LeBron James, Stephen Curry, Russell Westbrook und James Harden! Das MVP-Rennen ist in dieser Saison offen wie lange nicht. Vier SPOX-Redakteure haben sich die vier Kandidaten vorgenommen und für jeden Superstar gute Argumente gefunden.
LeBron James: Der Leader
Von Marc-Oliver Robbers
Eines mal vorweg: Ich gehöre sicher nicht zu den größten LeBron-James-Fans auf diesem Planeten. Dafür ist mir einfach sein Gehabe zuwider, aber auch ich erkenne natürlich an, dass er der beste Basketballspieler der letzten zehn Jahre ist. LeBron besitzt einfach das komplette Paket, Schwächen findet man höchstens an der Freiwurflinie.
Und genau da liegt sein Problem. Dieser Typ ist einfach so gut, dass seine abartigen Zahlen Jahr für Jahr als gegeben hingenommen werden. Leistungen, die andere Spieler gleich ins MVP-Rennen katapultieren, werden bei James allenfalls mit einem Kopfnicken registriert.
Aktuell legt er durchschnittlich 26,1 Punkte (Platz 3) bei einer Trefferquote von 49,1 Prozent (Platz 4 ohne Big Men) auf und liefert dazu 5,7 Rebounds und 7,3 Assists (Platz 8). Das sind keine Karrierebestwerte, aber dennoch Zahlen, die eben jeden anderen Spieler zu einem Topfavoriten auf die MVP-Trophäe machen würden.
Nicht so bei LeBron. Der wird höchstens der Vollständigkeit halber genannt. Es sind halt ganz normale Zahlen für den vierfachen MVP. Dabei besitzt der Forward einen unfassbaren Wert für die Cavaliers - trotz Kyrie Irving, Kevin Love und den restlichen hochveranlagten Veteranen und Rollenspielern.
Ohne James steht Cleveland in dieser Saison bei 2-9. Hochgerechnet würde das aktuell Platz 15 im Osten bedeuten - knapp hinter den Knicks. Steht LeBron auf dem Platz haben die Cavs eine Siegquote von 71,4 Prozent. Nur Atlanta und Golden State sind dort aktuell besser.
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Das unterstreicht auch das On/Off-Rating. Mit ihm ist Cleveland 17,5 Punkte bei 100 Versuchen besser als ohne ihn. Nur Steph Curry weist da noch einen minimal besseren Wert auf (17,9). Ich will gar nicht zu sehr mit irgendwelchen Advanced Stats hantieren. Es lassen sich natürlich für jeden der vier Kandidaten zig Zahlen finden, die für den einen oder anderen Superstar sprechen.
Unbestritten ist allerdings, dass keiner der drei anderen Spieler einen so großen Einfluss auf ein Team hat, und damit meine ich nicht nur auf dem Platz, sondern auch im Locker Room. Das Wort von James zählt. Er führt das Team, hält Ansprachen, gibt Anweisungen und kritisiert. Er gibt die Richtung vor und die ganze Franchise folgt.
Bei all den Problemen, die Cleveland zu Beginn hatte - LeBron hat diese übrigens vorausgesagt - hat er es letztlich geschafft, das Team auf Kurs zu bringen. Seit Mitte Januar verloren die Cavs nur fünf Partien bei 23 Siegen. Keine Franchise hat eine bessere Bilanz in diesem Zeitraum.
Natürlich zählt am Ende die komplette Saison, aber James hat es geschafft, sein Team rechtzeitig auf Kurs zu bringen. Dabei hat er wieder einmal bewiesen, dass er ein unglaubliches Gespür dafür hat, was ein Team von ihm braucht, um erfolgreich zu sein. Auch diese Fähigkeit ist in der Form einzigartig, höchstens Kobe vermag es sein Spiel in ähnlicher Form an die Gegebenheiten anzupassen.
Am Ende wird die Maurice-Podoloff-Trophäe wohl jemand anderes in den Händen halten, Argumente dafür gibt es sicher genug und ein Premieren-MVP ist sicher auch eine Spur cooler als King James zum fünften Mal zu krönen. LeBron ist vielleicht einfach ZU gut.
