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Say Hi to the Bad Guys

DeAndre Jordan, Chris Paul, Blake Griffin, Doc Rivers - der Kern der Clippers
© getty

Die Los Angeles Clippers gelten nach der Free Agency nicht nur in Dallas als böse Buben. Dabei hat sich die Franchise per se nichts vorzuwerfen - das sagt sogar Mark Cuban. Unterm Strich steht eine sehr gute Offseason und eine neue Identität. Jetzt müssen aber endlich Resultate her.

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Noch vor wenigen Wochen standen die Clippers vor einem Scherbenhaufen. DeAndre Jordan hatte sich gegen einen Verbleib entschieden, die bis dahin getätigten Moves passten vor diesem Hintergrund nicht mehr - nach dem Trade von Spencer Hawes und DJs Abgang war Blake Griffin mit 2,08 m auf einmal der größte Spieler im Kader.

Von einem Team mit Meister-Ambitionen war schlagartig ein Donut-Team geworden - mit einem riesigen Loch in der Mitte, ohne Plan B. Als herauskam, dass sich die anderen Spieler nicht einmal beim Meeting mit Jordan hatten blicken lassen und Chris Paul stattdessen mit der Melo-LeBron-Wade-Troika im Urlaub weilte, war daher auch die alte Häme schnell wieder zur Stelle.

"Clippers gonna Clip", wie die Lakers-Fans gerne sagen. Oder: Der alte Clippers-Fluch hat wieder zugeschlagen. Die traditionell erfolglose Franchise hatte es mal wieder geschafft, sich eine eigentlich gute Ausgangslage ohne gewinnbringende Resultate zu versauen. Die klassische selbst-erfüllende Prophezeiung.

Die Ereignisse seitdem haben nun bekanntlich alles in ein anderes Licht gerückt. DJ bleibt, auf einmal passen die Dinge doch wieder zusammen. Ob gewollt oder nicht: Dadurch hat sich auch die Identität der Franchise geändert. Die Clippers sind vom sympathischen Loser zum bösen Buben geworden.

Keine Chance beim Beliebtheitswettbewerb

Ganz neu ist diese Entwicklung nicht. "Lob City" ist schon länger kein Fan-Darling mehr. Pauls aggressive Art auf dem Court mag nicht jeder, seine und Griffins ständige Beschwerden bei den Referees stoßen vielen sauer auf. Von Doc Rivers ganz zu schweigen. Und auch wenn er nur bedingt etwas dafür kann: Jordans Freiwurforgien sorgen auch nicht unbedingt für ein glückseliges Zuschauererlebnis.

Die Ereignisse dieser Offseason haben das Team in Sachen Antipathie allerdings auf einen neuen Level gehoben. Dass Jordans Ansehen ligaweit "ein wenig" gelitten hat, muss man niemandem mehr erklären. Die anderen Neuverpflichtungen wiederum werden in diesem Leben auch keinen Beliebtheitswettbewerb mehr gewinnen.

Da ist zum einen Paul Pierce, der in Boston zwar noch immer absoluten Legendenstatus genießt, der dem Rest der NBA-Welt aber eher als trollendes Feindbild gilt (nicht zuletzt den Lakers). Die einen lachen sich kaputt, wenn er sich via Twitter oder in Interviews über andere Teams und Spieler lustig macht, die anderen halten ihn für arrogant.

Das Querulanten-Duo

"Arrogant" ist allerdings noch nichts im Vergleich zu dem Label, das Lance Stephenson anhaftet. "Unzurechnungsfähig", "Spinner" oder "schlichtweg geisteskrank" sind Beschreibungen, die selbst seriöse Schreiber wie Zach Lowe von Grantland im Zusammenhang mit "Born Ready" nutzen. Er hat sich diesen Ruf freilich auch hart erarbeitet.

Und dann ist da natürlich noch Josh Smith, spätestens nach dem Rauswurf in Detroit der Inbegriff eines Störenfrieds. Zum J-Smoove-Move kann man den Clippers nur gratulieren, auch wenn bei den Fans der Stachel nach dem qualvollen Playoff-Aus gegen die Rockets noch tief sitzen dürfte.

Um künftig in L.A. seine Sneaker zu schnüren, hat der Forward ein besseres Angebot aus Houston ausgeschlagen, vor allem seine Rollenbeschreibung bei den Clippers soll Smith überzeugt haben. Da kann man nur hoffen, dass ihm Doc Rivers keine Freikarte zum Dreierwerfen ausgestellt hat. Aber ganz ehrlich: Auch das würde die Verpflichtung rechtfertigen.

Während Pierce das fehlende Puzzleteil der Starting Five darstellt, ist Smith der Retter der chronisch schwachen Bank. Ein erfahrener Allrounder, der auf der Drei oder Vier eingesetzt werden kann und lediglich das Minimum verdient - eine starke Sache. Auch wenn er zusammen mit Stephenson die gerade erst wiedergefundene Teamchemie auf eine harte Probe stellen wird.

Der Schatten des Dramas

Nicht zuletzt gab auch das Team selbst mit Rivers und Besitzer Steve Ballmer ein recht eigenartiges Bild ab, als sie Jordan gewissermaßen als "Geisel" hielten, damit er nicht noch einmal mit den Mavs kommunizieren würde - wenngleich das wohl eher auf Jordan selbst zurückging. Einen wirklichen Vorwurf machen kann man ihnen aber so oder so nicht, wie auch Mavs-Besitzer Mark Cuban findet.

