Sie waren die ganze Saison über hörbar. Die Zweifel rund um die Atlanta Hawks. Zwar nur latent, aber sie waren da. Den Hawks fehle der Superstar, hieß es. Die Playoffs seien etwas ganz anderes als die Regular Season, wurde gemahnt. Der Vergleich mit den San Antonio Spurs komme zu früh, wurde gesagt. Atlanta spiele über seinen Möglichkeiten, wurde geschrieben.
Die Hawks ließen sich davon nicht beirren. Sie spielten die Regular Season souverän zu Ende und schlossen diese als Top Seed im Osten ab. Doch dann gingen die Playoffs los und viele Dinge, die zuvor angemerkt wurden, bewahrheiten sich nun.
Holprige Playoffs
Es begann bereits gegen die Brooklyn Nets. Die Veteranen aus dem Big Apple machten Atlanta das Leben schwerer als es anzunehmen war. Sie unterbanden das exzellente Ball Movement und stellten Kyle Korver kalt.
Nun ja, für die nächste Runde reichte es bekanntlich nicht, aber sie lieferten eine Blaupause dafür, wie man den Hawks beikommen kann. Gegen Washington lief es ähnlich zäh und hätte sich John Wall nicht die Hand gebrochen und Paul Pierce seinen Wurf in Spiel 6 eine Zehntelsekunde früher losbekommen, wäre es das für Atlanta womöglich schon gewesen . Der Konjunktiv spielt hierbei natürlich eine große Rolle - vielleicht auch eine zu große, aber die Cleveland Cavaliers befördern die Hawks-Kritiker nun vollends aus ihren Löchern.
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Die Cavs zeigen, was es bedeutet, wenn man einen Superstar in den eigenen Reihen weiß. Dass es sich hierbei um den Besten der Besten handelt, spielt dabei natürlich eine Rolle. LeBron James trägt das Team auch ohne Kevin Love und Kyrie Irving. Sein Selbstbewusstsein färbt auf den zusammengeschrumpften Supporting Cast ab.
Fehlender Go-to-Guy
Der fehlende Go-to-Guy ist eben eines der Probleme der Hawks. Jeff Teague, der dazu eigentlich berufen sein sollte, nimmt zwar mit Abstand die meisten Würfe in der Serie (19 mehr als alle Kollegen), aber verweigert auch gerne mal den offenen Wurf, wenn er ihn nehmen müsste.
Dass er in Spiel 5 gegen die Wizards Schröder die Crunchtime überließ, ist zwar ein jovialer Zug, aber zeigt auch, dass Teague nicht unbedingt ins Rampenlicht drängt. Und auch Al Horford und Paul Millsap, die immerhin auch im All-Star Game im Februar mitwirkten, sind weit davon entfernt, dominante Playoffs zu zeigen.
Zudem sind die beiden größten Waffen der Hawks verpufft. In der Serie treffen sie bislang nur 20,4 Prozent ihrer Dreier. Das ist nicht nur für Atlantas Verhältnisse unterirdisch. Gleiches gilt für die Assists. Verteilten sie in der Regular Season im Schnitt 25,7 Assists, so waren es in den ersten beiden Partien gegen Cleveland nur 17 im Schnitt. "Wir müssen wieder Atlanta Hawks Basketball spielen", fordert DeMarre Carroll.
Fehlt die Klasse?
Doch ist es nur das oder fehlt am Ende doch die Klasse? Schaut man sich den Kader der Hawks an, findet sich mit Horford nur ein Lottery Pick. Zum Vergleich: Die Cavaliers verfügen über sechs Spieler, die innerhalb der ersten 14 Picks gedraftet wurden. Und auch der Spurs-Vergleich, dem sie ohnehin nie gerecht werden konnten, hinkt bei der Tatsache, dass der noch amtierende Meister mit Tim Duncan den wohl besten Power Forward aller Zeiten in seinen Reihen weiß. Ein Superstar eben.
Die Cavs nach Spiel 2: Der King und seine Höhlenmenschen
Und nun sind es die Verletzungssorgen, die die letzten Hoffnungen zerplatzen lassen. Zwar entpuppte sich Carrolls Verletzung lediglich als verstauchtes Kniegelenk, aber der Forward ist natürlich dennoch nicht in der Verfassung, in der er sein müsste, um die Hilfe zu sein, die er zuvor war.
Am Samstag folgte dann die Schockdiagnose bei Korver. Der Scharfschütze fällt mit einer Knöchelverletzung für die restlichen Playoffs aus. Es droht sogar eine Operation. "Es ist hart für ihn, aber er nimmt es sehr reif auf. Er versteht, dass dies auch zum Wettkampf, zum Sport dazugehört", erklärte Coach Mike Budenholzer.
Nun blieb der Swingman zwar in den gesamten Playoffs hinter seinen Möglichkeiten zurück, aber allein seine Präsenz am Perimeter sorgte dafür, dass es die Kollegen leichter hatten.
Bazemore ersetzt Korver
ESPN hat tief in die Statistikkiste gegriffen und hervorgekramt, dass alle 15 Hawks-Aufstellungen ohne Korver, die in dieser Saison mindestens 20 Minuten zusammen auf dem Court standen, ein Plus-Minus-Rating von -9 aufweisen. Doch Budenholzer will nicht lamentieren. "Verletzungen sind Teil unserer Liga und Teil der Playoffs. Damit muss jeder irgendwie umgehen. Das geht uns nicht anders."
Eine Entscheidung, wer Korver ersetzen soll, ist gefallen. Kent Bazemore ist die erst Option, der in der Regel für Korver eingewechselt wird, aber auch Dennis Schröder dürfte mehr Spielzeit erhalten.
Eine weitere Möglichkeit wäre auf Dauer, mit Mike Scott oder Pero Antic einen weiteren Big Man in die erste Fünf zu integrieren und Millsap auf die Drei zu schieben. Beide verfügen über einen Distanzwurf und würden helfen, die Reboundunterlegenheit der Hawks zumindest einzudämmen. Allerdings spielte weder Scott noch Antic in dieser Saison auch nur eine einzige Minute an der Seite der anderen vier Starter.
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"Die Jungs, die gesund sind, müssen bereit sein und das Spiel spielen", schwört Coach Bud ein. Bei Bazemore ist dies nicht nötig, er brennt auch weiterhin - trotz 0-2-Rückstand. "Ich glaube immer noch, dass wir das bessere Team sind. Wir haben gegen ihre beste Auswahl in der Regular Season gespielt. Wir haben es jetzt nur noch nicht gezeigt", sagte der Swingman. "Wir werden versuchen, beide Spiele in Cleveland zu gewinnen. Wir müssen aggressiv spielen."
Es ist der Blick zurück an die gute Regular Season, von dem Atlanta immer wieder zu zehren versucht. Er kann helfen, doch wichtig ist das Hier und Jetzt und da steht ein 0-2. "Am wichtigsten ist, wie wir nun reagieren. Ich glaube nicht, dass wir zurückblicken müssen", fordert auch Budenholzer. Die Hawks waren ein gutes Team, nun gilt es zu zeigen, dass sie es immer noch sind. Zurück in die Gegenwart.