Es gibt so Tage, da passt einfach alles zusammen. Das wird Paul George derzeit sicher gerne bestätigen, denn Sonntag war für ihn ein solcher Tag. Nicht nur spielerisch, da gab es in den letzten Wochen so einige Tage. Wie das Spiel gegen die Wizards, in dem er für 40 Punkte bloß 19 Würfe nehmen musste. Oder das gegen die Sixers sechs Tage zuvor, in dem er 34 Punkte einstreute.
Doch Sonntag war anders. Zum einen spielte George in seiner Heimat, zum anderen gegen sein Idol Kobe Bryant. Und zu guter Letzt hatte ebendieses Idol wenige Stunden vor dem Spiel in einem Brief angekündigt, nach dieser Saison seine Karriere zu beenden. "Ich wusste, dass es mein letztes Spiel in Los Angeles gegen ihn sein würde. Ich wollte deswegen jeden einzelnen Moment genießen", so George.
Der 25-Jährige erklärte darüber hinaus, dass Kobe sein "Jordan" gewesen sei. "Ich habe mir als Kind immer vorgestellt, er zu sein. Im Garten so getan, als würde ich Game-Winner treffen. Mit einem inneren Countdown: 3... 2... 1... Ich habe mir seine Spiele immer wieder mit meiner Familie angesehen und ihn idolisiert."
Wenn George so weitermacht wie am Sonntag, könnte es irgendwann Kindern mit ihm ähnlich gehen. PG13 nutzte die große Bühne, zauberte 39 Punkte aufs Parkett und war entscheidend daran beteiligt, dass Bryant nur 4 seiner 20 Würfe traf. Bei den Pacers gewöhnen sie sich langsam an diese Galavorstellungen ihrer Nummer 13.
"Der beste Two-Way-Player der Liga"
"Es ist schwer, seinen Einfluss in Worte zu fassen", sagte Coach Frank Vogel kürzlich zur Washington Post. "Er tut so viel. Er kann 40 Punkte machen, die Offense schultern und gleichzeitig der beste Verteidiger auf dem Court sein. Er ist ein wirklich besonderer Spieler und aktuell der beste Two-Way Player der Liga."
In der Tat hat George nochmal einen riesigen Sprung gemacht, nachdem er fast die komplette letzte Saison mit gebrochenem Bein aussetzen musste. Den Horrorsturz beim Training Camp von Team USA hat fast jeder Basketball-Fan noch in hässlicher Erinnerung, zudem gab es vor der Saison Fragezeichen, da die Pacers auf Small-Ball umstellen und George dabei zum Power Forward umfunktionieren wollten - was der nicht unbedingt freudenschreiend begrüßte.
Dementsprechend verwundert reagierte man, als George sagte, er wolle "in dieser Saison MVP werden." Aber: Nach mittlerweile 16 Spielen rührt die Verwunderung daher, dass George tatsächlich auf MVP-Niveau agiert - und seine Pacers bis dato zu einer überraschend starken 11-5-Bilanz, der zweitbesten im Osten, geführt hat.
Auf den Spuren der Größten
Statistisch bewegt er sich dabei auf einem Level, der in der Geschichte nur ganz selten erreicht wurde. George legt derzeit 27,2 Punkte, 8,1 Rebounds und 4,4 Assists bei einer True Shooting Percentage von 60,5 Prozent auf. Die einzigen Spieler, die dies über eine Saison geschafft haben? Kareem, MJ, LeBron James und (zweimal) Larry Bird. Nicht die schlechteste Gesellschaft.
Mehr noch als die nackten Zahlen beeindruckt allerdings das Selbstverständnis, mit dem George auftritt. Gerade von der Dreierlinie drückt er mittlerweile viel schneller ab und versenkt dabei mit Abstand die beste Prozentzahl seiner Karriere - 45,5 Prozent seiner 7 Dreier pro Spiel finden ihr Ziel (Karriere: 36,8 Prozent), die Tendenz steigt sogar. In den letzten fünf Spielen flogen 51,1 Prozent seiner 9,4 Dreier pro Spiel durch die Reuse!
