Schlecht gestartet? Geschenkt. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten zeigt die Tendenz bei den Cleveland Cavaliers in die richtige Richtung. LeBron James kommt langsam an, auch Kyrie Irving steigert sich. Einzig Kevin Loves Rolle bereitet noch ein wenig Sorgen. Doch auch die Advanced Stats belegen: Es geht aufwärts in Ohio.
nba.deSchwächelt LeBron tatsächlich? Die Liga ist in Aufruhr. Hat LeBron James etwa seinen Zenit überschritten? Der eine oder andere scheint es sich tatsächlich zu fragen. Denn ganz ehrlich: Der King vollendet demnächst sein 30. Lebensjahr und lässt passend dazu die Dominanz vergangener Jahre vermissen. Mehr noch: LeBron James spielt - rein statistisch - derzeit die schwächste Saison seit langem.
Das Player Efficiency Rating? Mit 25,91 so niedrig wie seit 2007 nicht mehr. Das True Shooting, also jener Wert, der auch Freiwürfe und Dreier nach Wertigkeit in die Wurfquote aufnimmt? Erstmals seit 2010/2011 wieder unter 60 Prozent (58,7). Und auch ganz klassisch trifft LeBron erstmals seit sechs Jahren wieder weniger als die Hälfte seiner Würfe (49,4 Prozent FG).
Ein bisschen scheint es, als sei James die Effizienz abhandengekommen. Etwas jedenfalls. Denn während er die Liga in acht der vergangenen neun Spielzeiten an der Spitze des PER abschloss und vergangene Saison lediglich einem herausragenden Kevin Durant den Vortritt lassen musste, liegt LBJ in Sachen Player Efficiency derzeit nur auf Rang 7.
Einige fragen sich deshalb bereits, ob der vierfache MVP sich seine Diät aus dem Sommer nicht besser hätte sparen sollen. Leichter wollte er werden, mobiler, wendiger. Noch mehr Finesse statt reiner Power. Nur war das am Ende vielleicht der falsche Ansatz? Hat sich James im Zuge der Gewichtsreduktion eines seiner größten Alleinstellungsmerkmale beraubt? Der Kombination aus beeindruckendem Outside-Game und kaum zu stoppender Kraft unter dem Korb und am Zonenrand.
Ein wenig vermag die Statistik, derlei Mutmaßungen zu stützen. Schließlich schwanden die Hoffnungen gegnerischer Teams auf einen Stopp vergangene Saison häufig gen Null, hatte sich LeBron erst einmal entschieden, in Ringnähe zu scoren. Herausragende 72,9 Prozent seiner Würfe traf James während seines letzten Jahres am Soutbeach zu Miami in der Zone - Ligaspitze. Seit seiner Rückkehr nach Cleveland ist jener Wert auf ganz menschliche 61,3 Prozent gesunken.
Grundsätzlich tritt James in dieser Saison gerade unter den Brettern einfach nicht mehr mit dieser Dominanz auf, an die sich ein jeder Beobachter so schön gewöhnt hatte. So ist der prozentuale Anteil an vergebenen Würfen anderer Spieler, die James schlussendlich in einen Rebound umwandelt so niedrig wie seit seiner Rookie-Saison nicht mehr (heute: 8,6 Rebound Rating; damals: 7,7).
Erleben wir also den langsamen Abstieg des LeBron James? Liegen seine besten Tage bereits hinter dem King? Oder benötigt selbst ein vierfacher MVP einfach ein wenig Zeit, sich an sein neues Team zu gewöhnen? Sind derlei Dinge nicht Teil eines ganz normalen Prozesses, der am Ende wesentlich ausschlaggebender ist als irgendeine Diät, die James vielleicht einige Kilos gekostet hat?
Es scheint fast so. Denn einerseits legte LeBron auch während seiner ersten 20 Spiele nach seinem Wechsel zu den Heat gute, aber keinesfalls beeindruckende Zahlen (24,2 Punkte, 45,8 Prozent FG, 28,6 Prozent 3FG) sowie ein niedrigeres PER (24,2) als bislang in dieser Saison auf und andererseits sehen wir in letzter Zeit wieder jenen LeBron, den wohl die meisten ohne großes Zögern als besten Spieler der Liga bezeichnen würden.
Von ihren letzten zehn Spielen haben die Cavs acht gewonnen, bei einer der beiden Niederlagen pausierte James aufgrund leichter Knieprobleme. LeBrons Offensive Rating - also jener Wert, der beschreibt, wieviele Punkte Cleveland pro 100 Possessions auflegt, wenn James auf dem Court steht - liegt während dieses Zeitraums bei herausragenden 115,6. Zum Vergleich: Mikrowelle Steph Curry bringt es auf 112,8, James selbst lag vergangene Saison bei 111,4.
