"Schröder hat sicher mehr Potenzial"

Marc-Oliver RobbersMartin KlotzStefan Petri
12. Februar 201607:57
Polens Nationaltrainer Mike Taylor diskutiert in der Triangle Offense mit den SPOX-Redakteurengetty
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Sollten die Atlanta Hawks Jeff Teague traden? Trügt die Dominanz der Golden State Warriors? Sind die Boston Celtics zu früh zu gut? Und war die Entlassung von Coach Blatt richtig? Die SPOX-Redakteure diskutieren mit dem polnischen Nationaltrainer und Ex-Head Coach des Celtics-Farmteams Maine Red Claws Mike Taylor.

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Die Hawks sollten Teague traden

Mike Taylor: Das ist gerade sehr interessant in Atlanta. Sie hatten so ein tolles letztes Jahr, konnten dies aber in dieser Saison nicht bestätigen. Gerüchte um einen Trade gibt es genug. Die Celtics sollen interessiert sein, die Knicks brauchen einen Point Guard. Gerade für Euch deutsche Fans ist das natürlich alles total interessant. Es sieht echt so aus, als wenn die Hawks den Weg frei machen und das Team in die Hände von Dennis Schröder legen. Teague legt zwar in Sachen Scoring die beste Saison seiner Karriere hin, aber für die Hawks geht es um die Zukunft und da hat Schröder sicher mehr Potenzial. Aber um auf die These zurückzukommen: Wenn du jemand aus dem Front Office bist, musst du sie mit "Ja" beantworten, vorausgesetzt du bekommst einen entsprechenden Gegenwert zurück, um mit dem Team erfolgreich in die Zukunft zu gehen. Ich denke, sie werden den Trade machen, wenn sie ein Paket finden, dass sie wirklich überzeugt und dem Team weiterhilft. Viele Leute, die nahe an den Hawks dran sind, sagen, dass dem Team so ein bisschen die "Veteran Leadership" abgeht. Etwas, was Elton Brand dem Team gebracht hat. Doch für Atlanta wird es jetzt darum gehen, Jungs mit einem höheren Upside zu finden. Sie werden mehr auf die Zukunft schauen.

Martin Klotz: Atlanta hat wie viele Franchises aktuell das Problem, eigentlich ganz gut zu sein - aber für einen echten Contender reicht es dann doch wieder nicht. Das Team, das es vergangenes Jahr mit DeMarre Carroll nicht gepackt hat, soll es nun ohne ihn schaffen. Nein, das ist - nicht nur wegen der verkorksten Rückkehr von Kyle Korver - utopisch. Ein Trade von Jeff Teague ist die richtige Wahl, zumal Mike Budenholzer im Sommer ein großes Rechenspiel vor sich hat, will er Al Horford und Kent Bazemore halten. Da zählt jeder Cent. Jeff Teague ist mit 8 Millionen Dollar Gehalt unterbezahlt, aber selten werden die Hawks mehr für ihn bekommen, als vor der anstehenden Free-Agency-Point-Guard-Dürre diesen Sommer. Viele Teams haben Bedarf und Atlanta mit Dennis Schröder einen günstigeren Spielmacher mit unausgeschöpftem Potenzial in der Hinterhand. Sprich mir nach Bud: "Ja, ich will Jeff Teague traden."

Was passiert in Atlanta? Schröder oder nicht Schröder?

Stefan Petri: Nein. Natürlich: Jeff Teague ist nicht "untradeable", für das richtige Angebot (junge Talente, Picks) könnte man ihn ziehen lassen. Aber da er laut diverser Berichte von den Hawks feilgeboten wird, dürfte da kaum jemand mit einem Angebot um die Ecke kommen, das man nicht ablehnen kann. Die Frage ist also: Warum sollte man ihn loswerden? Weil man mit Schröder einen guten Backup in der Hinterhand hat, dessen Entwicklung durch Teage behindert wird? Davon bin ich nicht überzeugt. Vielmehr bin ich der Meinung, dass es in dieser NBA, die stärker als je zuvor von Point Guards regiert wird, ein Segen ist, zwei starke Aufbauspieler zu haben. Zudem zeigt Teagues Formkurve nach oben (17,5 Punkte bei fast 50 Prozent aus dem Feld in den letzten zehn Spielen), er trifft über 40 Prozent seiner Dreier. Man müsste schon ein sehr gutes Angebot bekommen, zumal der 27-Jährige bei acht Millionen pro Jahr unschlagbar billig ist. Klar, die Hawks sind lange nicht so gut wie im letzten Jahr und kein ernsthafter Contender mehr, insofern schadet eine Renovierung des Rosters nicht. Aber ich würde nicht an der Point-Guard-Doppelspitze ansetzen. SPOX

