Nachdem die Houston Rockets Game 6 bei den Los Angeles Clippersmit einem sensationellen Schlussviertel drehen konnten, steht am Sonntagabend (ab 21.30 Uhr im LIVE-STREAM FOR FREE) das Entscheidungsspiel in eigener Halle an. Während L.A. für seine Stars und gegen die dunkle Vergangenheit der Franchise ankämpft, hofft Kevin McHale auf einen James Harden in MVP-Form.
Game 7.
Zwei Worte, die dem Basketball-Fan - und dem Sport-Fan generell - ein nervöses Kribbeln über die Haut fahren lassen wie sonst kaum etwas. Entscheidungsspiel. Win or go home. Sieg oder Urlaub. Sekt oder Selters.
Ein siebtes Spiel bedeutet, dass beide Teams jeweils schon drei Partien für sich entschieden haben. Heißt: Es ist eine ausgeglichene Serie. Jeder versteht es, die Schwächen des Gegenübers auszunutzen und die eigenen Stärken zur Geltung zu bringen. Man kennt sich, Überraschungen sind Mangelware. Dafür gibt es jede Menge Drama.
Und ganz besonders viel Drama birgt Game 7, wenn ein Team nach 3-1-Führung und einer 19-Punkte-Führung in Spiel 6 einen unglaublichen 51:20-Lauf des Gegners in den letzten 15 Minuten zulässt, den Sieg aus der Hand gibt - und nun auf fremdem Parkett antreten muss. Wie es die Clippers in diesen Conference Semifinals erlebten.
"Sie standen sich selbst im Weg"
Dabei waren die ersten Conference Finals der Franchise-Geschichte für die Clippers und den vor Freude wild herumzappelnden neuen Besitzer Steve Ballmer, der sich auf seinem Platz so herrlich freuen und mitleiden kann, eigentlich fast schon eingeplant. 3-1 hatte L.A. in der Serie geführt, zwei Blowouts vor eigenem Publikum gefeiert und Game 5 mehr oder weniger verständlich weggeschenkt.
Es lief ja auch hervorragend, zurück im Staples Center. Bis die Clippers plötzlich nur noch 18 Prozent aus dem Feld trafen. Bis Josh Smith im Schlussviertel 14 Punkte auflegte. Und Corey Brewer 15. Und Blake Griffin und DeAndre Jordan keinen einzigen. Wie übrigens auch Dwight Howard.
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Während D-12 danach einen Vergleich mit der Baseball-Komödie "Angels in the Outfield" bemühte und von übernatürlicher Hilfe sprach, hatte Doc Rivers fast schon Mitleid mit seinem Team: "Sie tun mir ehrlich gesagt leid, weil sie es so sehr wollten. Manchmal will man etwas so sehr, dass man es nicht bekommt, weil man sich selbst im Weg steht. Und heute standen wir uns eindeutig selbst im Weg." Der Coach verzichtete danach in der Kabine auf eine Ansprache - die Spieler wären ohnehin nicht aufnahmefähig gewesen, erklärte er.
Der Clippers-Fluch
Schlägt der Clippers-Fluch wieder zu? Der größte Sieg der Vereinsgeschichte sollte die Dämonen der Vergangenheit, von verpatzten Draft-Picks, verletzten Stars und vergeigten Playoff-Auftritten nicht nur austreiben, sondern endgültig vergessen machen. Den Stadtrivalen in Lila und Gold hat man schließlich ebenfalls ins zweite Glied zurückgedrängt.
In einer epischen Serie hatte man den Champion aus San Antonio in die Offseason geschickt und war dadurch zum mehr als ernsthaften Titelkandidaten aufgestiegen. Eine dritte Niederlage am Stück gegen die Rockets und der Traum wäre geplatzt. Stattdessen würden sich eine Menge unangenehme Fragen aufdrängen: Kann man mit einem Kern aus Griffin, Jordan und Chris Paul doch nicht um den Titel mitspielen? Hat DJ einen Max Contract verdient? Wie verstärkt man das Team im Sommer? Hat sich die Doppelfunktion von Rivers als Coach und GM überlebt?
CP3 und der fehlende Erfolg
Besonders für CP3 wäre es ein bitterer Schlag. Der vielleicht beste Point Guard seiner Generation hatte die Clips mit seinem epischen Game-Winner über die ausgestreckten Arme von Tim Duncan erst in die nächste Runde gebracht, obwohl er von einer Oberschenkelverletzung gehandicapt war. In Game 6 hatte er mit 31 Punkten, 11 Assists und 7 Rebounds überzeugt, auch wenn er den Kollaps im Schlussviertel nicht verhindern konnte.
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Mittlerweile hat auch der letzte NBA-Aficionado kapiert, dass der fehlende Erfolg des Point Guards in der Postseason seine Genialität mit dem Spalding in der Hand nicht im Geringsten schmälert. Aber für einen vom Hunger nach Erfolg getriebenen Basketball-Junkie wie Paul ist der Applaus der Experten nur ein schwacher Trost, wenn am Ende spätestens in der zweiten Playoff-Runde Schluss ist. Mal wieder. Als achtfacher All-Star ohne Conference-Finals-Teilnahme befindet er sich in unrühmlicher Gesellschaft: Häufiger ist dieses Kunststück lediglich Dominique Wilkins gelungen. Und mit nunmehr 30 Lenzen wird er auch nicht jünger.