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Stephen Curry: Der Spaßmacher
Von Max Marbeiter
Stand jetzt sind die Warriors das beste Team der NBA. Und Steph Curry ist Golden States bester Spieler. Allein das qualifiziert ihn für mich als MVP - ist am Ende aber nur Teil des Gesamtkunstwerks. Natürlich gibt es jetzt wieder genug Leute, die auf das "Valuable" pochen und sagen, dass die Warriors auch ohne Curry ein gutes Team sind. Sind sie auch, richtig. Nur macht Curry aus einem guten eben ein historisch gutes Team - und da bin ich ganz bei Zach Lowe. Der fragte kürzlich, weshalb es mittlerweile mehr zähle, aus einem mittelmäßigen Team ein gutes zu machen als aus einem guten ein sehr gutes.
Ich möchte Curry sicher nicht zum mit Abstand besten Spieler der Liga erklären, geschweige denn, ihn mit Michael Jordan vergleichen. Nur schlossen die Bulls die Saison nach Jordans erstem Rücktritt eben auch mit 55 Siegen ab - den ganz großen Unterschied, den Unterschied zwischen sehr gutem und Championship-Team machte aber MJ. Nun haben die Warriors noch keine Meisterschaft gewonnen, allerdings wäre das ohne Curry auch schlicht unmöglich.
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Immerhin macht Golden State ohne seinen Playmaker auf 100 Possessions gerechnet 0,2 Punkte weniger als der Gegner. Mit Curry 17 mehr. Wie ich es im Beyond the Boxscore Text zu den Warriors bereits geschrieben habe, macht Curry aus den Dubs also sowohl offensiv als auch defensiv ein wesentlich besseres Team.
Und Curry macht es auf seine ihm völlig eigene Art. Es gibt ligaweit wohl keinen Spieler, der so glühend heiß laufen kann wie Wardell Stephen Curry. Und wenn Wardell Stephen Curry heiß läuft, gibt es - vielleicht mit Ausnahme von Russell Westbrook - ligaweit wohl keinen Spieler, der in Sachen Spektakel auch nur im Ansatz folgen kann. Legt Curry 40 plus Punkte auf, vergisst man es nicht so schnell.
Die Würfe muten teilweise derart lächerlich an, dass am Ende einzig die Frage bleibt, wie der Ball verdammt noch mal durch den Ring fallen konnte. Dazu kommt dieses unfassbare Ballhandling, bei dem selbst Coach Kerr nur ungläubig mit dem Kopf schütteln kann. Steph Curry bei der Arbeit zuzusehen, macht einfach Spaß.
Natürlich gewinnen Spaß und Spektakel allein aber keine Titel, richtig. Nur ist Curry eben viel mehr als wertloses Geballer, als wenig zielführendes Gedribble. Curry spielt unglaublich effizient. Er kratzt sogar an einer 40-50-90-Saison (41,9 Prozent 3FG, 48,2 Prozent FG, 90,3 Prozent FT) und legt damit das mit Abstand beste True Shooting aller Point Guards auf (62,7 Prozent). Currys Player Efficiency Rating (27,61) ist zudem das viertbeste der gesamten Liga. Stephs Real-Plus-Minus-Rating ist sogar das beste der gesamten NBA.
Am Ende vereint Curry Spektakel und Effizienz wie kein zweiter, macht ein gutes Team zum derzeit besten der Liga und ist dabei noch dazu unverzichtbar. Das sollte am Ende doch genügen.
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Russell Westbrook: Die Kampfmaschine
Von Stefan Petri
Warum Russell Westbrook der MVP ist? Nun, da gibt es zuerst mal ganz profane Gründe: Wer bitte würde sich trauen, Russ ins Gesicht zu sagen, dass er NICHT der wertvollste Spieler der NBA ist?
