Eines stand schon vor Beginn seiner NBA-Karriere fest: Jabari Parker würde auf eine Mission gehen. Die Frage war nur: Auf welche? Denn der 19-Jährige ist Mormone und musste sich zwischen seinem Glauben und seiner Leidenschaft, die nun auch sein Beruf ist, entscheiden.
"Ich habe mir diese Frage in den letzten zwei Jahren immer wieder gestellt. Nachdem ich mit meiner Familie, engen Freunden und meiner Kirche sprach, war ich mir sicher: Ich werde auf meine religiöse Mission verzichten und in die NBA wechseln", verkündete er schließlich.
Ein großer Schritt, denn sein Glaube schreibt es jungen Menschen zwischen 19 und 21 Jahren vor, auf eine zweijährige Mission zu gehen, bei der sie von ihrer Kirche in die Ferne geschickt werden, um diese dort ehren-amtlich zu vertreten. Dass Parker stattdessen den Weg des Profisports einschlägt, sorgt bei einigen Mitgliedern seiner Kirche zwar für Stirnrunzeln, der Forward sieht ihn aber als große, alternative Mission. Er will ein Vorbild für junge Menschen in der Kirche und der Gesellschaft sein. "Er kann viele Leben dadurch beeinflussen, dass er als großartiger Mensch im Rampenlicht steht", sagt auch sein Bischof.
Hoffnung der Bucks
Also meldet sich das Top-Talent für den Draft an. Nach seinem starken Freshman-Year an der Duke University (19,1 PPS, 8,7 REB) gilt er neben Andrew Wiggins als bester Youngster des Jahrgangs. Milwaukee pickt den in Chicago geborenen 2,03-Meter-Mann an zweiter Stelle. "Die Leute sind hier nicht so kompliziert, es ist eher eine kleinere Stadt. Und ich kann immer zurück nach Chicago, wenn was nicht glattläuft", freut sich Parker über seine neue Heimat, in der er mehrmals pro Woche in die Kirche geht.
Doch in Milwaukee wartet noch eine weitere Mission auf Jabari: Er soll die Bucks, die seit 2001 nur zwei Mal eine positive Saisonbilanz hatten, wieder in die Erfolgsspur führen. Motivation erhält er bei jedem Training durch die an den Wänden hängenden Trikots von Kareem--Abdul Jabbar und Oscar Robertson. Jene Legen-den, die Milwaukee 1971 zur Championship führten. "Sie sind zwei der größten Spieler aller Zeiten. Ich will die Lücke schließen", sagt Jabari, der vor allem durch seine Abgeklärtheit und Reife glänzt, selbstbewusst. Die Bucks sind davon überzeugt, dass es die Herkulesaufgabe bewältigt: "Manchmal fragt man sich, ob er 19 oder 29 Jahre alt ist", lobt GM John Hammond. "Wenn er der Spieler wird, der er werden kann, wird er unsere Kultur verändern!"
Gemeinsam mit dem 20-jährigen Giannis Antetokounmpo soll Parker eine neue Ära einläuten. Der Start war verheißungsvoll: In den ersten 25 Partien verbucht Parker solide Zahlen (12,3 PPS, 5,5 REB, 1,2 ST), die Bucks liegen mit 13:12 Siegen auf Rang 6 im Osten und damit auf Playoff-Kurs. Der Rookie überzeugt dabei als drittbester Scorer und sucht kontinuierlich den Weg in die Zone, wo er hochprozentig abschließt (58,5 %). Allerdings wird auch deutlich, was ihm noch fehlt: Aus der Mitteldistanz (36,7 %) sowie von Downtown (25,0 %) wackelt sein Händchen, und sein Passing-Game ist ausbaufähig (1,7 AS).
Dennoch: Die "Loser-Bucks", die 2013/14 mit nur 15 Erfolgen erstmals in der Franchise-Geschichte unter der 20-Siege-Marke blieben, sind wieder wer, was Siege gegen die Clippers, Grizzlies und Heat belegen. Ein Zeichen dafür, was in den kommenden Jahren möglich ist. Und dabei wird auch der offensivstärkste Rookie des ersten Saisondrittels eine große Rolle spielen, wenn er von seinem im Spiel gegen die Suns erlittenen Kreuzbandriss aufs Parkett zurückkehrt.
Wie der Vater, so der Sohn
Sein Talent hat der 20-Jährige übrigens von seinem Vater Sonny, der von 1976 bis 1982 für die Warriors spielte. Zunächst stand Jabari in dessen Schatten. "Er wurde in den ersten Jahren in der Schule immer ‚Kleiner Sonny' genannt", erinnert sich Bruder Chris, der eines von sechs Geschwistern ist. Dabei ist Sonny einer der größter Supporter seines Sohnes und steht ihm immer mit wertvollen Ratschlägen zur Seite. Einer seiner Leitsprüche: "Du bist nur so gut wie dein letztes Spiel und musst immer hart arbeiten, um dich weiterzuentwickeln!"
Das beherzt Jabari, der schon 2012 das "Sports Illustrated"-Cover zierte. Motivation, Kraft und Zuversicht gewinnt er nicht nur durch seine Leistungen, sondern vor allem auch durch seinen Glauben, der ihn auf seiner Mission stets begleitet.
Der Artikel erscheint in der BASKET 02/2015