Marc-Oliver Robbers: Ich bin da ganz bei Stefan. Für mich ist es auch absolut kein Muss, Teague zu traden. Er hat sich stabilisiert und legt wieder gute Zahlen auf. Die Kombination passt - und vor allem ist sie unschlagbar günstig. Budenholzer hat den Luxus, dass er je nach Spielsituation in der Lage ist, den Point Guard zu bringen, der am ehesten passt oder eben besser im Spiel ist. Vielmehr sollten die Hawks probieren, den dauerverletzten Tiago Splitter und vielleicht auch Kyle Korver loszuwerden. Splitter ist der drittteuerste Spieler (8,5 Millionen Dollar) im Kader, bringt aber bislang aufgrund von verschiedenen Verletzungen nicht die Leistung, zu der er eigentlich im Stande ist. In der aktuellen Form bekommen die Hawks sicher nicht viel für ihn, aber im Hinblick auf die Free Agency von Al Horford wäre es wichtig, Platz unter Cap freizuschaufeln. Das hat Martin ja schon erwähnt. Gleiches gilt für Korver. Der Scharfschütze ist sicher wichtig im Locker Room, aber in seiner jetzigen Form ist er sportlich verzichtbar. Und Contender wie die Cavaliers lecken sich die Finger nach so einem Spieler. Machen wir uns nichts vor, die Conference Finals wie im Vorjahr sind in diesem Jahr ohnehin nicht drin. Daher sollte Atlanta sich für die Zukunft aufstellen und zwar weiterhin mit der Kombo Teague/Schröder.

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Die Dominanz der Warriors trügt

Martin Klotz: Ja, ein bisschen schon. Denn 73 der 82 Saisonspiele bestreitet Golden State eben nicht gegen die Spurs, Cavs oder Thunder. Und das - seien wir ehrlich - sind die einzigen Teams, die in einer Playoff-Serie mehr als zwei Spiele gegen die Dubs gewinnen können. Die Jagd nach dem Rekord und die allabendliche Souveränität ist schon bemerkenswert. Aber Gregg Popovich wäre nicht Gregg Popovich, wenn er nicht seit dem ersten Tag der Saison an einer Lösung für das Warriors-Problem arbeiten würde. Und da San Antonio noch dreimal gegen das Team von Steve Kerr antritt, wird seine Stichprobe nur größer und besser. Der Coaching-Fuchs wird sich für die Postseason so einiges einfallen lassen. Und zwar dann, wenn es drauf ankommt. Genau dann werden auch Kevin Durant und Russell Westbrook in Höchstform sein. Genau wie die "Two and a half man" mit LeBron James, Kyrie Irving und Kevin Love. Und so schön es auch wäre: Eine 73-Siege-Saison wäre am Ende ohne Titel nichts wert.

Mike Taylor: 48-4! Wenn man also die blanken Zahlen zugrunde legt, trügt die Dominanz sicher nicht. Es macht so unglaublich viel Spaß, ihnen zuzusehen. Ich war beim Spiel gegen die Wizards im Verizon Center als Stephen Curry 51 Punkte erzielte. Aber was bei der ganzen Offensivshow immer untergeht, ist ihre starke Defense. Sie sind so stark im Passen und im Shooting, haben ein unglaublich vielseitigen Kader, der ihnen alle Möglichkeiten gibt, aber sie können eben auch richtig gut verteidigen. Ich halte sie aber nicht für unbesiegbar. Es gibt so Phasen im Spiel der Warriors, da sieht einfach alles so unfassbar leicht aus und da liegt ein bisschen die Gefahr. Sie neigen dann gerne zu einer Bruder-Leichtfuß-Mentalität und leisten sich unnötige Ballverluste. Und man darf nicht vergessen, dass die Spurs ebenfalls eine unglaubliche Saison spielen und zuhause einfach unbesiegbar sind. Wenn es also in den Playoffs zum Aufeinandertreffen kommt und es San Antonio gelingt ein Spiel im Oracle Center zu stehlen, ist alles möglich.Martin hat schon angesprochen, alle anderen Teams arbeiten gerade an einer Möglichkeit, die Warriors zu stoppen. Und wie Martin sehe ich die Spurs nicht so weit hinter Golden State, wie es im Moment vielleicht den Anschein macht.