Seine Performance auf dem Platz spricht jedenfalls derart für sich, dass ich mich damit gar nicht lange aufhalten will. Fast jede Nacht legt er derzeit Zahlen auf, die es zuvor nur bei MJ oder Wilt gab. 48-11-9. 40-13-11. 49-15-10! Sorry LeBron, das kann derzeit kein anderer Spieler auf diesem Planeten zeigen. NBA-Topscorer UND Platz vier in Assists (und Platz drei in Steals). Westbrook ist Nietzsches Übermensch in Reinkultur.
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Klar, es gibt Gegenargumente. Wenn es die nicht gäbe, wäre die Diskussion schon längst beendet. Wo man bei den anderen Kandidaten vor allem auf die Stärken blickt, geht die Tendenz bei Westbrook in Richtung "Ja, aber...". Weil seine Leistungsdecke die der anderen eben locker überragt. So gut ist der Point Guard von OKC, dass man nicht nach Gründen sucht, warum er der MVP ist - sondern nach Gründen dafür, dass er es NICHT ist.
Also gehen wir sie durch.
- Die vergleichsweise schlechte Bilanz der Thunder: Ich gebe es zu, sollte das Team die Playoffs verpassen - wovon ich nicht ausgehe -, ist die Debatte wohl beendet. Aber wäre das gerechtfertigt? Weil OKC nicht im Osten spielt und dort schon 40 Spiele gewonnen hat? Weil der Westen einfach so brutal stark ist? Weil KD so lange verletzt ist? Das überzeugt mich nicht. Und ich habe auch das Gefühl, dass andere Sportarten schon weiter sind, z.B. Baseball: Wer in einem Mannschaftssport individuelle Awards vergibt, der sollte das dann auch weitgehend unabhängig vom Record tun.
- Die verpassten Spiele: OK, Westbrook hat 15 von bislang 64 Saisonspielen verpasst. Wenn es dabei bleibt, hat er aber fast 82 Prozent der Spiele absolviert. In meinen Augen genug, um ihn nicht zu disqualifizieren (LeBron z.B. hat nur vier Spiele weniger verpasst). Der Mann hatte nach dem Spiel gegen die Blazers einen verdammten Krater im Gesicht - und war ein paar Tage später schon wieder auf dem Court! Hallo? Was muss er denn noch tun?
- Die (vergleichsweise) schlechten Quoten: Ja, 43 Prozent aus dem Feld ist nicht überragend. Aber: Für einen Spieler, der so ziemlich alles allein machen muss, ist das auch nicht schlecht. Wir reden hier nicht von Iverson-Territorium - sein True Shooting ist mit rund 54 Prozent angesichts seiner unfassbaren Usage Rate von 38(!!!) noch im Rahmen, und sein PER steht bei 29,8 - vor Curry, Harden und James. Außerdem ist der Mann keineswegs ein Ego-Shooter - er hat die höchste Assist Percentage in der NBA! Und die vielen Turnover, die immer so auffallen? Da schenken sich die vier nichts (Turnover-Rate: Curry 10,5; Westbrook 11,0; Harden 12,1; James 12,4).
Der direkte Vergleich:
LeBron? Westbrook punktet mehr, hat die bessere Rebound Rate, die bessere Assist Rate, geht mehr an die Linie, holt mehr Steals und hat weniger Turnover.
Harden? Mehr Punkte, Assists, Rebounds, Steals, fast gleich viele Freiwürfe - bei über drei Minuten weniger Einsatzzeit pro Partie. Was Harden für Houston ist, ist Westbrook für OKC - nur eben noch eine Stufe besser.
Curry? Steph spielt in einem sensationell starken Team, das ist gut für die Quote. Trotzdem: Westbrook hat mehr Punkte, Rebounds und Assists(!) pro Spiel bei in etwa gleicher Einsatzzeit. Würden die Warriors mit Westbrook leiden? Wohl kaum. OKC mit Curry? Ganz bestimmt.
Russell Westbrook: Der MVP hinter dem MVP?