"So ist das Leben"
Der Floor General gab nach dem Spiel die Richtung vor: Ruhe bewahren. "Ich war mit meiner Frau und ein paar Freunden essen, wir haben drüber geredet, und am nächsten Morgen hatten wir ein Nachbarschaftstreffen, in dem es um eine Bushaltestelle ging. So ist das Leben. Man kommt darüber hinweg." Und: Allen Postseason-Fehlschlägen zum Trotz - mit einem Game 7 kennen sich die Clippers aus.
"Wir sind nicht zum ersten Mal in dieser Situation", betonte Griffin. Vor drei Jahren hatte man gegen die Grizzlies ebenfalls eine 3-1-Führung hergegeben, nur um dann doch noch in Spiel 7 zu triumphieren. Vor einem Jahr gewann man Game 7 gegen die Warriors. Und vor genau zwei Wochen gegen die Spurs. So sieht die Statistik wieder etwas freundlicher aus: 80 Prozent aller Entscheidungsspiele gewinnt nämlich das Heimteam.
spoxHouston hat Spaß
Und das schwebt nach dem Wunder in Game 6 auf Wolke Sieben. Als keiner mehr an das Team glauben wollte, fielen die Fesseln ab - und von einem Moment auf den anderen funktioniert plötzlich alles. Der Wurf von draußen. Defense. Rebounding. "Wir haben uns immer wieder gesagt: 'So geben wir nicht auf.' Wir haben weiter an uns geglaubt und uns nicht aufgegeben", sagte Dwight Howard, der mit 20 Punkten und 21 Rebounds ein Monsterspiel hinlegte. Es war der 17. Sieg in Serie für Houston, wenn der Kampf an den Brettern gewonnen wurde.
Relaxen, rausgehen und Spaß haben. So die Ansage von Coach Kevin McHale vor der unglaublichen Aufholjagd. In einem solchen Moment sagt sich das zugegebenermaßen leicht, wenn nichts mehr zu verlieren ist. Und nach vier teilweise enorm uninspirierten Auftritten waren die Rockets verständlicherweise abgeschrieben. Nun ist das Team jedoch selbst in die Favoritenrolle geschlüpft. Droht Howard und Co. also ein ähnliches Schicksal wie den Clippers?
Nur Harden macht Sorgen
Nach einer derartigen Serie sollte man mit Vorhersagen vorsichtig sein. Zumal sich die Clippers und Rockets nicht gegenseitig zu Topleistungen anspornen, wie es in der ersten Runde bei L.A. und den Spurs der Fall war. Im Gegenteil: Beide scheinen mehr oder minder abwechselnd zur Höchstform aufzulaufen. Erklärbar bzw. vorhersehbar ist das nur bedingt.
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McHale hatte in Game 6 zwar defensiv und im Rebounding einige Anpassungen gezeigt, entschlüsselt hat er die Clippers jedoch nicht. Sich erneut auf Step-Back-Dreier von Smith zu verlassen, wäre des Guten womöglich etwas zu viel. Die größte Aufgabe des Coaches wird es sein, einen derart großen Rückstand diesmal schon in Ansätzen zu ersticken. Und seinen Superstar in Szene zu setzen.
Dass James Harden Houstons Comeback zum größten Teil nur auf der Bank erlebte, wurde nach der Partie unnötig aufgebauscht - schließlich ist es nicht ungewöhnlich, dass ein erfolgreiches Lineup auch ohne Superstar das Vertrauen des Coaches behält. Es ist jedoch gleichzeitig nicht von der Hand zu weisen, dass die Leistungen des Vize-MVPs noch Luft nach oben lassen. Rund 40 Prozent trifft er gegen die Clippers nur aus dem Feld, und seine Defensiv-Werte sind in den Keller gegangen (113,2 Punkte in Sachen Defensive Efficiency).
Win or go home
Ein "Statement-Game" würde ihm also gut zu Gesicht stehen. Teamkollege Jason Terry zeigte sich zuversichtlich: "Ich glaube, er wird sogar sehr bereit sein. Halt, ich glaube es nicht - ich weiß es." Der Superstar selbst gab seine Probleme zu ("Ich kann nicht immer 100 Prozent aus dem Feld treffen. Ich bin auch nur ein Mensch"), bekräftigte im Gegenzug dann aber: "Dafür hat man Teamkollegen." Die Zeiten, in denen diese mehr oder minder als Ersatzteile abgestempelt wurden, sind wohl vorbei.
Nicht umsonst ist es auch die tiefere Bank, die die Rockets in ein Game 7 gebracht hat. Brewer und Co. könnten erneut eine tragende Rolle spielen. Andererseits war den Clippers zum ersten Mal seit über drei Wochen ein zweiter freier Tag vergönnt. Das entscheidende Zünglein an der Waage?
"Gewinnen oder nach Hause fahren - aber ich bin noch nicht bereit für meinen Urlaub", kündigte D-12 im Vorfeld des Spiels an. "Ich bin schon lange genug in dieser Liga, es tut weh, wenn andere die Trophäe hochhalten." CP3s Antwort? "Wir werden sehen. Es wird am Sonntag eine unglaubliche Story."
Wie auch immer das Spiel ausgeht: Der Mann weiß, wovon er spricht.