"Diese Niederlage zählt zu den härtesten meiner langen Playoff-Karriere. Definitiv." Dirk Nowitzki war alles andere als begeistert. Er war sogar niedergeschlagen. Verständlicherweise. Zwei mickrige Punkte hatten den Mavs am Ende gefehlt. Zwei lächerliche Punkte, die zwischen Hoffnungsschimmer und nahezu aussichtloser Situation stehen.
Denn am Ende verlor Dallas trotz seiner bislang wohl besten Playoff-Leistung der Saison auch Spiel drei gegen die Rockets und hat damit im Grunde kaum noch Chancen, irgendwie die zweite Runde zu erreichen.
Natürlich mag man nun die eine oder andere klassische Plattitüde entgegenhalten. Im Sport ist schließlich alles möglich. Derlei Mutmaßungen kommen allerdings nur schwerlich gegen diese vernichtenden 110 Serien an. 110 Playoffserien sahen bislang ein Team mit 3:0 in Führung gehen, sie sahen allerdings nie, wie das andere Team sein Schicksal noch einmal abwendete und schlussendlich doch noch in die nächste Runde einzog.
Positiv formuliert haben die Mavs nun immerhin die Chance, Geschichte zu schreiben. Sehr negativ formuliert haben sie ein starkes (Offensiv-)Spiel Nowitzkis verschwendet. Allzu oft kommt es schließlich nicht mehr vor, dass der Finals-MVP von 2011 auch aussieht wie damals im Titeljahr. Dass Nowitzki über 30 Punkte auflegt. Dass er ein Schlussviertel durchspielt und binnen jener finalen zwölf Minuten 16 Punkte und 5 Rebounds auflegt.
"Mir bricht es das Herz"
"Wir haben seine Leaderfähigkeiten heute mehr gebraucht denn je", wusste auch Devin Harris um die besondere Situation. "Er ist vorangegangen. Vor allem am Ende. Mir bricht es das Herz, dass wir nicht für ihn gewinnen konnten. Speziell nach all dem Einsatz, den er gezeigt hat."
Einsatz. Wille. Leaderfähigkeiten. All diese Attribute ziehen sich durch Nowitzkis Karriere. Nun hat er bewiesen, dass er sie auch noch mit 36 Jahren besitzt. Ein wenig überraschend? "Hey, das ist der große Nowitzki", entgegnete Coach Rick Carlisle. "Er ist unglaublich, einfach unglaublich - ein unglaubliches Herz, alles einfach unglaublich. Er hat uns im Spiel gehalten."
Es dann auch zu Ende bringen durfte Nowitzki allerdings nicht. Die beiden finalen Würfe gestanden die Mavs Monta Ellis zu. Erst mit Erfolg, dann mit Bedauern. Denn Ellis' letzter Wurf, dieser finale Versuch, der Dallas in die Verlängerung gerettet hätte, mutierte zum Backstein, klatschte rechts vom Ring ans Brett.
Verständliche Entscheidung pro Ellis
Warum? Warum nicht Nowitzki? Dirk selbst hatte eine klare Antwort. "Natürlich gehen einem nach dem Spiel diverse Dinge durch den Kopf, die man hätte anders machen können", so der MVP von 2007. "Ich lasse es aber nicht zu, dass der Coach oder ich in Frage gestellt werden. Monta war in den vergangenen beiden Jahren unser Mann. Er hat mit demselben Play zuvor gescort."
Was Nowitzki meint: Im Angriff zuvor hatten die Mavs tatsächlich denselben Spielzug verwendet. Handoff von Nowitzki auf Ellis. Ein Drive gegen Josh Smith. Layup. Drin. Es sollte erneut klappen, doch die Rockets sahen es kommen. Diesmal hielt Smith Ellis vor sich, zwang ihn zum schweren Jumper. Das Ende ist bekannt.
Angesichts von Ellis' vorangegangener Leistung war Coach Carlisles Entscheidung, seinem Shooting Guard das Vertrauen auszusprechen, dabei sogar nachvollziehbar. 34 Punkte und 9 Assists hatte die Mississippi Missile aufgelegt. Spiel eins ohne Rajon Rondo lief also deutlich besser als die halbe Saison zuvor.
Grundsatzprobleme
Dallas' Offense war dabei sicherlich nicht historisch gut, aber sie wirkte variabler und kam schlussendlich auf 128 Punkte. HUNDERTUNDACHTUNDZWANZIG PUNKTE. In einem Playoffspiel. Das muss reichen. Eigentlich. Denn so gut Nowitzki und Ellis offensiv auch gewesen sein mögen, zwei Grundsatzprobleme bekommen sie einfach nicht in den Griff.
Grundproblem Nummer eins: Dwight Howard. D12 dominierte die Zone. Diesmal schnappte er sich 26 Rebounds, 11 davon offensiv und begünstigte damit Houstons ganz eigene Dominanz in Ringnähe. 28 Second-Chance Points legten die Rockets auf, die Mavs lediglich 11. Ein klarer Vorteil. Auch dank Howard.