Liefern die anderen drei ein schlechtes Spiel ab, fällt es kaum auf. Bei Westbrook? Da gibt es Kommentare wie "Ich schätze, er ist doch ein Mensch." (Doc Rivers) oder auch "Wenn ihr jemanden findet, der ihn stoppen kann, dann sagt mir Bescheid." (DeMar DeRozan)
Westbrooks Höhen sind höher als die jedes anderen NBA-Spielers, seine Tiefen dafür vergleichsweise flach. Er kriegt meine Stimme. Und: Wer so gut ist, dass es doch tatsächlich zu (sinnfreien) Trade-Gerüchten um den amtierenden wertvollsten Spieler kommt, der muss einfach MVP sein.
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James Harden: Der Dominator
Von Ole Frerks
Die MVP-Frage ist eine der Grundsätze. Geht es um den besten Spieler der Welt? Den besten Spieler des besten Teams? Den Spieler, an den man sich als erstes erinnert, wenn man an die Saison zurückdenkt? Oder den unersetzlichsten Spieler? Im Idealfall kann man mehr als eine dieser Fragen mit demselben Spieler beantworten, in dieser Saison jedoch nicht.
Und da ich die letzte Frage persönlich am wichtigsten finde, kann die Antwort, wer den MVP in dieser Saison gewinnen sollte, für mich nur James Harden heißen. Und auch wenn ich Curry den Award persönlich sehr gönnen würde, ist es sogar eine deutliche Entscheidung.
Um eins klarzustellen: Ich schaue mir nicht besonders gerne Freiwürfe an, Fouls schinden ohnehin nicht. Und dass sich die Herren Morey und McHale bei jeder Gelegenheit genötigt fühlen, den Bärtigen als einzig legitimen MVP-Kandidaten zu proklamieren, müsste auch nicht unbedingt sein. Das ändert allerdings nichts daran, dass Harden den Award verdient.
James Harden: Ein MVP-Kandidat aus dem Labor
Kein Spieler war für sein Team in dieser Saison wertvoller, das lässt sich mit den Zahlen belegen. Für knapp 19 Siege zeichnete Harden laut der Statistik "Estimated Wins Added" verantwortlich, damit führt er die Liga gemeinsam mit Anthony Davis an. Und im Gegensatz zur Braue hat Harden bloß ein Spiel verpasst.
Der Mann ist in dieser Saison einfach unfassbar konstant. Speziell seit dem Ausfall von Dwight Howard leben die Rockets offensiv komplett von ihm. Geht er auf die Bank, kracht das Offensiv-Rating von 107,1 auf 92,4 runter. Wenn er auf dem Court steht, ist er an geisteskranken 70 Prozent der Field Goals seines Teams entweder als Scorer oder Vorbereiter beteiligt.
Dank seiner Mischung aus Dreiern, Korblegern und Freiwürfen punktet er unheimlich effizient für einen Swingman (60,6 Prozent True Shooting) und ist gleichzeitig der mit Abstand beste Assistgeber der Rockets.
Wenn man am Ende des Spiels Punkte braucht, gibt es keine bessere Option als ihn - dank dem Euro-Step, der Schnelligkeit und Stärke und dem großartigen Ballhandling kommt er fast immer entweder in die Zone oder erhält einen einigermaßen offenen Wurf von draußen.
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Auch defensiv hat er sich trotz seiner extremen Verantwortung in der Offense extrem verbessert im Vergleich zu den letzten Jahren. Er ist bei weitem kein Stopper, Houston stellt mit ihm im Lineup aber eine durchaus respektable Defense - und das trotz des langen Fehlens von Rim Protector Howard.
Harden hat in dieser Saison gelernt, was es heißt, ein echter Franchise-Player zu sein. Mit einem "durchschnittlichen" Zweier a la Danny Green (PER von 16,25, Platz 15 unter den Shooting Guards) würde sich Houston im Westen mit Minnesota und Co. um die beste Platzierung in der Lottery prügeln.
Stattdessen haben sie mit 43-22 Chancen auf den Heimvorteil in einer historisch guten Western Conference. Von den derzeitigen Spielern in der NBA hätten das außer Harden LeBron und Durant schaffen können, sonst kann ich da niemanden mit voller Überzeugung nennen. Daher kriegt er meine Stimme.
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