Namhafte Free Agents verzichteten auf mehr Geld, weil sie nicht zu den Sacramento Kings wechseln wollten. Die Gründe sind schnell gefunden: Niemand in der ganzen Franchise verfügt über Jobsicherheit, Coach George Karl und Superstar DeMarcus Cousins sind offensichtlich nicht kompatibel. SPOX analysiert das Pulverfass im Norden Kaliforniens.
Es sorgt immer wieder für Aufsehen, wenn Spieler auf mehr Geld verzichten, um sich einem ambitionierten Team anzuschließen. David West entschied sich am Montag trotz lediglich 1,4 Millionen Dollar Gehalt für die Spurs, obwohl er per Player Option bei den Pacers zwölf Millionen bekommen hätte.
"Eine Frechheit von West!", sagten die einen, die Wettbewerbsverzerrung witterten. "Toller Typ! Geld ist nicht alles", sagten die anderen, die Wests Streben nach seiner ersten Championship respektierten. Eins war allen gemein: Die Bewunderung für die Spurs, die es "mal wieder" geschafft hatten und ihrer ohnehin spektakulären Offseason noch die Kirsche aufsetzten. Die so reizvoll sind, dass ein gestandener Veteran wie West über 10 Millionen Dollar dafür "zahlt", um in San Antonio zu spielen.
Niemand verzichtete in diesem Sommer auf dermaßen viel Geld wie West, er war aber nicht der einzige. Auch Monta Ellis und Wesley Matthews hätten beispielsweise ein üppigeres Gehalt beziehen können, als es ihnen nun in Indiana beziehungsweise Dallas bezahlt wird. Sie hatten nur keine Lust auf das Team, das ihnen am meisten geboten hatte.
Womit relativ schnell deutlich wird, welches Ansehen die Sacramento Kings derzeit in der Liga genießen.
Die Liga lacht
"Die Kings sind ein Desaster. Die ganze Liga lacht über sie", schrieb der in der NBA sehr gut vernetzte Zach Lowe von Grantland vor wenigen Tagen. Danach gelangen ihnen zwar noch einige solide Verpflichtungen wie die von Kosta Koufos oder Marco Belinelli, am katastrophalen Gesamtbild änderten diese allerdings auch nicht viel.
Die Free Agency 2015 im Überblick!
Die Kings als dysfunktionale Familie zu bezeichnen, würde einer dysfunktionalen Familie nicht gerecht. Ein Trend, der sich in den letzten Jahren immer wieder angedeutet hat, fand in dieser Offseason seinen bisherigen Höhepunkt.
Ein kurzer Überblick: Im Mai 2013 übernahm Vivek Ranadive die Franchise von den Maloof-Brüdern, die ihrerseits als ziemlich katastrophale Team-Owner galten. Früh erzielte Ranadives Gruppe mit Unterstützung von Bürgermeister und Ex-NBA-Spieler Kevin Johnson ihren ersten Erfolg, als sie sich gegen ein Angebot aus Seattle durchsetzten und gewährleisteten, dass die Kings in Sacramento blieben.
Der heißeste Stuhl der Liga
Das war allerdings der bisher einzige echte Erfolg, wenn man von DeMarcus Cousins' Nominierung fürs All-Star Game absieht. Ranadive hat sich mittlerweile einen Namen gemacht als jemand, dessen Allzweck-Lösung immer und immer wieder "Personal austauschen" lautet. Unabhängig davon, ob es sich um Coach, Manager oder Spieler handelt.
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Besonders kurios sind die Entscheidungen auf dem Trainerposten. Mike Malone wurde während der vergangenen Saison gefeuert, obwohl er als einziger Trainer bis dato wirklich mit Cousins, dem designierten Franchise Player in Sacramento, arbeiten konnte. Tyrone Corbin durfte sich kurzzeitig versuchen, bis mit George Karl ein Hall-of-Famer geholt wurde, dessen Spielphilosophie einen Spieler wie Cousins eigentlich nicht vorsieht und der sich bisher noch bei jedem Job in Personalentscheidungen eingemischt hat.
Eigentlich war daher auch niemand, der die Karriere des Trainers einigermaßen verfolgt hatte, überrascht, als Karl kurz vorm Draft Gerüchten zufolge einen Trade von Cousins forderte. Ranadive offenbar schon. Der Besitzer reagierte furios, wollte Karl feuern und durch Kentucky-Coach John Calipari ersetzen. Der sagte allerdings - wenig überraschend - prompt öffentlich ab.
"Ich habe den besten Job im Basketball", sagte Calipari. Er hätte auch hinzufügen können: "Warum sollte ich Kentucky verlassen, um in Sacramento Gefahr zu laufen, der nächste Sündenbock zu werden?"
Stauskas? Stauskas!
Coaching ist allerdings bei weitem nicht der einzige regelmäßig fluktuierende Posten in der Hauptstadt Kaliforniens. Auch im Management werden immer wieder Leute ausgetauscht. Derzeit ist Vlade Divac am Ruder, der zuletzt als internationaler Scout in der NBA gearbeitet hatte. Vor zehn Jahren.
