SPOX: Herr Goldstein, Sie sind seit 1964 Dauerkarteninhaber bei den Los Angeles Lakers - obwohl Sie die Mannschaft gar nicht mögen. Warum?
James Goldstein: Das ist noch sehr freundlich ausgedrückt! Die Lakers waren schon immer die Mannschaft, die ich am wenigsten leiden konnte. (lacht)
SPOX: Woher kommt diese Abneigung?
Goldstein: Ich bin in Milwaukee im Norden der USA aufgewachsen, also gab es für mich nach meinem Umzug nach Los Angeles keinen Grund, nun unbedingt die Lakers zu unterstützen. Das Selbstverständnis des Teams und der Fans, stets Meisterschaften gewinnen zu müssen und die angebliche Traumfranchise jedes Spielers zu sein, ist völlig daneben.
SPOX: Die letzte Spielzeit war die schlechteste der Lakers-Geschichte: Zum zweiten Mal in Folge wurden die Playoffs verpasst, das Team um die alternde Ikone Kobe Bryant scheint auch in der aktuellen Saison wenig konkurrenzfähig. Oder?
Goldstein: Fans und Franchise sind wie paralysiert. Man hat noch nicht begriffen, dass der die Organisation nicht mehr dieselbe Anziehungskraft auf Topspieler hat wie früher. Ich muss ja zugeben, dass ich die derzeitige Situation bei den Lakers mit großer Genugtuung verfolge - genau wie den Aufstieg der konkurrierenden Clippers.
SPOX: Sehen Sie es als Wachablösung?
Goldstein: In der Stadt selbst nicht. Die Clippers bekommen noch immer nicht die Anerkennung, die sie eigentlich verdienen. Ein Beispiel: Vor kurzem waren bei einem Baseball-Spiel der L.A. Dodgers ein paar Clippers-Akteure zu Gast und wurden vom Stadionsprecher begrüßt - aber vom Publikum ausgebuht. Die Menschen in Los Angeles identifizieren sich durch die jahrzehntelangen Erfolge noch immer mehr mit den Lakers.
SPOX: Wie ist es bei Ihnen?
Goldstein: Neben der Lakers-Jahreskarte habe ich auch eine für die Clippers - und zwar seit die Mannschaft 1984 von San Diego nach L.A. gezogen ist. Bei beiden Teams habe ich zwei Plätze direkt in der ersten Reihe am Spielfeld. Dazu reise ich noch zu Playoff-Spielen verschiedener Teams.
SPOX: Der frühere Commissioner David Stern hat Sie einmal als "den größten Investor der Liga-Geschichte" und als " Superfan" geadelt. Bedeutet Ihnen das etwas?
Goldstein: Natürlich genieße ich die Anerkennung und Würdigung meiner lebenslangen Liebesbeziehung mit der NBA. Den Begriff "Superfan" halte ich für zu klischeebehaftet. Aber ich weiß es sehr zu schätzen, wenn man mich als No. 1 Fan bezeichnet - es gibt wohl niemanden, der so viele Spiele gesehen hat und so viel gereist ist wie ich. Nach meiner vorsichtigen Schätzung sind es mittlerweile zwischen 4000 und 5000.
SPOX: Wann hat es denn gefunkt in der "Liebesbeziehung"?
Goldstein: Als ich zehn Jahre alt war, nahm mich mein Vater mit zu einem Spiel der Milwaukee Hawks, die damals gerade aus St. Louis umgezogen waren und nur wenige Jahre später nach Atlanta umsiedelten.
SPOX: Eine ganz andere Zeit...
Goldstein: Kein Vergleich zu heute! Damals kamen zu einem Spiel vielleicht 2000 Zuschauer. High-School- und College-Basketball waren weitaus beliebter und bekannter. Trotzdem war ich sofort fasziniert von der Finesse, der Eleganz des Spiels. Mit 15 hatte ich die Chance, für den damaligen TV-Kommentator als Statistiker zu arbeiten - also einfach alle Spielereignisse auf einem Bogen zu vermerken. Der Job war zwar unbezahlt, aber ich durfte direkt am Spielfeld sitzen und jedes Heimspiel sehen. Diese Erfahrung hat meine Liebe zum Sport richtig gefestigt.
SPOX: Konnten Sie mit Ihrer Begeisterung damals andere anstecken?
Goldstein: Im Gegenteil. Niemand konnte verstehen, was ich denn am Basketball so toll fand - aber ich machte einfach weiter und hatte meinen Weg gefunden: An der High School habe ich in Schülerzeitungen geschrieben, am College Vorträge gehalten - immer über die NBA. Noch heute lese ich während der Saison jeden einzelnen Spielbericht und schaue auf die Statistiken aller Liga-Spiele.
SPOX: Heute ist die NBA eine der populärsten Sportligen der Welt, ein Milliardenunternehmen - was hat sich aus Ihrer Sicht am meisten verändert?
