Für ein paar Stunden ließ LeBron James seinen Emotionen freien Lauf. Der Superstar, der häufig so kühl, so kalkuliert wirkt, ließ sich von der Partystimmung in der Quicken Loans Arena anstecken. "Wieder in dieser Stadt zu sein, ist etwas Besonderes", sagte James, "egal, was von hier an passiert, wir können stolz darauf sein, was wir in diesem Jahr geleistet haben."
Der zweimalige Champion feierte ausgelassen mit seinen Teamkollegen, von denen viele vor der ersten Finals-Teilnahme ihrer Karriere stehen. Auf dem Podium posierte er mit J.R. Smith und Tristan Thompson für ein Selfie, später ließ er sich mit Smith, Iman Shumpert sowie Kendrick Perkins und Kyrie Irving filmen, wie sie im Whirlpool Schampus-trinkend "Flicka Da Wrist" vom Rapper Chedda Da Connect zelebrierten.
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Die Cavs konnten sich ihre Party leisten, sie hatten sie mit Sicherheit auch verdient. Mit dem Sweep der Atlanta Hawks hatten sie sichergestellt, bis zum Beginn der Finals stolze neun Tage frei zu haben. Diese Pause hat das Team von David Blatt allerdings auch bitter nötig.
Auf den Spuren von Russell
Insbesondere LeBron wird seinen Fokus auf die Regeneration legen, sobald er aufwacht. Der King steht vor seiner fünften Finals-Teilnahme in Serie - das hat seit den legendären 60er-Jahre-Celtics um Bill Russell niemand geschafft. Der Weg dorthin war allerdings ein Kraftakt, den selbst er noch nicht auf diese Weise erlebt hat.
LeBrons Usage Rate in diesen Playoffs beträgt 36,4 Prozent. Das ist der höchste Wert seiner Playoff-Karriere, selbst bei seinen ersten tiefen Playoff-Trips mit den Cavs kam er nie an die 34 ran. In seiner letzten Saison mit den Heat, als in den Finals von 'Team' (Spurs) gegen 'Spieler' (LeBron) die Rede war, betrug die Usage Rate nicht einmal 32 Prozent.
Gegen die Hawks kam LeBron auf 39,1, was sogar Russell Westbrook happig finden dürfte. Sein Team jedoch brauchte die 30,3 Punkte, 11 Rebounds und 9,3 Assists, die er über vier Spiele auflegte. Also spulte er dieses außerirdische Pensum trotz aller Malaisen ab. Ein Pensum, das in der NBA-Geschichte in dieser Art noch nie ein Spieler über eine Serie hingelegt hat.
Ermüdung nach Spiel 3
Am Ende von Spiel 3 war für jeden sichtbar, dass dieses kräftezehrende Spiel auch an LeBrons Cyborg-artigem Körper nicht vorbeigegangen ist. Mit dem Schlusspfiff sank er zu Boden und musste im Anschluss lange behandelt werden.
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"Ich wurde ausführlich durchgecheckt und behandelt", verriet LeBron am Montag. "Ich werde nicht sagen, was ich genau habe. Es ging nur darum, fürs nächste Spiel wieder bereit zu sein. Langsam wird es schon fast lästig, unseren Physio Mike Mancias dauernd zu sehen. Es ist, als wäre er bei mir eingezogen."
Seine Rolle zu reduzieren oder gar eine Partie auszusetzen, kam James trotzdem nicht in den Sinn. Weil er den Hawks keinen Anlass zur Hoffnung geben wollte, auf der einen Seite. Aber vor allem auch deshalb, weil er als Anführer mit dem besten Beispiel voran gehen wollte.
Bud: "Als Leader sehr gewachsen"
"Er ist als Leader sehr gewachsen", lobte auch Hawks-Coach Mike Budenholzer. "Sein Selbstvertrauen ist auf einem neuen Level. Er orchestriert sein Team und macht seinen Teammates in jeder Situation klar, wo sie sein sollen und was er von ihnen will. Dieses Gefühl für das Spiel, für die richtige Entscheidung im richtigen Moment, hat er auch auf sein Team übertragen."
Neben James Jones ist LeBron der einzige feste Rotations-Spieler der Cavs mit Finals-Erfahrung, dementsprechend ist er mehr denn je als Anführer gefordert. Er mag nicht mehr die gleichen athletischen Voraussetzungen haben wie vor fünf Jahren, auch die Effizienz ist gesunken. Dafür versteht er das Spiel und seine Rolle mittlerweile wohl besser als jeder andere.
"Wir haben einen Meister, der das Team auf die richtige Weise führt", sagte David Blatt, "er ist nicht nur ein grandioser Basketballer, sondern auch ein erfahrener Gewinner, der weiß, wie man Forderungen an seine Mitspieler stellt, ohne sie klein zu reden. Der seine Mitspieler fordert und fördert."
Mann unter Jungs
So stark LeBron in den Conference Finals auch gespielt hat, in den Finals wird er jedoch noch mehr auf seine Mitspieler angewiesen sein. Die Hawks haben gemessen an den Erwartungen eine überragende Saison gespielt, am Ende ging ihnen aber sowohl die Luft als auch das Personal aus, das LeBron und seiner dünnen, aber sehr defensivstarken Fightertruppe hätte Paroli bieten können.
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Vor allem im Post wirkte LeBron häufig wie ein Mann unter Jungs, wenn er den humpelnden DeMarre Carroll oder Kent Bazemore nach Strich und Faden dominierte. So war es letztendlich nur logisch, dass Atlanta als 15. (!) Ost-Team in Serie an einem Team scheiterte, das den König der Eastern Conference in seinen Reihen wusste.
Leichter wird's nicht...
Bei allem Respekt für die Celtics, Bulls und auch die Hawks, in den Finals wird allerdings ein anderes Kaliber auf die Cavaliers warten als in den ersten drei Runden. Umso wichtiger wird es sein, dass Kyrie Irving und LeBron bis dahin wieder bei voller Stärke sind und dass auch die Rollenspieler weiter so beständig abliefern.
Eins ist jedoch klar: Unterschätzen sollte diese Truppe niemand mehr. Trotz aller Störfaktoren während der Saison sind die Cavs mittlerweile ein verschworener Haufen, der sich - wer hätte das je gedacht - in erster Linie über Defense und harte Arbeit definiert. Selbst J.R. Smith holte in den Spielen 3 und 4 jeweils zweistellig Rebounds, nachdem er zuvor in der kompletten Saison nicht ein Double-Double aufgelegt hatte.
Blatt: "Das hast du dir verdient"
Auch Blatt und sein bester Spieler harmonieren mittlerweile wesentlich besser als noch vor wenigen Monaten, selbst wenn die Sieges-High-Five in Spiel 4 noch nicht optimal saß. "Das hast du dir verdient", sagte der Coach zu James, als die beiden Arm in Arm die letzten Minuten des vierten Viertels von draußen verfolgten.
Nun haben die Cavs Zeit, gesund zu werden und sich auf den Gegner vorzubereiten, unabhängig davon, ob dieser aus Oakland oder Houston kommt. Ob es für die "verfluchte" Sport-Stadt Cleveland dann zur ersten Meisterschaft seit 51 Jahren reichen wird, weiß nicht einmal James.
"Ich kann die Meisterschaft nicht garantieren. Dafür bin ich nicht hier. Ich bin hier, um uns anzuführen. Aber ich garantiere, dass wir uns den Hintern aufreißen werden", diktierte er nach der Partie in die anwesenden Mikros. Man darf ihn beim Wort nehmen.