Es ist keine zwei Wochen her, da steckten die Cleveland Cavaliers noch in einer Sinnkrise (So., 21.30 Uhr im LIVE-STREAM gegen die Oklahoma City Thunder). Aufgrund der schlechten Stimmung im Team im Zuge einer Serie von sechs Niederlagen in Folge galt David Blatts Job schon in Gefahr. Nach zwei Trades und der Rückkehr von LeBron James sieht die Lage nun aber wieder ganz anders aus. Kehrt jetzt endlich Ruhe ein?
Schon komisch, wie schnell sich die Dinge ändern können. Es fühlt sich an, als wäre es gestern gewesen, dass sämtliche Schlagzeilen in Bezug auf die Cavs einen negativen Anstrich hatten.
Da waren Zweifel an David Blatts Standing bei seinen Spielern, weil einige von ihnen bei Auszeiten nicht allzu aufmerksam wirkten oder sich scheinbar nur auf die Ansprachen von Assistant Coach Tyronn Lue konzentrierten. Da waren Gerüchte, dass LeBron James höchstpersönlich keinerlei Vertrauen in den neuen Head Coach hatte.
Da waren Zweifel, ob Kevin Love nach der Saison in Cleveland verlängern würde, und ob die Cavs darauf überhaupt Wert legen würden. Da waren Zweifel, ob Kyrie Irving jemals wie ein "echter" Point Guard würde spielen können. Nicht zuletzt war da Kritik an LeBron selbst.
"Sehr düstere Situation"
Der viermalige MVP legte zeitweise eine Körpersprache an den Tag, als würde er seine Rückkehr nach Ohio schon jetzt bereuen, und belegte vor allem seine Star-Mitspieler regelmäßig mit bösen Blicken. Er beruhigte die Lage auch nicht unbedingt, als er während seiner Verletzungspause das College-Football-Finale besuchte, statt mit seinem Team zu reisen.
Und außerdem waren da die Niederlagen. Die negativen Schlagzeilen kommen nicht bei einem Team zustande, das gewinnt. Das taten die Cavs aber nicht. Nachdem es früh in der Saison eine Siegesserie von acht Spielen gegeben hatte, wurde es nach und nach schlechter - erst mit sieben Niederlagen aus 13 Spielen, dann sogar mit sechs Pleiten in Folge. Eine "sehr düstere Situation", wie Blatt zugab.
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Alle Beteiligten beteuerten, dass fundamental alles in Ordnung sei, dass die Schuld nicht beim Coach liege, dass das ganze Team besser spielen müsse, kurz gesagt: Das Einmaleins der Phrasendrescherei wurde bemüht. Die Glaubwürdigkeit hielt sich in Grenzen, da das Resultat auf dem Court eben ein anderes Bild zeichnete.
Es wirkte eher so, als würden da Profis zusammenspielen, die keinen Spaß miteinander hatten, die ihre Rollen nicht kannten, die eher auf sich selbst, als auf den Erfolg des Teams blickten. Die die Ausfälle diverser Spieler nicht kompensieren konnten. Das Big-Three-Experiment galt noch nicht als gescheitert, aber definitiv als gefährdet, zumal Love und LeBron im Sommer aus ihren Verträgen aussteigen können.
Panik-Trades im Januar
Dementsprechend wurden auch die beiden Trades, die GM David Griffin - oder in Wirklichkeit LeBron, wie häufig gemunkelt wird - Anfang Januar einfädelte, eher mit Skepsis betrachtet.
Sicher, einen Big Man brauchten die Cavs nach der Verletzung von Anderson Varejao unbedingt, zwei First-Round-Picks sind heutzutage allerdings ein hoher Preis für einen Spieler, der primär durch Blake Griffins Dunk in sein Gesicht bekannt ist.
Der andere Deal wurde sogar noch kritischer beäugt. Der als schwierig geltende Dion Waiters wurde weggeschickt, dafür kamen Iman Shumpert - und J.R. Smith, dessen Leumund keinen Deut besser ist als der von Waiters. Beide Deals wurden schnell mit dem Label "Panik-Trade" versehen.
"Man kann es spüren"
Schon komisch, wie schnell sich die Dinge ändern können. Kaum haben die Cavs ein paar Spiele gewonnen, ist die Stimmung eine ganz andere. LeBron sieht frischer und explosiver aus und tritt auf einmal wie der Leader auf, der er in Cleveland sein muss. Er verteilt in einem Ausmaß Handshakes und Ratschläge, als hätte er in seiner zweiwöchigen Pause bei Tim Duncan hospitiert.
In den fünf Spielen seit James' Rückkehr haben die Cavs durchschnittlich 110 Punkte aufgelegt, offensiv tritt da auf einmal die Maschine auf, die vor der Saison von allen erwartet wurde. In den letzten beiden Spielen landeten gar alle Starter in Double-Figures, eine Premiere in der Geschichte der Franchise.