Zuletzt gelangen ihm zwar besagte solide Verpflichtungen, allzu positiv ist sein Bild bisher dennoch nicht. Das liegt allen voran an einem Trade, der - so er denn von Divac und nicht von Ranadive eingefädelt wurde - für Kopfschütteln sorgte. Stichwort "Stauskas? Stauskas!"
Vergangene Woche schickten die Kings ihren letztjährigen Lottery-Pick Nik Stauskas gemeinsam mit Carl Landry und Jason Thompson nach Philadelphia, um Cap-Room freizuschaufeln. Ein potenziell wichtiger Pick-Swap war auch involviert. Da müsse es wohl Zusagen von ihren Wunschspielern Matthews und Ellis geben, dachte man zunächst. Dies war offensichtlich aber nicht der Fall.
Kennt Divac die Stretch-Provision?
Selbst wenn es so gewesen wäre, hätte es jedoch andere Möglichkeiten gegeben, Raum zu schaffen. Beispielsweise durch die Stretch-Provision. Der Trade war dermaßen einseitig, dass Experten wie Lowe oder Tom Ziller sich ernsthaft fragten, ob die Kings ihn nachträglich platzen lassen würden - und ob das Front Office überhaupt wisse, was die Stretch-Provision ist.
spoxZur Erklärung: Die Stretch-Provision ermöglicht es, vertraglich garantiertes Geld über einen längeren Zeitraum auszudehnen, um den Salary-Cap zu entlasten. Hätten sie Landry, dem in den nächsten zwei Jahren noch 13 Millionen Dollar zustehen, einfach entlassen, hätten die Kings ihm das Geld laut Cap-Experte Larry Coon via Stretch-Provision einfach über fünf Jahre auszahlen und Stauskas, eines ihrer wenigen preiswerten Assets, entweder halten oder für echten Gegenwert abgeben können.
So viel zur Kompetenz im Management-Bereich. Ganz zu schweigen davon, dass beide Wunschspieler designierte Shooting Guards waren - also die Position, auf der die Kings mit ihren Lottery-Picks 2013 Ben McLemore und 2014 eben Stauskas holten. Und dass Stauskas' Shooting nun durch den teureren und deutlich älteren Belinelli ersetzt wurde. Und dass Stauskas noch vor kurzem zum großen Publikumsliebling aufgebaut werden sollte. Und so weiter, und so fort.
Rondo - was könnte da schief gehen?
Das Beste an der Offseason? Es geht weiter! Einen namhaften Free Agent haben die Kings nämlich doch noch verpflichtet. Wenngleich dessen Ruf und Marktwert definitiv schon mal besser waren - und er sich wohl auch nur deshalb für Sacramento entschied, weil sich die Angebote stark in Grenzen hielten. Sein Name: Rajon Rondo.
Auch hier kann man schwerlich davon ausgehen, dass Karl mit der Verpflichtung allzu glücklich war. Der Coach mag Shooting, Tempo und Ball-Movement - Rondo macht das Spiel gerne langsam, dominiert den Ball und warf zuletzt sogar Freiwürfe, als orientiere er sich an DeAndre Jordan. Vom Streit mit Mavericks-Coach Rick Carlisle ganz zu schweigen. Was könnte da schief gehen?
Auch für Cousins ist die Situation interessant, wenn auch nicht neu. Der Center hatte bereits vor einem Jahr im BS Report von Bill Simmons den Überblick verloren, wie viele Starting Point Guards er in seiner Karriere bei den Kings schon neben sich hatte. Seitdem kamen mit Darren Collison und nun Rondo zwei weitere hinzu.
Interesse an Dennis Schröder, Eric Bledsoe und Ty Lawson wurde den Kings in den vergangenen Wochen ebenfalls nachgesagt, obwohl Collison eigentlich eine überraschend gute Saison hinter sich hat. Das Chaos auf der Eins geht mittlerweile so weit, dass sich kürzlich selbst Ex-King Isaiah Thomas via Twitter darüber lustig machte.
Die Komponenten des Chaos'
Zusammengefasst gehen die Kings mit folgenden Komponenten in die neue Saison, sollte bis dahin nichts Gravierendes wie etwa ein Trade von Boogie geschehen: mit einer "lame duck" als Trainer; einem unzufriedenen Superstar; einem Trainer und einem Superstar, die nicht zusammen arbeiten wollen; einem "schwierigen" Point Guard, der für einen neuen Vertrag spielt; einem Rookie namens Willie Cauley-Stein, der ebenfalls als "schwierig" gilt; kaum Spacing um den dominanten Lowpost-Spieler der Liga.
Über allem steht ein Besitzer, der dafür gesorgt hat, dass kein Mensch in der ganzen Franchise über so etwas wie Jobsicherheit verfügt. Nicht die Spieler, nicht der General Manager und ganz sicher nicht der Trainer. Die Antithese einer angenehmen, motivierenden und fördernden Arbeitsatmosphäre.
Niemand kann den Herren Ellis, Matthews oder Calipari einen Vorwurf machen, dass sie sich dem Pulverfass namens Sacramento Kings nicht aussetzen wollten. Geld ist eben nicht immer alles.