Sommer 2014 in Texas: Trotz schnaufender Klimaanlagen kocht es in den heruntergekühlten Büros der Houston Rockets und der Dallas Mavericks gewaltig. In der Offseason suchen beide Franchises nach der richtigen Strategie, den geeigneten Puzzleteilen, um gut gerüstet in die kommende NBA-Saison blicken zu können.
Ein großes Thema in den Konferenzräumen ist die Personalie 'Chandler Parsons' - ein früher Second-Round-Pick im 2011er Draft, der sich innerhalb von drei Jahren zu einem produktiven Allrounder entwickelt und in der vergangenen Spielzeit im Dress von Clutch City beachtliche Zahlen aufgelegt hat (16,6 Punkte, 4,6 Rebounds, 4 Assists pro Spiel).
Dallas macht das Rennen
In einem schier undurchsichtigen Dickicht von Möglichkeiten sah Dallas in dem damals 25-Jährigen Restricted Free Agent einen geeigneten Kandidaten, um dem alternden Team einen neuen Schub zu verpassen. Nachdem potenzielle Verpflichtungen von Carmelo Anthony und LeBron James früh utopisch erschienen, legte man Parsons einen Dreijahresvertrag über 46 Millionen Dollar auf den Tisch.
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360 Kilometer südlich arbeiteten die Rockets ebenfalls an der Zukunft. Chis Bosh war das Objekt der Begierde und Parsons' Schicksal in H-Town war eng an die Entscheidung des Heat-Forwards geknüpft. Nur wenn der zweifache Ring-Träger eine Einigung mit den Rockets erzielen sollte, wäre Houston bereit gewesen, das Angebot der Mavericks mitzugehen.
Ein Schwamm für Carlisle
Der finale Schluss ist bekannt. Bosh blieb in Miami, Houston ließ die Möglichkeit verstreichen, das Mavs-Angebot für Parsons zu matchen. Man gab dem günstigeren Trevor Ariza den Vorzug, um dazu die unterdurchschnittliche Verteidigung von Star-Spieler James Harden aufzufangen. Mit großen Vorschusslorbeeren fuhr Parsons also die I-45 Richtung Dallas hinauf, um seiner zukünftigen Franchise ein neues Spiel-Element zu schenken.
"Chandler wird unser Glue-Guy sein. Er kann scoren, passen und Spielzüge kreieren. Er bringt ein großartiges Paket mit", sprach Mavs-Besitzer Mark Cuban nach der Verpflichtung. Dabei setzten die Mavericks vor allem auf Parsons' Arbeitseifer: "Er ist wie ein Schwamm und dürstet nach hartem Training. Wir lieben ihn jetzt schon, er wird sehr wichtig für uns sein", stieg Coach Rick Carlisle in die Loblieder mit ein.
Langwieriges Comeback
Knapp eineinhalb Jahre sind diese Aussagen inzwischen alt. Die erste Saison verlief für den designierten Königstransfer der Mavs recht ordentlich, doch fehlte dem letztjährigen Team die nötige Durchschlagskraft. Gleichzeitig hatte Parsons über die gesamte Spielzeit mit Wehwehchen zu kämpfen und musste wegen anhaltender Knie-Beschwerden in den Playoffs endgültig die Segel streichen.
Die anschließende OP zwang den Forward zu einer langen Pause, die ihn erst im dritten Spiel der neuen Spielzeit aufs Parkett zurückkehren ließ. Seitdem wurde der 27-Jährige sukzessive an die die Mannschaft herangeführt, die seitdem einen großen Sprung gemacht hat, und fand sich erst kurz vor dem Jahreswechsel in der Starting Five wieder. Ein langer Weg, der Spuren hinterlassen hat.
Erinnerungen an die Rookie-Saison
Rechnet man die Einsätze des ehemaligen Florida Gators auf 36 Minuten hoch, dann spielt Parsons offensiv bisher die schlechteste Runde seit seiner Rookie-Saison. Vor allem der Wurf macht gehörig Probleme. Nur knapp die Hälfte aller Versuche von der Foulline fallen durch die Reuse (letzte Saison 72 Prozent), der Dreier ist auf ein Karriere-Tief von 32 Prozent gefallen.
Dadurch geht Parsons gleichzeitig die Effektivität beim Drive ab, obwohl ihm zusammen mit Deron Williams die Aufgabe zukommt, immer wieder die Zone zu attackieren, um eine Balance zum perimeterlastigen Spiel der Mavericks zu schaffen. Alles in allem steht CP derzeit bei mäßigen 9,3 Punkten im Schnitt.
Dieser Umstand lässt sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf den fehlenden Rhythmus des Rekonvaleszenten herunterbrechen. Ansonsten wirkt das Spiel von Parsons recht stabil. Defensiv fügt sich der Rückkehrer gut in die solide Zonen-Verteidigung der Mavs ein und glänzt ansonsten als kluger Ballverteiler.
"Saison startet im Januar"
Nichtsdestotrotz ist Parsons Unzufriedenheit derzeit seine größte Waffe. An nahezu jedem freien Tag steht die Nummer 25 der Mavs mit Coach Carlisle in der Halle, simuliert Würfe aus dem Spiel heraus und werkelt an seiner Rolle im Offensiv-System der Texaner: "Er reißt sich den Hintern auf", lobt Carlisle seinen Schützling: "Er wirkt ziemlich angefressen und er muss weiter angefressen bleiben!"