Zudem lassen die Cavs mit James auf dem Feld pro 100 Possessions nur noch 97,7 Punkte zu, was LeBrons Net Rating - die Differenz aus Offensive- und Defensive Rating - auf 17,9 ansteigen lässt. Vielleicht haben einige am Ende doch zu früh von spielerischem Verfall gesprochen. Vielleicht muss man auch einem LeBron James ein wenig Zeit zugestehen, nachdem er sein Team gewechselt hat. Zu erwarten, LBJ würde statistisch genau dort weitermachen, wo er mit einer eingespielten, über mehrere Jahre gewachsenen Mannschaft aufgehört hat, wäre jedenfalls vermessen.
Love Nur noch Edel-Shooter? Ob sich Kevin Love bereits bei Chris Bosh erkundigt hat? Immerhin eint die beiden das Schicksal, der augenscheinlich Third Banana, die irgendwie ihre Rolle hinter LeBron und einem dominanten Guard - in Boshs Fall Dwyane Wade, in Loves Fall Kyrie Irving - finden muss. Keine einfache Situation. Zumal beide zuvor die zentrale Rolle einer mehr oder eher minder erfolgreichen Franchise gespielt hatten.
Natürlich will das Spiel da angepasst werden. Es hilft ja nichts. Kleinere Rolle, weniger Touches, aber dennoch wichtig bleiben, seine Nische finden - so in etwa dürfte die Aufgabenstellung lauten. Dass die eigenen Statistiken leiden, versteht sich allerdings beinahe von selbst. So stürzte Loves Usage Rate nach seinem Wechsel geradezu ab. Nutzte der Power Forward in Minnesota auf 40 Minuten hochgerechnet noch 27,7 Possessions, so sind es mittlerweile nur noch 20 - so wenige wie seit seiner Rookie-Saison nicht mehr.
Beinahe macht es den Anschein, als sei aus Kevin Love, dem Franchise Player, Kevin Love, der Rollenspieler geworden. Wenn auch ein sehr guter, sehr effektiver und wertvoller Rollenspieler. Offenbar möchte sich Cavs-Coach David Blatt nämlich seines Power Forwards Stärke am Perimeter zunutze machen und postiert ihn offensiv deshalb häufig rund um die Dreierlinie. Dort soll Love für Spacing sorgen, so LeBrons und Irvings Drives Richtung Zone erleichtern.
40 Prozent der Abschlüsse des Vierers erfolgen deshalb von jenseits des Perimeter, immerhin 36,8 Prozent davon finden auch ihr Ziel. Zum Vergleich: Vergangene Saison drückte Love nur in 35,5 Prozent der Fälle von draußen ab, obwohl er leicht sicherer traf (37,6 Prozent 3FG).
Gleichzeitig marschiert der Power Forward deutlich seltener an die Linie, nimmt 2,7 Freiwürfe weniger als noch 2013/14. Das wiederum drückt sich auch in einer leicht schwächeren True Shooting Percentage aus (2013/14: 59,1 Prozent, 2014/15: 58,2 Prozent).
Ob Love mit seiner neuen Rolle zufrieden ist, weiß niemand. Ob er sie überhaupt bereits gänzlich gefunden hat, wohl ebenso wenig. Für Cleveland zahlt sie sich, zumindest offensiv, jedoch aus. Steht Love auf dem Court, beträgt das Offensive-Rating der Cavs 113,2, sitzt er auf der Bank nur 105,9. Vielleicht wäre aber sogar mehr möglich, sollten Loves Stärken noch besser zur Geltung gebracht werden.
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nba.deWann wird Kyrie endlich zum Playmaker? Wahrscheinlich wartet die gesamte Liga bereits darauf: Wann wird Kyrie Irving endlich zum echten Playmaker und nutzt damit sein Potenzial? In der Theorie standen die Voraussetzungen vor dieser Saison so gut wie noch nie. Klar hatten sich in den vergangenen Jahren einige schlechte Angewohnheiten eingeschlichen, die es selbstverständlich auszutreiben gilt. Klar ist das Team neu zusammengestellt, was gerade die Arbeit des Point Guards nicht zwingend erleichtert.
