NBA

Ein General im Kindergarten

Tobias Harris und Elfrid Payton gehören zum jungen und talentierten Kern der Magic
© getty

Die Orlando Magic haben in den Jahren nach Dwight Howard jede Menge Talent angesammelt, bisher fehlte es aber an einer klaren Spielphilosophie. Die soll der neue Coach Scott Skiles nun etablieren. Elfrid Payton und Co. wollen unbedingt die Playoffs erreichen - und die Chancen stehen keineswegs schlecht.

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68. So viele Siege haben die Magic geholt, seitdem Dwight Howard seinen Trade forciert hat. Drei Jahre ist das nun her. Die letzte Saison schloss Orlando wie schon in den Jahren zuvor auf dem letzten Platz der Southeast Division ab, mit den Playoffs hatte das Team erneut nichts zu tun.

Zudem wurde während der Saison Head Coach Jacque Vaughn gefeuert und interimsmäßig durch James Borrego ersetzt. Ein verständlicher Schritt, da es während seiner Amtszeit einfach viel zu wenig Fortschritt gegeben hatte und das Team keinem klaren Plan zu folgen schien.

Vor diesem Hintergrund mag es überraschen, dass Elfrid Payton kürzlich sagte, sein Team müsse im kommenden Jahr die Playoffs erreichen. "Die Zeit ist reif", sagte Payton zu Basketball Insiders. Ob man ihm da zustimmt oder nicht - sein Optimismus kommt nicht von ungefähr. Die Zukunft Orlandos erscheint wesentlich rosiger, als es die Bilanz der letzten Jahre andeuten würde.

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Erste Priorität Harris

Das liegt auch an der durchaus produktiven Offseason 2015. Spektakuläre Moves waren zwar Mangelware, die hatte General Manager Rob Hennigan angesichts des jungen und talentierten Kaders aber auch nicht nötig. Seine Hausaufgaben hat der Personaler dafür erledigt.

Die beiden wichtigsten Entscheidungen des Sommers waren zweifelsohne über den Nummer-5-Pick und die Zukunft von Tobias Harris zu fällen. Harris wurde für 4 Jahre und 64 Millionen Dollar gehalten. Eine hohe Summe, keine Frage. Trotzdem sinnvoll: Harris wurde gerade erst 23 Jahre alt und verfügt noch über massig Upside. Zudem ist er schon jetzt ein sehr kreativer Scorer, der Orlando sonst abgeht.

Er hat natürlich seine Schwächen, insbesondere in der Defense und als Passgeber. Harris hat als Video-Nerd und Perfektionist aber auch den Anspruch, an diesen Schwächen zu arbeiten. "Wir glauben zu 100 Prozent an seine Arbeitseinstellung", erklärte Hennigan. Eine realistische Einschätzung, zumal Harris bisher in jeder seiner Saisons Fortschritte gemacht hat.

Zudem ist sein Vertrag absteigend strukturiert. Will sagen: Harris bekommt in der Saison 2016/17 17,2 Millionen, in den Jahren danach fällt sein Gehalt aber auf 14,8. Diesen zusätzlichen Spielraum kann Orlando nutzen, um beispielsweise Payton oder Victor Oladipo mit neuen Verträgen auszustatten, wenn deren Rookie-Kontrakte auslaufen.

Der Kobe aus Kroatien

Im Draft kam mit Mario Hezonja alias dem "kroatischen Kobe Bryant" ein Spieler, der nominell die gleiche Position wie Oladipo besetzt - der Pick war dennoch sinnvoll, auch wenn Orlando am liebsten Kristaps Porzingis geholt hätte. Hezonja bringt ein Plus an Shooting in den Backcourt, das diesem bisher abging.

Angesichts seiner Länge (2,02 m) sollte er auch mit Oladipo koexistieren können. Mit seiner Jugend und Athletik passt er zudem bestens zum bereits existenten Kern des Teams um Nikola Vucevic, Aaron Gordon, Evan Fournier, Harris, Payton und Oladipo. Shabazz Napier, der für einen heftig geschützten Zweitrundenpick aus Miami kam, könnte womöglich ebenfalls dazustoßen.

Hennigan baute aber nicht ausschließend auf die Jugend, sondern holte mit C.J. Watson und Jason Smith auch noch zwei etablierte Veteranen nach Disney-Land. Insbesondere Watson dürfte das Team als dringend benötigter Backup-Aufbau kurzfristig besser machen. Ähnlich wie der neue Mann an der Seitenlinie.

Skiles steht für schnelle Resultate

Skiles hat zwar nicht überall den besten Ruf, zumal er als General beziehungsweise "hard-ass" gilt und seine Teams nach einigen Jahren "auszubrennen" scheint - mehr als fünf Saisons hat er weder in Phoenix, noch in Chicago oder Milwaukee verbracht. Gleichzeitig steht der Coach aber für schnelle Resultate, ein recht gutes Händchen mit jungen Spielern und einen klaren Fokus auf die Defensive.