Diese Unzufriedenheit wurde weiter kanalisiert, indem Parsons lange Zeit bei einer maximalen Einsatzzeit von 25 Minuten gehalten wurde. Gleichzeitig wurden Stimmen laut, er wäre als sechster Mann besser aufgehoben. Allen Umständen zum Trotz übt er sich in Geduld.
Geduld ist gefragt
"Meine richtige Saison startet erst im Januar. In diesem Monat sollte ich wieder bei 100 Prozent sein und keine Spielzeit-Beschränkung benötigen. Dann kann ich wieder den Einfluss ausüben, für den ich nach Dallas geholt wurde." Zusätzlich stachelt die bisher überraschend gute Saison der Mavericks nur noch mehr an.
Dirk Nowitzki erlebt in Tim-Duncan-Manier seinen gefühlt vierten Frühling, Wes Matthews hat sich von seiner Achillessehnenverletzung in Rekordgeschwindigkeit erholt, Zaza Pachulia ist der neue Bretter-Gigant in Dallas und Deron Williams ist auf dem Weg zurück zu alter Stärke. Fehlt nur noch Parsons.
"Er ist sicher noch nicht über den Berg, aber er macht Fortschritte", kommentiert Carlisle den steinigen Weg zurück: "Wir sehen intern viel Positives." Diese Erkenntnis brachte jüngst das erste dicke Ausrufezeichen gegen die Pelicans. Nach dem kräfteraubenden Overtime-Sieg über die Kings erhielt Parsons als einziger regulärer Starter keine Pause. Verantwortung war gefragt!
"Die beste Wing-Combo der Liga"
21 Punkte, 8 Rebounds und 6 Assists beschreiben einen Abend, der direkt in die richtige Richtung weist. Besonders Kollege Matthews freut sich auf einen Parsons in steigender Form, erklärte der Neuzugang noch Ende Oktober, dass ein Tandem der Beiden "die beste Wing-Combo der Liga" sei.
"Wir nähern uns immer mehr an. Noch lernen wir uns nach und nach kennen. Uns fehlen sicher einige Monate der Vorbereitung zusammen, aber wenn wir zueinander finden, werden wir ein furchteinflößendes Duo", sprach Matthews kurz vor dem Rutsch ins neue Jahr.
Erinnerungen an alte Zeiten
Geht die Rechnung auf, erscheint diese Aussage nicht allzu weit hergeholt: Matthews ist einer der besten Wing-Defender der Liga und hat mittlerweile wieder seinen Wurf zurück. Kann Parsons diese Entwicklung mitgehen, sieht Matthews Parallelen mit einem alten Kollegen aus Blazers-Zeiten: "Nic [Batum] und ich hatten ein blindes Verständnis für einander. Wir mussten nicht mal miteinander reden. Das hat allerdings auch seine Zeit gebraucht."
Einzig die schwächere 1-on-1-Verteidigung von Parsons entkräftet diesen Vergleich ein wenig, wobei der wiederum in Normalform über mehr Offensivwaffen verfügt und im Karriere-Vergleich nahezu ein identisches Efficeny Rating aufweist wie Batum.
Timberwolves als nächster Schritt
Solange der 2,06 Meter große Modellathlet nach seiner Form sucht, bleibt diese Analogie dennoch eine bloße Idee. Denn nur einen Tag nach dem überzeugenden Einsatz gegen New Orleans erzielte Parsons mickrige 3 Punkte (1/8 FG) bei der Niederlage gegen die Bucks. Umso wichtiger sind Spiele wie gegen die Pelicans, in denen Parsons die Verantwortung spürt und trägt. Das bedeuet statistisch mehr Erfolg für Dallas. So steht die Franchise in dieser Saison bei 6-1, wenn Parsons mindestens 50 Possesions im Spiel hatte.
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Dazu treffen die übrigen Mavs-Spieler über 50 Prozent ihrer Würfe (42 Prozent 3FG) nach einem Parsons-Pass. Das ist teamintern der höchste Wert bei den Texanern. So geht es nun darum, den Point Forward immer weiter in die überraschend gut geölte Maschine zu integrieren.
Das All-Star-Game als Schallmauer
"Ich erwarte ihn nach dem All-Star-Game wieder komplett zurück. Dann wird er konstant seinen Job erledigen und dem Team jeden Abend weiterhelfen", prognostizierte Carlisle nach dem Bucks-Spiel. Ein nächster Schritt bietet sich gegen die Timberwolves, die nach einem guten Saison-Start inzwischen deutlich abgekühlt sind.
Timberwolves: Flips Vermächtnis
Vor allem das Duell mit Shooting-Star Andrew Wiggins ist ein interessanter Gradmesser für Parsons: "Ich hatte gegen die Pelicans schon mit [Anthony] Davis das Vergnügen und habe gegen ihn viel Defensiv-Arbeit verrichten müssen. Das war eine riesige Herausforderung, hat mir aber auch gleichzeitig einen guten Offenisv-Rhythmus geschenkt. Daran muss ich anknüpfen."