Mike Taylor im Interview: "Wollten, dass er der nächste Dirk wird"

Marc-Oliver Robbers: Ich frage mich ja, ob diese Rekordjagd förderlich auf dem Weg zum Repeat ist. Wo Popovich alle Nase lang seine Starter komplett schont, sind die Warriors immer unter Strom, immer mit dem Bulls-Rekord im Hinterkopf. Natürlich führt das auch zu vielen Blowouts, in denen es sich Curry nach drei Vierteln auf der Bank gemütlich machen kann und die Garbage Time reinziehen kann, aber dennoch sollten sie aufpassen, dass sie den eigentlichen Fokus nicht verlieren.

Mike Taylor: Da muss ich einhaken. Das ist sicher ein guter Punkt, aber das glaube ich nicht. Vielmehr brauchen sie bei ihrer Dominanz in so einer langen Saison ein Ziel, dass sie weiter motiviert und den Fokus nicht verlieren lässt. Das Lustige bei dieser Rekordjagd ist ja, dass Steve Kerr damals Teil des Bulls-Teams war und es sicherlich intern so einige Sprüche von ihm geben wird. Einfacher kann er sein Team nicht motivieren. Also ich glaube vielmehr, dass diese Jagd perfekt ist, um sich bei ihrer Dominanz weiter zu motivieren. SPOX

Stefan Petri: Herrschaften, ich bin all in! Da trügt überhaupt nichts, dieses Warriors-Team ist schon jetzt eines der besten Teams aller Zeiten. Klar, vielleicht schaffen sie die 72-Siege-Marke nicht (ich denke schon!), und vielleicht gewinnen sie aus irgendeinem Grund den Titel nicht (ich denke doch!), aber wo 48-4 draufsteht, da ist auch 48-4 drin. Ihr habt es bereits angesprochen, die Dubs haben Spaß und haben manchmal nicht die militärische Disziplin, ihr Level über 48 Minuten zu halten. Deshalb holen Gegner immer mal wieder zweistellige Rückstände auf, und deshalb ist das Point Differential der Spurs auch noch eine Ecke besser. Aber, sorry: Das liegt eben nur daran, dass ihnen ob ihrer Dominanz manchmal fast schon langweilig zu sein scheint - da wird mit dem Gegner gespielt! Könnte sich das rächen? Ja, vielleicht gehen in der Regular Season so noch ein oder zwei unnötige Spiele flöten, aber in der Postseason wird die Konzentration voll da sein. Heimvorteil sowieso, und wenn dann alle gesund sind, dann hat niemand über sieben Spiele eine Chance.

San Antonio Spurs: Besser als die Besten

Marc-Oliver Robbers: Grundsätzlich sehe ich es genauso und ich traue ihnen auch den Rekord zu, aber es schon geil, dass mal wieder die Spurs völlig unter dem Radar laufen. Jahr für Jahr wurden sie abgeschrieben. Nach der unglaublich erfolgreichen Free Agency vor der aktuellen Saison galten sie dann plötzlich als großer Titelkandidat, nur um Wochen später wieder im Schatten der alles überstrahlenden Warriors zu verschwinden. Pop lacht sich doch ins Fäustchen und auch der Blowout im direkten Duell spielt ihm in die Karten. Das war sicher nicht geplant, aber ein Nachteil für die restliche Saison ist es auch nicht. Stefan, ich muss dich korrigieren. 28 Teams haben über sieben Spiele keine Chance gegen die Warriors, San Antonio aber schon. Ich bin schon so heiß auf diese möglichen Conference Finals. Das könnte eine der besten Serien aller Zeiten werden. Bitte lasst es so kommen.