Dennoch waren nicht wenige davon ausgegangen, dass sich Irving mit LeBron und Love an seiner Seite deutlicher auf das Playmaking konzentrieren, den eigenen Wurf ein wenig zurückstellen würde. Nun ist gut ein Viertel der Saison gespielt und Clevelands Point Guard ist nicht einmal der Cavalier mit der der Besten Assist Percentage des Teams. Die besitzt LeBron, der 37,5 Prozent der erfolgreichen Würfe seiner Teamkollegen vorbereitet. Kyrie assistiert in lediglich 22,3 Prozent der Fälle.
Doch damit nicht genug. Trotz deutlich besserer Mitspieler ist die Assist Ratio im Vergleich zur vergangenen Saison sogar noch einmal gesunken. Während sie vergangene Saison noch 21,6 betrug, ist sie mittlerweile bei 21,2 angekommen. Kein großer Unterschied, aber doch eine Tendenz in die falsche Richtung.
Dabei profitieren die Cavs durchaus, sobald Irving wirklich beginnt, den Ball zu verteilen. Purer Zufall kann es schließlich kaum sein, dass sich Kyries Assist Ratio bei Siegen deutlich von jener bei Niederlagen unterscheidet. Haben die Cavs gewonnen liegt der Wert bei 23,4, setzte es eine Pleite bei 18,3.
Wie bei LeBron lässt sich jedoch auch bei Irving ein Prozess erkennen. Die Eingewöhnungsphase ist schließlich längst nicht abgeschlossen, schreitet jedoch weiter voran. So stieg die Assist Ratio zwischen Oktober und Dezember um satte 5,9 und ist für den laufenden Monat bei 23,3 angekommen. Deutlich Luft nach oben besteht selbstverständlich dennoch. Chris Paul, der Playmaker aller Playmaker, legt schließlich eine Assist Ratio von 37 auf und unterscheidet sich dann doch noch deutlich von Irving. Der Anfang scheint jedoch gemacht zu sein.
Auf einem guten Weg: Die Cavs stehen bei 14 Siegen und 9 Niederlagen. Das reicht für Platz 5 im Osten. Sicherlich nicht der Anspruch eines neuen Superteams, wie Cleveland bereits vor Saisonbeginn tituliert wurde. Aber eben auch überhaupt kein Problem. Denn am Ende ist in Ohio eigentlich noch überhaupt nichts passiert.
Dass das Team nicht direkt funktionieren würde, hat niemanden überrascht. Am wenigsten wohl LeBron. James hat einen ähnlichen Prozess schließlich bereits mit den Heat durchschritten - und die waren deutlich erfahrener als es diese Cavs sind. Hinzu kommt mit David Blatt ein zwar mehr als fähiger, dafür NBA-unerfahrener Coach, der seine Rolle und Identität im neuen Umfeld erst noch finden muss.
Ein perfekter Start ist da nahezu unmöglich - andererseits auch überhaupt nicht nötig. Was zählt, sind die Playoffs, und die werden die Cavs mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erreichen. Zumal die Tendenz stimmt. Immerhin besitzt Cleveland nach den Mavs, Raptors und Clippers die vierteffizienteste Offense der Liga (Offensive Efficiency: 107,9) - noch vor Golden State.
Wichtiger ist allerdings die Entwicklung. Und die zeigt definitiv in die richtige Richtung. Mehr noch: In nahezu allen wichtigen Kategorien haben sich die Cavs seit Saisonbeginn gesteigert. Das Net Rating? Von -2,1 im Oktober über 3,4 im November auf 5,0 im Dezember. Die Assist Ratio? Von 14,9 über 17,3 auf 18,4. Das True Shooting? Hat sich bei rund 56 Prozent eingependelt (56 im November, 55,8 im Dezember).
Schlussendlich befinden sich die Cavs also tatsächlich auf einem guten Weg, langsam aber sicher scheint sich das Team zu finden, seine Leistungen ein wenig zu stabilisieren. LeBrons und Irvings Formkurven zeigen ebenfalls nach oben. Sorgen machen dagegen weiter die Defense (104,5 Def Eff, Rang 20) sowie die Rolle von Kevin Love. Während ersteres ohne Hilfe von außen aber nur schwer zu verbessern sein wird, besteht immerhin die Möglichkeit, den ehemaligen Wolve noch besser ins System einzubauen und auch seine Stärke beim Rebound noch effizienter zu nutzen.
Ob es am Ende dann tatsächlich bereits für die Finals oder gar den Titel reicht, sei einmal dahingestellt. Nur sollte auch niemand den Fehler machen und die Cavs aufgrund des holprigen Starts vorzeitig abschreiben.
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