"Ich hatte kein Problem damit, dass er alles versucht hat, um seinen Spieler zu halten. Ich habe es verstanden, warum und auch wie sie es gemacht haben. Sie haben ihren Spieler zurückbekommen. So einfach ist das", sagte Cuban, der sich am Dienstag mit Ballmer zum Gespräch traf, um den Zwist zweier Milliardäre zu klären.

Dass sie alle Register zogen, um Jordan zu halten, war völlig legitim. Die Clippers dürfen keine Angst davor haben, jemandem auf den Schlips zu treten - der Erfolg ist bei der "anderen Franchise" aus Los Angeles mittlerweile einfach wichtiger. Denn bis dato hat der hochtalentierte Kern schlichtweg zu wenig erreicht.

Rivers = Del Negro?

Als CP3 2011 nach L.A. kam, sah man sich auf dem besten Weg zum Contender. Die ersten beiden Jahre über war nicht mehr als die zweite Playoff-Runde drin, den Schuldigen hatte man allerdings schnell gefunden: Vinny Del Negro. Der Ruf des Trainers war 2013 dermaßen schlecht, dass viele ihm nicht einmal mehr die korrekte Bestellung einer Pizza zugetraut hätten.

Dementsprechend groß war die Hoffnung auf Besserung, als Del Negro vor zwei Jahren durch Doc Rivers ersetzt wurde. Der vorige Celtics-Coach galt als genaues Gegenteil seines Vorgängers - als Respektsperson, als Fachmann, als Champion. An der Qualität des Kaders gab es nur wenig Zweifel, daher sollte nun endlich der Durchbruch erfolgen.

Auf diesen wartet man allerdings noch immer. Docs Siegbilanz in Regular Season und Playoffs ist mit der seines Vorgängers nahezu identisch, die zweite Runde blieb auch im vergangenen Frühling das höchste der Gefühle.

Der Kollaps gegen Houston

Es gibt einige Gründe dafür. Dass 2014 nach all dem Chaos um Donald Sterling keine Wunderdinge mehr erwartet werden konnten, dürfte klar sein. Aber auch das Roster-Management von Rivers, der gleichzeitig Coach und General Manager des Teams ist, ließ bisweilen arg zu wünschen übrig. Vor allem die Bank wurde von "GM Doc" zu lange sträflich vernachlässigt.

Das zeigte sich beispielsweise beim epischen Kollpas gegen die Rockets in den vergangenen Playoffs. Abgesehen von der Starting Five und mit Abstrichen Glen Davis sowie Austin Rivers gab es kaum einen verlässlichen Spieler - die vermeintlich "große" Verpflichtung des letzten Sommers, Spencer Hawes, wurde beispielsweise nahezu komplett außen vor gelassen und ist nun bereits kein Clipper mehr.

Den Clips fehlte es an Tiefe - aber auch an mentaler Härte. Schließlich gaben sie gegen Houston nicht nur eine 3:1-Führung, sondern auch eine 19-Punkte-Führung vorm letzten Viertel in Spiel 6 aus der Hand. Und das, obwohl nach ihrem Erstrundentriumph über die Spurs noch alle dachten, jetzt sei der Knoten endlich geplatzt, der Fluch gebrochen.

Die Rotation wächst

Rivers' Deals dieser Offseason sollen nun beide Schwachpunkte ausmerzen. Die Flügelrotation wurde durch die erwähnten Pierce, Stephenson sowie Wesley Johnson und Rookie Branden Dawson verstärkt, Austin Rivers wurde gehalten. Smith wird wohl den Großteil seiner Minuten als Griffin-Backup abreißen, mit Cole Aldrich kam zudem ein - immerhin großer - Vertreter für DeAndre Jordan.

Insbesondere Pierce wurde aber sicher nicht nur geholt, um ein paar Dreier zu treffen - er soll auch als Stabilisator fungieren für ein Team, das auf der größten Bühne kollabierte und nun zwei weitere Querulanten in die Mannschaft geholt hat.

Rivers arbeitete über Jahre mit "The Truth" in Boston zusammen und weiß, welchen Wert der nunmehr 37-Jährige als Leader haben kann. Er ist genau die Art von Spieler, die den Clippers zuletzt gefehlt hat - und einer der wenigen aktuellen Spieler, die auch von einem kleinen "General" wie CP3 Respekt verlangen können.

Bad Guy aus Leidenschaft

Außerdem ist Pierce jemand, der sich schon lange nicht mehr im Geringsten darum schert, was die Leute von ihm halten. Als er in Toronto zum Staatsfeind ernannt wurde, nahm er diese Rolle bereitwillig an, spuckte die richtigen Zitate aus - und gewann. Ihm macht es umso mehr Spaß, wenn ihn das gegnerische Publikum nicht leiden kann.

Vielleicht ist es genau diese Einstellung, die er seinem neuen Team einflößen sollte. Sie werden in der kommenden Saison nicht die Lieblinge der Liga sein, egal wie viele Alley-Oops und Highlight-Dunks Griffin oder Jordan durch die Reuse schmettern. Dieser Zug ist abgefahren. Genau das können sie aber zu ihrem Vorteil nutzen - und vielleicht endlich den nächsten Schritt machen.

Der Clippers-Kader im Überblick

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