Wenngleich der Dreier mittlerweile einen größeren Teil in Georges Spiel einnimmt, hat er auch den Drive nicht vergessen. Auch am Korb schließt er mit 57,4 Prozent überdurchschnittlich ab, zudem zieht er noch 7,5 Freiwürfe pro Spiel. Von zögerlichem Spiel nach seiner Verletzung ist absolut nichts mehr zu sehen.
"Es gibt keinen besseren"
Das fiel kürzlich auch Bulls-Guard Derrick Rose auf, der sich mit schrecklichen Rückschlägen ja ebenfalls recht gut auskennt. "Nach so einer Verletzung, die ihn so lange rausgehalten hat, bin ich glücklich darüber, dass er momentan so gut spielt", sagte Rose. "Er ist durch die harte Reha ein besserer Spieler geworden. Er versteht das Spiel etwas besser, übernimmt mehr Verantwortung und trifft die wichtigen Würfe, wenn sein Team ihn braucht."
Rose' Coach Fred Hoiberg stimmte in die Lobeshymnen nahtlos ein: "Derzeit gibt es niemanden in der Liga, der besser spielt als er. Ich freue mich für ihn. Er hat offensichtlich enorm viel Zeit und Arbeit in seine Reha gesteckt, nachdem er sich so übel verletzt hatte. Jetzt ist er in der Form seines Lebens."
Ein gewisser Stephen Curry aus Golden State dürfte Hoiberg zwar korrigieren, abgesehen vom amtierenden MVP gibt es derzeit aber tatsächlich kaum Spieler, die dermaßen aufdrehen wie George. Dabei wurde er im August noch belächelt, als er auf die Frage nach dem besten Spieler der Liga sich selbst nannte: "Ich bin bereit, es der Welt zu zeigen."
In neuer Rolle aufgeblüht
Er ist auf einem guten Weg. Interessanterweise ist es dabei vor allem die nur zögerlich angenommene Rolle als Vierer, in der er am meisten aufblüht: Seine meisten Minuten verbringt er in kleinen Lineups und kommt dabei mit einer Usage Rate von 30 Prozent auf ein absurdes Offensiv-Rating von 113. Er kommt aber auch als Small Forward neben zwei echten Bigs wie Ian Mahinmi und Lavoy Allen bestens klar.
George ist anpassungsfähig - auch weil er das Spiel und seine Rolle darin besser versteht. "Ich konnte im letzten Jahr ja nicht spielen, also beobachtete und studierte ich das Spiel mehr als zuvor", verriet er kürzlich der Washington Post. "Es war ein hartes Jahr, aber es war für mich wichtig, um zu lernen. Ich bin dadurch ein besserer Spieler geworden."
Blitzartiger Umbruch
Die Pacers wird es freuen. Was als Übergangsjahr gedacht war, trägt schon jetzt erste Früchte. Vogel und Team-Präsident Larry Bird haben dem Team im Handumdrehen eine neue Identität verpasst, aus dem "Bully Ball" der letzten Jahre um Roy Hibbert und David West ist binnen kürzester Zeit eins der zehn am schnellsten spielenden Teams der Liga geworden. Die Defense ist trotzdem stark geblieben, aktuell produzieren nur San Antonio und Miami ein besseres Defensiv-Rating.
C.J. Miles und George Hill spielen gute Saisons, Monta Ellis ist trotz schwacher Quoten ebenfalls ein Gewinn für die Pacers. Der Patchwork-Frontcourt um Jordan Hill, Mahinmi und Allen schlägt sich ebenfalls besser als gedacht. Und doch ist es natürlich allen voran George, der Vogel sämtliche Spielereien erlaubt und die Pacers so variabel macht.
Es ist noch früh in der Saison, aber wenn dieser Saisonstart irgendwelche Implikationen für die Zukunft hat, können sich alle Pacers-Fans auf die nächsten Jahre freuen. Ein Paul George in dieser Form ist ohne Frage Superstar, Franchise Player und MVP-Kandidat. Darauf lässt es sich doch ganz angenehm aufbauen.