascht vor diesem Hintergrund nicht. Immerhin hat der 30-Jährige noch vor drei Jahren in New York mehr als 47 Prozent seiner Dreierversuche verwandelt. Bei den Raptors spielte er zuletzt aber nur eine untergeordnete Rolle.
Neue Aufgabe für die Bigs
Da Novak die Schwäche der Jazz von draußen aber nicht alleine auffangen kann, arbeitet Snyder an einer anderen Lösung, um das Spacing in der Offense zu verbessern: Kanter soll - ebenso wie Neuzugang Trevor Booker - zur Stretch-Four umgeschult werden und den Dreier in sein Repertoire aufnehmen.
Kanter, der in seinen drei Saisons überhaupt erst dreimal von Downtown auf den Korb geworfen hatte, war sichtlich überrascht, als Snyder mit der neuen Aufgabe an ihn herantrat: "Coach Q besuchte mich und nahm mich mit in die Halle. Dann sagte er: 'Dir ist bewusst, dass du dieses Jahr Dreier werfen wirst, oder?' Ich war schockiert und fühlte mich zugleich geehrt", so der 22-Jährige Türke. "Ich habe sehr hart an meinem Dreier gearbeitet und es bedeutet mir viel, das Vertrauen des Coaches und meiner Teamkollegen zu bekommen." In den ersten drei Spielen der Preseason drückte Kanter bereits sechsmal von draußen ab, ein Wurf fand dabei sein Ziel.
Rebuild - Part II
Dieses Unterfangen ist charakteristisch für den Wandel, der sich derzeit in Utah vollzieht. Die Jazz haben einiges an Talent angehäuft, die Spielzeit 2014/2015 wird zeigen, ob sich dieser Ansatz auszahlt und ob die Spieler und das Team die gewünschte Entwicklung nehmen. Wie vergangene Saison wird den jungen Wilden der ein oder andere Fehler unterlaufen - aber auch verziehen werden. Im starken Westen sind die Jazz neben den Minnesota Timberwolves, den Sacramento Kings und den Los Angeles Lakers eines von nur vier Teams, das sich kaum Hoffnungen auf die Playoffs machen darf.
Die Vorbereitung läuft bisher optimal: Kein Spieler ist ernsthaft verletzt und in den ersten drei Begegnungen der Preseason gingen die Jazz als Sieger vom Parkett. Die beiden Erfolge gegen die Portland Trail Blazers sollten dabei aber nicht zu hoch eingeschätzt werden, schließlich standen die Starter des Gegners nur rund 20 Minuten auf dem Court, Damian Lillard setzte zudem ein Spiel aus.
Eine andere Nummer ist da schon der Sieg gegen die Los Angeles Clippers. Es ist schon keine Kleinigkeit, das Rebound-Duell gegen DeAndre Jordan und Blake Griffin zu gewinnen, mehr Punkte in der Zone zu erzielen und hochprozentig von draußen zu treffen. Dieses Spiel könnte als Blaupause für die Jazz der kommenden Saison dienen. Unterschätzen sollte man Utah definitiv nicht, für die eine oder andere Überraschung sind die Männer aus Utah mit Sicherheit gut.
Fortschritt als Gradmesser
Einer aufkeimenden Euphorie und damit verbundenen höheren Erwartungen schob Coach Q allerdings gleich einen Riegel vor: "Es ist ein langer Prozess und wir haben noch einen weiten Weg vor uns", so Snyder: "Es ist Preseason und andere Teams nehmen die Spiele nicht so ernst wie wir. Ich will nicht sagen, dass sie nicht gewinnen wollen, aber sie sind einfach in einer anderen Situation."
Die Grundvoraussetzung für eine lange Amtszeit bringt der Rookie-Headcoach schon einmal mit: Er stapelt tief. Und daran tut er gut. Denn auch wenn Utah auf dem richtigen Weg scheint und das Team kommende Saison den nächsten Entwicklungsschritt machen sollte: Die jungen Spieler brauchen in allererster Linie Zeit. 35 Siege wären für die Jazz ein starkes Ergebnis, aber Erfolg wird in Utah auch in der nächsten Saison nicht an der Bilanz gemessen.