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Dieses Team braucht einen Trade

Stefan Petri: Die Cleveland Cavaliers. Nur der Titel zählt bei LeBron James und Co., und in der derzeitigen Zusammensetzung wird das einfach nichts, machen wir uns nichts vor. Der Frontcourt ist zu voll und zu teuer. Sorry, Kevin Love - you got to go. Auf der Jagd nach dem einen Ring darf kein falscher Stolz zwischen den Cavs und ihrem bestmöglichen Potenzial stehen. So wie Kevin Love an der Seite von LeBron und Kyrie Irving eingesetzt wird, ist er mehr als überqualifiziert. Ich glaube nicht, dass die drei perfekt zusammenpassen können: LeBron will den Ball, Kyrie will den Ball, Love will den Ball, LeBron und Love wollen an den Ellbow und von dort operieren, LeBron ist nicht mehr der Jüngste und Love ein schlechter Verteidiger. Meiner Meinung nach sollten die Cavs LeBron öfter als Power Forward spielen lassen, auch wenn der King das nicht "cool" findet. Da ist nur Platz für Mozgov oder Thompson, und für Love könnte man eine Menge Spieler und Picks zurückbekommen. Ein guter 3-and-D-Swingman vielleicht, J.R. Smith ist einfach zu unberechenbar. Die Picks könnte man ebenfalls verscherbeln, oder langfristig selbst einlösen - und darauf hoffen, dass der Warriors-Tornado irgendwann weiterzieht...

Marc-Oliver Robbers: Mir fallen auch so viele Teams ein, aber ich lege mich mal auf die Bulls fest. Auch in diesem Jahr werden sie wieder nicht ihren Ansprüchen gerecht. Der Trainerwechsel von Thibodeau zu Hoiberg hatte bislang überhaupt keine Wirkung, eine Handschrift des Rookie-Coaches ist nicht zu erkennen und der Kader passt einfach nicht. Das fängt im Backcourt mit Rose und Butler an. Beide brauchen den Ball, um effektiv zu sein und beide sind keine überragenden Dreierschützen. Und Hand aufs Herz, die Zeit von Rose als Franchise-Player ist leider wirklich vorbei. Dazu ein Gasol, der im Sommer eh die Biege machen wird. Ich würde an Stelle der Bulls einfach mal schauen, was geht. Außer Butler sehe ich da niemanden, der nicht ersetzbar ist. Interessante Assets haben sie genug. Die Kombination passt halt nur nicht. Aber das Front Office ist traditionell eher zurückhaltend in Sachen Trades bzw. hat so hohe Ansprüche, dass es nicht zu einem Deal kommt.

Mike Taylor: Das ist wirklich eine interessante These. Über die Hawks hatten wir schon gesprochen, aber auch die Wizards werden nach ihrem guten Vorjahr ihren Ansprüchen nicht gerecht. Für mich sind aber die Houston Rockets das Team, das am ehesten einen Trade braucht. Die Chemie zwischen James Harden und Dwight Howard passt nicht, sie haben schon früh in der Saison den Trainer gewechselt - ohne großen Erfolg. Sie enttäuschen einfach, denn auf dem Papier haben sie ein unglaublich talentiertes Team. Ich denke, sie werden irgendwas machen müssen.

Martin Klotz: Viele. Aber welche Franchise nur einen Trade vom Contender-Dasein entfernt ist, sind die Raptors. Zumindest im Osten, da die Warriors einfach in einer anderen Liga spielen. Als Zweiter haben sie beinahe zu den Cavs aufgeschlossen. Ein spielender Big Men, der darüber hinaus akzeptabel verteidigen kann - das wäre ein beträchtliches Upgrade für Toronto. Ok, viele Spieler wären ein Upgrade über Patrick Patterson und Luis Scola, aber ich denke beispielsweise an Kenneth Faried, vielleicht an Al Horford, an Brook Lopez. Alle drei werden als Trade-Kandidaten gehandelt. Darüber hinaus könnten auch Tobias Harris, Jabari Parker, Thaddeus Young, Markieff Morris (Offense first) oder P.J. Tucker (Defense first) interessant sein. Viele Spieler sind auf dem Markt und Masai Ujiri hat zwei Erstrundenpicks in 2016 (darunter den der Knicks) und zwei in 2017 zur Verfügung. Damit sollte sich doch etwas anstellen lassen, um Cleveland noch näher auf die Pelle zu rücken. Wenn dann noch DeMarre Carroll zurückkommt...