Goldstein: Der Bekanntheitsgrad ist unglaublich gestiegen - allein schon der neue TV-Vertrag über 24 Milliarden US-Dollar zeigt ja die enorme Beliebtheit der NBA. Als ich anfing, die Lakers-Spiele zu besuchen, kostete ein Ticket für einen Platz direkt am Spielfeld 15 US-Dollar. Heute sind es 2750 US-Dollar. Pro Spiel, wohlgemerkt. Alles ist größer, bunter, lauter geworden - aber das sind doch positive Entwicklungen, wenn sie dabei helfen, junge Menschen für diesen Sport zu begeistern.
SPOX: Stichwort "bunter" - mit Ihrem Cowboyhut und den extravaganten Outfits namhafter Designer fallen Sie auch zwischen tausenden Zuschauern am Spielfeldrand auf, regelmäßig lassen sich Top-Spieler stolz mit Ihnen fotografieren...
Goldstein: Und genau das liebe ich! Seit meiner Schulzeit ist in mir dieser Drang, den anderen modisch stets einen Schritt voraus zu sein.
SPOX: Sind Sie ein Rebell?
Goldstein: Gar keine Frage! Ich hatte schon immer eine rebellische Ader in mir und wollte mich von der Masse abheben. Im Basketball unterstütze ich immer den Underdog, den Gast. Wenn tausende Fans um mich herum wie von Sinnen ein Team anfeuern, dann muss ich fast schon reflexartig dem anderen die Daumen drücken. (lacht)
SPOX: Haben Sie dadurch eine andere Beziehung zu Spielern als der Rest des Publikums?
Goldstein: Natürlich. Ich stehe auch auf dem Parkett, während die Spieler sich aufwärmen. Sobald sie mich sehen, komme ich mit dem Händeschütteln gar nicht mehr nach. Es bedeutet mir unglaublich viel, dass die Spieler mich erkennen und sich gern mit mir unterhalten. Dirk Nowitzki ist ein tolles Beispiel. Er ist schon seit vielen Jahren einer meiner Lieblingsspieler und war immer unglaublich freundlich und liebenswürdig zu mir. Vor jedem Spiel kommt er zu mir rüber und sagt hallo. Meine allerliebste Erinnerung ist aber eng mit den Houston Rockets in den Playoffs 1995 verknüpft.
SPOX: Die Mannschaft, um den Center Hakeem Olajuwon, die in jener Saison ihre zweite Meisterschaft in Folge gewann...
Goldstein: Genau! Hakeem, Clyde Drexler, Kenny Smith, Sam Cassell - mit allen bin ich noch heute befreundet. Irgendwie ergab es sich damals, dass ich zum Glücksbringer der Mannschaft wurde. Ich war ein Teil des Teams und bei allen Trainingseinheiten der Mannschaft, zu denen eigentlich weder Fans noch Journalisten zugelassen waren - dabei. Ich durfte sogar selbst mitmachen. Im Halbfinale trafen die Rockets auf die San Antonio Spurs, und alle Augen waren auf das Duell von Olajuwon und David Robinson gerichtet, der gerade zum MVP gewählt wurde. Hakeem dominierte die Spiele - und ein bisschen habe ich damals zum Titel beigetragen. (lacht)
SPOX: Das müssen Sie erklären.
Goldstein: Ich hatte bemerkt, dass Robinson - ein hochklassiger Verteidiger - nicht auf Hakeems berühmte Wurffinten hereinfiel. Ich sagte ihm: "Steig einfach direkt hoch zum Wurf, Robinson wird damit nicht rechnen." Im nächsten Spiel machte Hakeem dann 42 Punkte. Nach der Partie umarmte er mich und sagte: "Danke Jim, Dein Rat war Gold wert."
SPOX: Aktuell steigen immer mehr Prominente als Teil-Eigner in NBA-Franchises ein, Ex-Microsoft-Chef Steve Ballmer übernahm im letzten Jahr die Clippers - war das nie eine Option für Sie?
Goldstein: Das war immer mein größter Traum - aber finanziell war das für mich unmöglich. Ich hätte in eine Investorengruppe einsteigen müssen, ständig hätten alle Entscheidungen besprochen werden müssen. Ich bin lieber ein Einzelgänger, der niemandem Rechenschaft ablegen muss. Viele sind gar nicht aus Begeisterung für den Sport dabei, sondern aus finanziellen Gründen. Das kann ich zwar verstehen, aber ich sehe lieber Verantwortliche, die mit Herz und Seele beim Spiel sind.
SPOX: James Goldstein, ein Basketball-Purist?
Goldstein: Ich möchte einfach nur schönen, offensiven, spannenden Basketball sehen. Deswegen freut es mich auch sehr, dass die Golden State Warriors die Meisterschaft gewonnen haben - die attraktive Spielweise der Mannschaft erinnert mich an die 80er, in der meiner Meinung nach der schönste Basketball gespielt wurde. Ich habe kein Lieblingsteam oder gehe in die Halle, um ein Team anzufeuern. Nun ja, außer es geht gegen die Lakers. (lacht)