Die Post-Game-PK von LeBron James nach Spiel 5 ist mittlerweile bestens bekannt. Seine Aussage, "noch immer selbstbewusst" zu sein, weil er "der beste Basketballspieler der Welt" sei, ging rapide um die Welt und wurde von Fans, Medien und Experten diskutiert, seziert und in aller Regel für wahr befunden.
Sie löste sogar umgehend die Diskussion aus, ob der vierfache MVP auch im Falle einer Niederlage als Finals-MVP ausgezeichnet werden sollte. Denn: Dass die Cavs diese Serie verlieren würden, darüber bestand nahezu überall Konsens.
Zu dünn sei die Cavs-Rotation, sodass auch ein LeBron in absoluter Überform nicht den Unterschied machen könne gegen die tiefe, mittlerweile wieder perfekt laufende Basketball-Maschine aus Golden State. Der Haken: Die Diskussion kommt schlicht zu früh.
Jederzeit im Spiel
Mit Ausnahme von Spiel 4 hatten die Cavs in jeder Partie gute Chancen, sich den Sieg zu holen. Das war auch in der fünften Partie wieder der Fall, ehe die Dubs ihnen eine Portion der eigenen Medizin verabreichten - und in der Schlussphase jede Menge Offensiv-Rebounds einsackten. Auf einmal waren es die Cavs, die die Bretter nicht kontrollieren konnten und an den Second-Chance-Points der Dubs verzweifelten.
"Wenn man gegen ein so starkes Offensiv-Team Fehlwürfe erzwingt und die Bälle dann nicht einsammeln kann, ist das sehr demoralisierend", gab James zu. "Egal, wer auf dem Court steht, wir müssen diese Rebounds bekommen."
Spiel 5: The Good, the Bad and the Ugly
Der Superstar nahm sich auch selbst in die Pflicht und übte nach seinem historischen 40/14/11-Triple-Double noch Selbstkritik: "Ich muss besser spielen. Ich sah bei zwei Offensivrebounds schlecht aus, hatte ein paar Turnover und war in der Defense teilweise nicht aufmerksam genug. Das muss besser werden."
Anfänger-Fehler von LeBron
Es ehrt den King, nach einer derartigen Gala noch die Schuld bei sich selbst zu suchen. Andererseits muss man sich langsam fragen, ob er nicht auch noch den Cavs-Bus fahren sollte - so viel leistet er für sein Team. Allein am Sonntag sorgte er durch eigene Zähler oder Assists wieder für 70 der 91 Punkte der Cavs.
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LeBron würde als Perfektionist natürlich gerne komplett fehlerlos spielen, und sein verpasster Box-Out gegen Harrison Barnes, der zum Layup And-1 für Andre Iguodala führte, war tatsächlich ein Anfänger-Fehler. Dass er neben dem Punkten und Vorbereiten aber auch noch als Rim-Protector und Haupt-Rebounder fungieren soll, kann nicht im Sinne des Erfinders sein.
Vielmehr spielt es den Warriors in die Karten. Steve Kerr hat mit der Hereinnahme Iguodalas in die Starting Five die Dynamik und den Stil dieser Serie verändert - Small-Ball ist angesagt. In Spiel 5 reagierte David Blatt und sorgte mit seinen Rotationen dafür, dass LeBron teilweise der größte Spieler auf dem Court war.
Mozgov schaut zu
Timofey Mozgov, der in Spiel 4 mit 28 Punkten und 10 Rebounds der beste Cavalier war, kam gerade einmal neun Minuten zum Einsatz. Auch Tristan Thompson saß in der Schlussphase teilweise auf der Bank und konnte nicht dabei helfen, die Dubs vom offensiven Brett fernzuhalten. Die Cavs litten darunter, dass sie die Identität, die sie bis zur einer 2:1-Führung in den Finals gebracht hatte, ein Stück weit verrieten.
In den Playoffs hat Cleveland in 14 Spielen mehr oder genauso viele Rebounds geholt wie der Gegner - nur eins davon ging verloren. Sie kratzten und bissen und machten die weltberühmten "kleinen Dinge", die zum Sieg nötig sind. Das erkannte auch Draymond Green an.
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"Sie haben viel härter gearbeitet als wir, mehr gehustled, egal wie man es nennen will", sagte Golden States "Center" über die ersten drei Spiele der Serie. "Wenn man in den Finals Spiele gewinnen will, darf das nicht passieren."
Mit den eigenen Waffen geschlagen
Neben LeBron war vor allem das Big-Men-Tandem Thompson und Mozgov maßgeblich für den Run der Cavs, und das bereits seit der ersten Playoff-Runde. In Spiel 5 wurden sie nun in ihrer eigenen Paradedisziplin geschlagen - allein Barnes schnappte sich 6 Offensiv-Rebounds. "Es ist keine Frage, dass wir besser rebounden müssen", sagte auch Blatt.
Matthew Dellavedova stimmte dem zu: "Ich weiß nicht, ob uns das den Wind aus den Segeln genommen hat, aber es sorgt dafür. Dass man länger als 24 Sekunden verteidigen muss. Normalerweise sind es Tristan und Moz, die für uns diese ganzen zweiten Chancen kreieren."
Dass die Dubs bei den Hustle-Plays im Vorteil waren, ist angesichts ihrer Tiefe keine große Überraschung. Barnes etwa musste "nur" 29 Minuten abreißen und hatte daher am Schluss einfach frischere Beine als seine Konkurrenten um die Rebounds.
Wieder Kritik an Blatt
Blatt, der für sein Minuten-Management in puncto Mozgov (mal wieder) in der Kritik steht, muss vor Spiel 6 nun wieder eine Entscheidung treffen. Will er versuchen, die Dubs in deren Spiel zu schlagen und darauf hoffen, dass sein Team diesmal die entscheidenden Prozentpunkte mehr abrufen kann? Oder gibt es die Rückkehr zum "Smash-Mouth Basketball" der letzten Wochen?
Die Zahlen sprechen in jedem Fall eine recht klare Sprache pro Mozgov. Mit ihm auf dem Court legten die Cavs Offensiv- bzw. Defensiv-Ratings von 101 und 103 auf und erzielten insgesamt 2 Zähler weniger als die Dubs. Ohne ihn? 84, 105, -21.
Der Russe könnte tatsächlich zum letzten Trumpf werden, den Blatt noch ausspielen kann. Für den früheren Champion und heutigen Experten Rick Fox ist die Sache klar: "Go big or go home", predigte Fox unmittelbar nach Spiel 5.
Ein Übermensch reicht nicht
Man geht sicherlich ein Risiko damit ein, die Rotation direkt wieder zu verändern. Andererseits sind die Cavs aber eben dazu gezwungen, die Dubs noch einmal vor neue Probleme zu stellen. Was man von LeBron erwarten darf, ist relativ klar - man hat jedoch bereits gesehen, dass seine übermenschlichen Leistungen allein nicht immer reichen.
Zumal auch sein Konterpart Stephen Curry stetig besser in die Serie findet. Von einem Delly-Effekt ist nichts mehr zu sehen - in den Spielen 4 und 5 traf der MVP im direkten Duell gegen den Australier 55 beziehungsweise 65 Prozent aus dem Feld.
Obwohl die langsame Pace der Serie noch immer eher den Cavs liegt, war es den Warriors zuletzt besser möglich, die eigenen Stärken abzurufen. Das muss Cleveland in Spiel 6 auch wieder hinbekommen. Sonst ist die Finals-MVP-Diskussion danach wohl nicht mehr verfrüht.