Mike Taylor: Interessant wird es übrigens auch bei den L.A. Clippers. Vor allem seit der Geschichte mit Blake Griffin und der Tatsache, wie gut sie über eine Spanne von 23 Partien ohne ihn gespielt haben. Am Ende des Tages werden sie ihn aber nicht traden. Sie wissen, dass sie ohne ihn nicht auf Augenhöhe mit Teams wie San Antonio oder Warriors sein können. Ich bleibe dabei, das Team, das am dringendsten einen Trade braucht, sind die Houston Rockets.

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Boston ist zu früh zu gut

Marc-Oliver Robbers: Das halte ich für Blödsinn und entspricht auch nicht meiner Auffassung von Leistungssport. Jedes Team sollte immer den Anspruch haben, so gut wie möglich zu sein. Ich weiß, das ist ein leidiges Thema und ich will hier auch keine Tanking-Debatte vom Zaun brechen. In meinen Augen, sind die Celtics genau auf dem richtigen Weg. Sie haben ein junges, talentiertes Team, das vielleicht in der Tiefe ein bisschen zu breit ist. Das macht es schwer, genug Minuten für jedes Talent zu finden, aber gibt auch die Chance, Trades einzufädeln, die den nächsten Schritt beschleunigen können. GM Danny Ainge scheut bekanntlich nicht das Risiko und wird auch jetzt wieder auf der Suche nach dem Deal sein, der die Franchise wieder einen Schritt Richtung Contender bringt. Der Nets-Pick ist dabei pures Gold wert. Ich bin aber gespannt, wie du die Sache siehst, Mike. Du warst schließlich schon Teil der Franchise und kennst die handelnden Personen.

Mike Taylor: Genau. Für mich ist dieser unerwartete Aufschwung die Power von positivem Coaching. Brad Stevens und sein Trainerteam machen einen großartigen Job. Sie haben ein großartiges System und entwickeln das Team wirklich Schritt für Schritt. Der Schlüssel zum Erfolg war dabei der Trade von Isaiah Thomas. Er macht den Unterschied. Er ist so schwer zu verteidigen und man schafft es nicht, ihn aus der Zone zu halten. Dadurch lässt er die Defense einstürzen und macht es für die Kollegen einfacher. Wenn man sich den Kader anschaut mit all den Assets, die sie angesammelt haben, warten eigentlich alle darauf, dass Danny Ainge DEN Move macht. Du ja auch, Olli. Was viele dabei aber vergessen, ist die Tatsache, dass sie sich durch die vielen kleine Moves schon enorm verbessert haben. Sie haben nun viel mehr Verteidiger im Team. Marcus Smart als athletischen Verteidiger am Perimeter, Amir Johnson im Frontcourt sind nur zwei Beispiele. Ich glaube daher nicht, dass sie zu schnell zu gut geworden sind. Vielmehr sollte man die Trainer und das Management loben, dass sie das Team schon so weit gebracht haben. Dritter im Osten zu sein, ist sicher gut, aber sie wissen natürlich auch, dass sie sich weiter verbessern müssen, um mit den Elite-Teams mithalten zu können.

Martin Klotz: Das sehe ich ganz anders. Die Celtics sind nicht nur zu früh zu gut, sondern auch noch mit den "falschen" Spielern. Kelly Olynyk, Avery Bradley, Evan Turner, Jared Sullinger - das alles sind solide NBA-Profis. Aber eben nicht mehr und nicht weniger. Es fehlt der Franchise-Player, das Herzstück. Isaiah Thomas ist dieses Jahr zwar zum ersten Mal All-Star geworden, aber Richtung Titel tragen kann er ein Team nicht. Es stimmt, Brad Stevens macht einen ausgezeichneten Job, doch es ist für eine Franchise immer schwierig, dem Zeitplan voraus zu sein. Was dabei zwangsläufig steigt, ist die Erwartungshaltung. Platz drei im Osten war im zweiten Jahr des Neuaufbaus nicht zu erwarten, dementsprechend denken die C's nun schon über Trades nach, die sie im Hier und Jetzt verbessern könnten. Der Fokus sollte aber auf der Zukunft liegen, um die Traditionsfranchise langfristig wieder zu einem Elite-Team zu machen. Boston riskierte beim Draft-Day-Angebot an die Hornets mit vier Erstrundenpicks schon deutlich zu viel. Ein Schritt nach dem anderen wäre angebracht. Hoffentlich bleibt Stevens seiner besonnenen Linie treu und kann GM Danny Dinge von riskanten Moves abhalten.

