Erfolg ist ein Wort, dass seit 2012 zu den Sixers so gut passt wie Schnee in die Sahara. Die Fans sind extrem leiderprobt. Satte 127 Spiele hat Philly in den letzten beiden Saisons verloren. Zudem hat die Franchise mit Michael Carter-Williams und K.J. McDaniels zwei vielversprechende Youngster getra-det und auch mit anderen fragwürdigen Personalentscheidungen den Anschein erweckt, als sei Fortschritt nicht angestrebt. Einer den wenigen Hoffnungsschimmer war Nerlens Noel, der 2014/15 aber im Frontcourt kaum Qualität an seiner Seite hatte. Bis jetzt. Denn nun ist Jahlil Okafor da. Und der 125-Kilo-Schrank ist bereit für die ultimative Herausforderung bei den notorischen Losern.
Ein Leben im Rampenlicht
"Ich war an der Highschool der an 1 gerankte Spieler des Landes, stand also voll im Rampenlicht. Ich habe die Duke University besucht-, eine der größten Unis, und bin Champion geworden. Ich bin Aufmerksamkeit gewohnt und ich denke, dass ich damit gut umgehen und als neuer Franchise Player- mithelfen kann, dass dieses Team wieder Erfolg haben wird!", sagt Okafor, der direkt die erste Offsense-Option der Sixers sein wird, selbstbewusst. "Zumal meine- Rolle genau wie bei Duke klar ist: Ich muss dominieren!"
Doch der Druck ist nur ein Aspekt-, nur eine Herausforderung. Der 2,11-Meter-Mann, der erst am 15. Dezember seinen 20. Geburtstag feiert, wird in seinem ersten NBA-Jahr in jedem Spiel auf Verteidiger von einem völlig neuen Kaliber treffen. Gegner, die eine ganz andere Qualität, Physis und Erfahrung mitbringen als die am College. Es sind Defender, die einen Rookie gern zum Frühstück verspeisen, die ihm mit einem schmerzhaften "Willkommen in der Liga der großen Jungs" begrüßen werden. Er wird erstmals mit Niederlagen ohne Ende klarkommen müssen. Mit Heimspielen vor vielen leeren Sitzen. Und mit miesen Kollegen, die nur in einigen wenigen Fälle NBA-Niveau haben.
Allein auf weiter Flur
Im Frontcourt trifft das nur auf Nerlens Noel und Carl Landry zu. So wird Jahlil massig Minuten spielen, kann Fehler machen und neben Defensivspezialist Noel, mit dem er sich von den Skills her perfekt ergänzt, reifen. Deshalb geht er auch als heißester Kandidat auf den "Rookie of the Year"-Award in die Saison. Das Potenzial dazu hat er.
Denn überragende Postmoves, gepaart mit exzellenter Fußarbeit für einen Mann seiner Statur, machen- ihn zu einem ganz und gar außergewöhnlichen 19-Jährigen. Okafor wirkt allein von der ruhigen Art seines Spiels, als wäre es schon Anfang 30. Allerdings bemän-geln Kritiker, er habe auch nur die durchschnittliche Athletik vieler Routiniers. Dass er kein herausragender Springer ist, zeigte sich in der Summer League, in der Jahlil sehr oft geblockt wurde, was aber natürlich auch seiner mangelnden Erfahrung geschuldet war.
Zumal der Youngster mit seinen Anlagen (riesige Hände, extrem lange Arme, Robustheit) sowie seiner starken Fußarbeit mittelmäßige Dynamik wettmacht - oder eher wettgemacht hat. Gegen Teenager und maximal drei Jahre ältere Collegespieler. Ob das gegen Jungs wie Dwight Howard, DeMarcus Cousins oder Marc Gasol ähnlich klappt, ob er eine junge Version von Al Jefferson werden kann, das wird die Zukunft zeigen...
Fakt ist aber: Jahlil, der als erster Freshman zum Player of the Year der Atlantic Coast Conference gewählt wurde, ist ein No-Brainer. Er wird liefern. 17,3 Punkte, 8,5 Rebounds, 1,4 Blocks pro Partie bei einer Wurfquote von 66,4 Prozent hat er für Duke aufgelegt - so sieht am College Dominanz aus. Und mit seinem Skill-Set kann er auch in der NBA glänzen.
Vergleiche mit Legenden
Okafor ist ein eleganter Oldschool-Center der Marke Hakeem Olajuwon oder Pat Ewing, der mit beiden Händen hochprozentig abschließt, über ein großes Arsenal an Postmoves sowie einen guten Midrange-Jumper verfügt. Damit ist er ein Spielertyp, wie er selten geworden ist in der von Small Ball geprägten NBA. Eine echte Lowpost-Präsenz. Ein Center, der im Halfcourt-Set-Play glänzt.
Fakt ist aber auch, dass Philly- erneut einen der schwächsten Kader der Liga hat. Mit Ausnahme von Okafor, Noel, Nik Stauskas und Carl Landry haben alle Jungs bestenfalls unterdurchschnittliches NBA-Niveau, auch Konstanz sucht man vergebens - seit 2013 liefen 43 Spieler für die Sixers auf! Die Folge: 2013/14 stellten sie mit 27 Pleiten in Folge den NBA-Rekord ein, 2014/15 starteten sie mit 17 Niederlagen. "Die letzten -Jahre waren hart", sagt Coach Brett Brown. "2014/15 hatte ich sieben Point Guards. Sieben! Das sagt doch schon alles. Bei uns allen ist die extremste Art Geduld gefragt, denn viele Jungs sind erst 19 oder 20 und müssen von uns zu Männern entwickelt werden!"
Daran ändert sich auch 2015/16 nichts. Denn trotz des neuen Hoffnungsträgers Jahlil Okafor wird es in Philly erneut eine lange Saison. Die Fans werden weiter leiden, Erfolg wird wieder ein Fremdwort sein. Traurig, aber wahr: Es wäre fast eine Überraschung, wenn diese Truppe 25 Siege holen würde. Daran kann selbst ein Top-Youngster wie Okafor mit seinen breiten Schultern und seinen feinen Postgames (noch) nichts ändern.
Der Artikel erscheint in der BASKET 11/2015