Dass Carlisle mit dem Spiel des Centers nicht ganz einverstanden war, lag allerdings weniger an dessen Präsenz am Brett als an Howards Physis. D12 ist kräftig und nutzt das auch. Zu Beginn des Schlussviertels schubste er Harris beim Kampf um den Rebound Richtung Mavs-Bank, schnappte sich den Ball und passte ihn für den erfolgreichen, offenen Dreier Richtung Trevor Ariza. Carlisle war außer sich.
Carlisle tobt
"Das muss aufhören", sagte der Coach hinterher. "Howard bringt reihenweise Spieler zu Boden. Das darf in Spiel vier nicht passieren." Harris selbst gab zwar an, dass D12 den Arm ein wenig ausgefahren hatte, wollte sich aber nicht zu sehr über die Szene auslassen. "Was willst du tun", fragte der Point Guard. "Sie haben es nicht gepfiffen. Es bringt jetzt nichts, deshalb zu heulen."
Es wäre sicherlich bei weitem nicht falsch gewesen, hätten die Refs gepfiffen. Insofern ist Carlisles Aufregung verständlich. Immerhin beobachtete er aus nächster Nähe die Entstehung und Ausführung einer gegen sein Team gerichteten Fehlentscheidung. Einen "5-6-Punkte-Unterschied" habe das Ganze ausgemacht.
Das Harden-Problem
Vielleicht hat es das. Dallas' Niederlage auf eine einzige Szene zu reduzieren, ginge jedoch deutlich an der Realität vorbei. Und man darf davon ausgehen, dass dies auch nicht Carlisles Intention war. Da waren schließlich diese 130 Punkte der Rockets. Und James Hardens 42 - womit man bei Grundsatzproblem Nummer zwei angelangt wäre.
Denn Harden ist von den Mavs einfach nicht zu verteidigen. In den Spielen eins und zwei widmete Dallas dem MVP-Kandidaten einen Großteil seiner Aufmerksamkeit. Mit der Konsequenz, dass Harden seine Mitspieler in Szene setzte und als Passgeber glänzte.
"Diesmal gab es keine Traps oder Dinge in diese Richtung", sagte Harden. "Sie haben mich aggressiv spielen lassen." Mit der Konsequenz, dass der Zweier ein Playoff-Career-High auflegte und Dallas' Defense eigenhändig auseinander nahm. Sogar der schlussendlich entscheidende Wurf über Tyson Chandler fiel, obwohl er sich zunächst nicht entscheiden konnte, ob er vom Ring nun herausspringen oder durch die Reuse rutschen sollte.
Die Mavs gewährten Harden mehr Freiheiten, der MVP-Kandidat nutzte sie. In der Konsequenz stellt sich die Frage, ob sie denn überhaupt Mittel gegen einen der besten Scorer des Planeten finden. Hardens Mix aus Suche nach dem eigenen Wurf und gleichzeitigem Auge für den Mitspieler macht ihn für Dallas - mit Sicherheit jedoch nicht nur für Dallas - zum absoluten Matchup-Albtraum.
Ausgedünnte Rotation auf der Eins
Zumal mit Rajon Rondo mittlerweile derjenige fehlt, von dem man sich erhofft hatte, er könne Harden wenigstens halbwegs kontrollieren. Rondo konnte es nicht. Nur sieht es da im Fall von Ellis und Dallas' drei verbliebenen Einsern J.J. Barea, Raymond Felton und Harris eben nicht viel besser aus.
Zumal sich Felton, der nach Rondos Verletzung starten durfte, am hinteren Oberschenkel verletzte und am Ende nur zehn Minuten auf dem Feld stand. Auch Harris gibt zu, nach seiner Zehenblessur noch "etwas limitiert" zu sein. Immerhin vollbrachte Barea offensiv Dinge, die dem ehemaligen Celtic nicht gelungen waren. 11 Punkte, 9 Assists - beinahe ein Double-Double, dazu 6 Rebounds.
Traurige Playoff-Bilanz
Offensiv funktionierte es ohne Rondo wieder deutlich flüssiger. Allerdings spielte sich Dallas' Problematik diesmal ausschließlich in der Defense ab. Doch nicht nur diesmal. Vielmehr erweckt es eher den Anschein einer Grundproblematik als eines einmaligen Ausrutschers. Dallas' Defense ist gegen Houstons Offense überfordert.
Dabei hatten die Mavs vor der Serie noch von einem halbwegs günstigen Matchup gesprochen. Nun verpassten sie im dritten Anlauf 2015 den vierten Playoff-Sieg seit dem Titel 2011. Verloren hat Dallas mittlerweile dagegen elf Mal. Mal mehr, mal weniger bitter. Diesmal war es allerdings besonders hart.