Stefan Petri: Geht das überhaupt? Zu früh "zu gut" sein? Der Gedanke dahinter ist doch, dass die Celtics noch länger im Keller der Eastern Conference hätten herumkrebsen sollen, damit man noch einen oder zwei richtig gute Picks abgreift und sich so den fehlenden Superstar ins Haus holt, richtig? Und wenn es so wäre? Erst einmal ist der Draft immer noch Glückssache: Die Ping-Pong-Bälle müssen richtig fallen, und dann muss man auch noch richtig draften (siehe Philly). Also wäre ein besserer Pick keinesfalls die Garantie für einen Superstar. Und selbst wenn man am 23. Juni 2016 mit einem Top-3-Pick einen absoluten Rohdiamanten erwischen würde: Damit es soweit kommt, müssten doch alle jetzigen Spieler sehr viel schlechter sein. Will man das wirklich? Ein potenzieller Superstar flankiert von Graupen? Wie schnell kommt man so an eine realistische Titelchance? Die Antwort ist: nicht sonderlich schnell. Ich sage, es läuft perfekt für die Celtics: Sie haben ein ganzes Arsenal an fähigen Spielern - und sie haben eine Menge Picks, darunter den Nets-Pick! Jetzt gilt es nur, entweder richtig clever zu draften, oder ein Paket an Picks und Spielern für einen Superstar wie Boogie Cousins herzugeben. Das muss nicht klappen, ist also keine Garantie für den sehnlichst erhofften neuen Franchise-Retter. Aber die gäbe es auch nicht, wenn man mit einer Bilanz von 12-42 die positive Energie aus dem eigenen Roster saugen würde.

Mike Taylor: Du sagst es, sie haben so viele Assets und eben den Nets-Pick. Sie müssen jetzt abschätzen, ob sie dadurch schon jetzt einen besseren Spieler bekommen, als der Pick ihnen in der Zukunft durch den Draft bringen kann. Wenn es diesen Deal geben sollte, werden sie ihn machen. Sie wollen zurück an die Spitze, aber der Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Mit so einem Deal lässt sich der Weg aber vielleicht abkürzen.

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Die Entlassung von Coach Blatt war richtig

Mike Taylor: Als Trainer sage ich da natürlich "Nein". Er hat sie im letzten Jahr in die Finals geführt und stand jetzt auch wieder mit einer Bilanz von 30-11 da. Das ist die beste Bilanz, die je ein Coach hatte, der gefeuert wurde. Aber das ist die NBA und bei den Cavs geht es darum, Starspieler LeBron immer glücklich zu machen. Das gehört auf diesem Niveau auch zum Coachen dazu. Aber bei der Sache müssen wir ganz zum Start zurückgehen. Als Cleveland Coach Blatt unter Vertrag nahm, hatte LeBron sich noch nicht entschieden, dass er zurückkehren wird. Owner Dan Gilbert hat sich durchgesetzt und Blatt als Trainer installiert, obwohl GM David Griffin schon in Verhandlungen mit Tyronn Lue stand. Blatt kam mit der Aufgabe, das junge Cavs-Team zu entwickeln und dann änderte die Rückkehr von LeBron alles. Man muss sich die Frage stellen, ob Blatts Aufgabe nicht von Beginn an zum Scheitern verurteilt war. Er würde sicher einige Sachen heute anders machen als damals - gerade in Sachen Kommunikation und Umgang mit den Spielern. Aber die Tatsache, dass er gefeuert wurde, obwohl er als Rookie-Coach die Finals erreichte und auch jetzt eine gute Bilanz hatte, zeigt, wie schwierig es in der NBA zugehen kann. Es ist wichtig, die richtigen Beziehungen zu haben, vor allem bei so einem Starspieler. Du musst den Locker Room glücklich machen.