Alle Teams, die Skiles bisher gecoacht hat, wurden von ihm binnen der ersten beiden Jahre in die Playoffs geführt, die Bulls brachte er 2004 sogar erstmals seit der Jordan-Ära in die Postseason. Unter ihm wurde Ben Gordon als Rookie Sixth Man of the Year, Brandon Jennings schrammte nur knapp am "ROTY"-Award vorbei. In fünf seiner acht Trainerjahre erreichte Skiles' Team die Top 5 bei der defensiven Effizienz.

Mit dieser Vita passt er vom Profil her sehr gut nach Orlando - gemessen an den Zielen, dem Kader, aber auch den Problemen der Magic. Denn defensiv besteht bei den Magic viel Luft nach oben, auch wenn Oladipo und Payton gute Individualverteidiger sind. Harris und Vucevic sind es bekanntlich nicht - in der vergangenen Saison erlaubten nur zwei Teams ihren Gegnern eine höhere effektive Feldwurfquote (51,4 Prozent).

Skiles: Oldschool wie kein anderer

(Aaron) Gordons Rückkehr dürfte helfen, allerdings werden sich auch die anderen steigern müssen. Wer sich defensiv nicht reinhängt, spielt unter Skiles nicht - in dieser Hinsicht ist er oldschool wie kaum ein anderer Coach. "Man kann junge Spieler nicht entwickeln, wenn man nicht viel von ihnen verlangt", erklärte Skiles kürzlich, "man muss sich trauen, sie herauszufordern."

Diese Philosophie hat sich bei vielen jungen Spielern unter ihm bereits bewährt. Er hält seine Youngster an der kurzen Leine, gibt ihnen aber auch Spielraum und -zeit. Das könnte sich gerade bei Hezonja, dessen überbordendes Selbstbewusstsein schon jetzt legendär ist, als wichtig erweisen. Skiles könnte der richtige Mann sein, um aus dem Riesentalent einen echten Profi zu machen.

Mätzchen erlaubt er traditionell nicht. Er scheut auch keine Konfrontation - als Spieler legte sich der 1,85-Meter-Mann einst mit Shaquille O'Neal an, seine Schiri-Schelten sind berüchtigt. Auch die eigenen Spieler bekommen mal ihr Fett weg. Auf die Frage, was sein damaliger Center Eddy Curry beim Rebound verbessern könnte, entgegnete er einst nur "Springen", ohne dabei eine Miene zu verziehen.

Die Offense klebt nicht mehr

Skiles wird der jungen Truppe aber nicht nur in Sachen Toughness und Defense helfen können. Auch sein offensives System stellt ein Upgrade dar - zumal das Wort "System" bei den Magic zuletzt ohnehin nur mit viel Wohlwollen benutzt werden konnte. Nur drei Teams wiesen ein schlechteres Offensiv-Rating auf als Orlando (99,6).

Das lag zum großen Teil daran, dass der Ball nur relativ wenig bewegt wurde. Insbesondere Harris gilt bisher als Ballstopper, der den Assist nur an Feiertagen spielt. Insgesamt spielten die Magic pro Partie nur 282,2 Pässe und gehörten damit zu den "klebrigeren" Teams, wie Gregg Popovich sagen würde (die Spurs spielten 346 Pässe pro Spiel).

Skiles' Teams hingegen lebten offensiv von reichlich Ball-Movement. Für Harris' Weiterbildung als Passgeber hat sich der Coach ebenfalls schon etwas überlegt: Wie der Forward zu Grantlands Zach Lowe sagte, wird er in der kommenden Saison deutlich mehr Pick'n'Rolls als Ballhandler ausführen dürfem. So soll er mehr ins Spiel eingebunden werden und lernen, den Gegner nicht nur durch den eigenen Wurf zu bedrohen.

Hoffen auf internes Wachstum

Es sind diese Schritte, diese impliziten Entwicklungsschritte der jungen Spieler, auf die Hennigan und Co. in erster Linie bauen. Bei Payton und Oladipo geht es in erster Linie um den Wurf, bei Harris um Defense und Passspiel, bei "Vucci Mane" um die Rim-Protection. Sie alle haben individuelle Ziele, bei deren Erreichen ihnen Skiles helfen soll.

Angesichts seiner Vita liegt das durchaus im Rahmen der Möglichkeiten. "Wir können nicht wieder bloß 20 Siege holen", sagte Vucevic und auch dieses Ziel sollte Orlando erreichen. Das Potenzial ist da, Skiles muss aus der vorhandenen Masse nun ein echtes Team formen.

"Dieses Team könnte richtig gut werden", sagte Harris kürzlich. "Es ist nur eine Frage der Zeit." Es hängt in erster Linie von den Spielern selbst ab, ob und wie schnell diese Aussage wahr werden kann.

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