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"Man kann es spüren. Wir sind noch nicht am Ende der Entwicklung, aber die Chemie wird besser und besser", freute sich Blatt nach dem Sieg über Utah am Mittwoch. Der "Eye-Test" bestätigt das - die Cavs treten heuer wie ein anderes Team auf.
Das liegt in erster Linie natürlich am besten Spieler der Welt, der nach überstandener Verletzung wieder wie ebendieser auftritt. Aber auch die Trades scheinen sich bisher durchaus auszuzahlen. Sowohl was die Zugänge, als auch was den Abgang von Waiters betrifft.
Seite 2: Frischer Wind durch Smith und Mozgov
Smith passt besser als Waiters
Während der Geschasste unlängst aus seiner neuen Heimat Oklahoma City nachtrat und dabei indirekt bestätigte, dass ihm seine Rolle in Cleveland überhaupt nicht gefiel ("Hier darf ich den Ball tatsächlich mal berühren!"), fügt sich Smith bisher überraschend gut in die Cavs-Offense ein.
In bisher acht Spielen kommt er auf 14,6 Punkte pro Spiel und verleiht der Offense eine neue Dimension - er ist zwar bei weitem kein Kyle Korver, im Vergleich zu Waiters ist er aber ein deutlich besserer Spot-Up-Shooter. Seinen Wurf müssen Gegner respektieren, was mehr Räume für die Penetrationen von LeBron und Irving schafft. Zudem bewegt sich der Ball ohne den berüchtigten "Ball-Stopper" Waiters um einiges besser.
In den letzten sieben Spielen durfte Smith starten, das könnte sich aber ändern, sobald Shumpert von seiner Verletzung zurückkehrt. Allerdings funktioniert Smith bekanntlich auch als Instant Offense von der Bank, und die könnte Cleveland gut gebrauchen. Bisher hat kein Bench-Mob weniger Punkte pro Spiel generiert als der zweite Anzug der Cavaliers.
Rim-Protector Mozgov
Während Smiths Wert in der Offense liegt, sind die anderen beiden Neuen eher geholt worden, um die poröse Defense zu verstärken. Shumpert wird vermutlich am Freitag gegen Charlotte sein erstes Spiel beim neuen Team machen und dürfte gegenüber den restlichen Flügelspielern defensiv ein klares Upgrade darstellen. Bei Mozgov ist der Effekt schon jetzt ersichtlich.
Schon mit Varejao hatte Cleveland defensiv kaum überzeugt, ohne den Brasilianer in der Mitte war die Verteidigung schlicht desolat. Wenn man vor dem Hintergrund auf Mozgovs Leistungen seit seiner Ankunft blickt, erscheint auch der Preis von zwei First-Round-Picks nicht mehr exzessiv für den Russen, den Blatt aus seiner Zeit bei der russischen Nationalmannschaft bereits bestens kennt.
10,3 Punkte, 9,3 Rebounds und 1,1 Blocks legt er bisher in Cleveland auf - keine Monster-Stats, aber Mozgovs Wert lässt sich schwerlich in Zahlen bemessen. "Wenn man zum Korb geht, weiß man, dass er da sein wird", erklärt LeBron, "er wird dich blocken, deinen Wurf verändern oder dich zur Not foulen. Es ist sehr wichtig für uns, diesen Schutz zu haben."
Mozgov ist sowohl als Defensiv-Anker als auch als Individualverteidiger ein Gewinn. Der beste Beweis war das Spiel gegen die Bulls, als er Pau Gasol bei 4 von 14 hielt und selbst geschmeidige 15 Punkte und 15 Rebounds auflegte. LeBron adelt ihn schon jetzt als "besten 7-Footer, mit dem ich seit Zydrunas Ilgauskas zusammengespielt habe."
Alles hängt an LeBron
spoxFür den Moment ist also erst einmal Ruhe eingekehrt bei den Cavs. Das muss aber nicht von Dauer sein. Stabil ist die Situation nicht, zumal das Team noch längst nicht alle Fragezeichen beantwortet hat. Defensiv sind sie auch mit Mozgov noch weit entfernt von den besten Teams der Liga. Der neue Aufschwung hat Blatt aber zumindest Zeit verschafft."Kyrie, LeBron und Kevin spielen jetzt besser zusammen. Die Neuen haben ihre Rollen sofort verstanden, vor allem J.R. und Timo", sagt Blatt, stellt aber auch klar, von wem das Team abhängt: "LeBron ist unser Nukleus, und wenn er so gut wie jetzt spielt, bringt uns das sowohl auf dem Feld als auch daneben weiter."
Letzten Endes hängt alles davon ab, ob LeBron fit bleibt, sich weiter als Leader präsentiert und verhindert, dass bei jeder Niederlage sofort wieder alles in Frage gestellt wird. Er allein hat dafür den nötigen Einfluss.
Er kann sich in jedem Fall nicht beschweren, dass die Cavs nicht alles versucht hätten. Einen weiteren Reset wird es vor dem Sommer nicht mehr geben.