Martin Klotz: Die NBA ist schon ein hartes Pflaster - auch für Coaches. Wie sagte doch Steve Kerr vor wenigen Tagen: "Aber dafür bekommt man auch eine ganze Menge Geld." Ja, der hat gut reden - er ist ja auch Coach der Warriors. Beim Finals-Gegner aus Cleveland hingegen lief es einfach nicht. Und da bin ich Pragmatiker: Wenn die Chemie im Team nicht stimmt, dann musst du etwas daran ändern. Und GM David Griffin hat Recht: Die Cavaliers sind nicht gut genug, um den Titel zu holen. Das muss in Ohio der Anspruch sein. Und da die Cavs LeBron James nicht abgeben können/wollen/werden, bleiben nicht viele Optionen. Zudem sehe ich die Rolle und Entwicklung von Kevin Love kritisch. Da hätte Blatt durchaus andere Varianten ausprobieren können, als ihn als Spot-Up-Shooter am Perimeter zu parken. Ich würde Mikes These da stützen und gehe sogar noch weiter: Es war falsch, Blatt überhaupt zu holen. Der King kam zwar trotzdem zurück in seine Heimat, doch wenn James schon auf dem Court der dominante Spieler sein muss, dann braucht er einen starken Coach mit Erfahrung und einer harten Hand an der Seitenlinie. Und vor allem einen, der weiß, was er tut. Der die anderen Spieler von ihrer Ehrfurcht vor dem King befreien kann. Und der James auch mal in die Schranken weisen kann. Blatt konnte das nicht.

5 Fragen zur Blatt-Entlassung: "Ziemlich gut"? Nicht gut genug

Stefan Petri: Ja - was nicht heißt, dass es gegenüber Blatt fair gewesen ist. Blatt hat in seinen eineinhalb Jahren dort einen richtig guten Job gemacht, hat die LeBron-Rückkehr verdaut und mit einem erheblich geschwächten Roster die Finals erreicht und die Warriors ins Schwitzen gebracht. Mehr konnte man beim besten Willen nicht verlangen. Trotzdem darf man sich von einem guten Run nicht blenden lassen, siehe Randy Wittman in Washington. Wenn man der Meinung ist, dass man mit Blatt nicht die bestmöglichen Chancen auf den großen Wurf hat, dann muss man ihn gehen lassen. Die Warriors haben es mit Mark Jackson vorgemacht: Der war richtig gut - aber eben nicht so gut wie möglich, hatte nicht das Maximum aus dem Team herausgeholt. Die Frage ist, ob man mit Tyronn Lue bessere Chancen auf einen Title Run hat. Da bin ich nicht überzeugt: Lue hat zwar den Rückhalt von LeBron (diesen hatte Blatt nicht, und daran ist er letzten Endes gescheitert), gleichzeitig fehlt ihm aber eine Menge Erfahrung, und ich bin nicht sicher, ob er die nötige Autorität hat, um seinen Superstar hart zu coachen. Bzw. ob dieser sich coachen lassen will. Von Blatt wollte er es offensichtlich nicht... SPOX

Marc-Oliver Robbers: Alles richtig. Blatt ist in erster Linie über LeBron gestolpert und das ist ob seiner abgelieferten Coaching-Performance schon eine Sauerei. James hat die Franchise fest im Griff. Es wird gemacht, was er will. In einer sport-romantischen Welt hätten die Cavs sich vor ihren Coach stellen müssen. Auch wenn er Fehler (Love, Kommunikation) gemacht hat, gab ihn der Erfolg letztlich doch recht. Doch das ist natürlich unrealistisch. Aus moralischer Sicht war die Entlassung völlig falsch, aber die Franchise hatte LeBrons Pistole auf der Brust. Das Druckmittel eines erneuten Abgangs zieht als Drohkulisse, auch wenn ich nicht glaube, dass James das ernsthaft in Erwägung zieht. Vielmehr will er wahrscheinlich diesen Titel mit seinem Heimatteam so sehr, dass er dabei keine Gefangenen macht. Das ist in meinen Augen nicht der richtige Weg und Nachfolger Lue ist für mich nicht mehr als eine Marionette. Ich hoffe, Blatt kommt noch mal in der NBA unter.

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