"Wollten, dass er der nächste Dirk wird"

Marc-Oliver Robbers
31. August 201515:13
Mike Taylor führte ratiopharm Ulm 2006 in die BBLimago
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Mike Taylor übernahm im Vorjahr die polnische Nationalmannschaft von Dirk Bauermann. Der ehemalige Ulmer Erfolgscoach spricht über unfaire Erwartungen an Robin Benzing und die NBA-Chancen der jungen Deutschen. Außerdem entkräftet er eine Befürchtung von Bauermann.

SPOX: Mr. Taylor, Sie haben im letzten Sommer die polnische Nationalmannschaft von Dirk Bauermann übernommen. Der geht bei den Kollegen von BIG davon aus, dass Ihr Team besser ist als Bosnien und sich den vierten Platz in der Gruppe A sichern wird. Stimmen Sie zu?

Mike Taylor: Ich habe sehr großes Vertrauen in unser Team. Wir bereiten uns so gut es geht vor und stellen das bestmögliche Team zusammen. Aber wir haben natürlich vor allen Teams in unserer Gruppe großen Respekt. Bosnien, Russland, Frankreich, Israel und Finnland. Das sind alles exzellente Mannschaften. Ich denke, es ist ziemlich klar, dass Frankreich der Gruppenfavorit ist, aber dahinter kann alles passieren. Wir sehen von Spiel zu Spiel und da ist das erste Match gegen Bosnien schon sehr, sehr wichtig. Aber genau wie Dirk habe ich ein gutes Gefühl.

SPOX: Bauermann sagt aber auch, dass er sich nicht sicher ist, dass Ihr neuer Point Guard A.J. Slaughter eine Hilfe für das Team ist. Warum passt er gut in die Mannschaft?

Taylor: Slaughter passt großartig bei uns rein und das hat er in den bisherigen Spielen für uns auch schon nachgewiesen. Viele Leute zweifeln an A.J., weil er bei Panathinaikos die gesamte Saison auf der Zwei gespielt hat. Man darf aber nicht vergessen, dass Panathinaikos unglaublich gute Point Guards hat. Er war dort Teil eines tollen Teams. Ich hatte das Glück, ihn vor zwei Jahren bei der Summer League beobachten zu können, als ich Teil des Celtics-Trainerteams war. Er hat mit Orlando gegen uns 25 Punkte gemacht und richtig gut gespielt. Er hat Point-Guard-Skills, er kann Pick-and-Roll spielen, ist gut im Transition Game, kann punkten und passen. Dazu kann er eben auch die Zwei spielen. Er passt außerdem auch von seiner Persönlichkeit in unser Team. Ich bin sehr froh über A.J., es war die richtige Wahl für uns und ich bin mir sicher, dass er bei der EM sehr gute Spiele für uns abliefern wird.

SPOX: In der EM-Qualifikation haben Sie Deutschland zwei Mal geschlagen, aber beim Supercup in Hamburg gegen sie verloren. Wie gut schätzen Sie das DBB-Team ein?

Taylor: Deutschland ist ein sehr starkes Team. Es ist natürlich ein großer Unterschied, wenn Dirk Nowitzki, Dennis Schröder und Tibor Pleiß dabei sind, aber es geht nicht nur um die drei. Auch der Rest des Teams ist absolut solide. Robin Benzing spielt gut, Paul Zipser ebenfalls. Dazu kommt die Hinzunahme von Anton Gavel. Ich freue mich sehr für ihn, dass er die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten hat und nun für Deutschland spielen darf. Ich glaube, dass Chris und seine Trainer einen ausgezeichneten Job machen. Ich gebe natürlich alles für Polen, aber in jedem anderen Spiel fiebere ich mit dem deutschen Team mit. Ich mag die Jungs und den Weg, den sie eingeschlagen haben. Ich traue ihnen ein gutes Turnier zu.

SPOX: Sie kennen Deutschland seit Ihrer Zeit in Ulm sehr gut. Es gibt aktuell ein paar Gerüchte, dass Chris Fleming Assistant Coach bei den Denver Nuggets werden könnte. Vielleicht sucht der DBB ja demnächst einen neuen Trainer...

Taylor: (lacht) Ich denke aktuell an nichts anderes als die EM mit Polen. Für alles, was auch immer irgendwann danach kommen mag und wo auch immer mich der Basketball hinführen wird, bin ich bereit. Ich habe es geliebt, als Assistant Coach für das tschechische Nationalteam zu arbeiten, aber genauso liebe ich gerade die Zeit als polnischer Trainer. Ich konzentriere mich komplett darauf, mit Polen bei der EM erfolgreich zu sein und Spiele zu gewinnen. Für mich zählt nichts anderes.

Chris Fleming im Interview: "Bin kein Nowitzki-Experte"

SPOX: Sie waren insgesamt acht Jahre in Ulm. Verfolgen Sie die BBL noch intensiv?

Taylor: Ja, total. Ich habe noch sehr viele Freunde in der Liga. Ehemalige Spieler, die ich trainiert habe, Coaches und andere Leute, die ich sehr gerne habe. Wenn man acht Jahre an einem Ort lebt, bilden sich automatisch Freundschaften. Ich habe tolle Erinnerungen an Deutschland. Ich habe die Liga mit dem Telekom-League-Pass letztes Jahr geschaut und so eine Menge Spiele gesehen. Das ist natürlich ein schöner Nebeneffekt als Nationaltrainer, man hat die Zeit, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen, weil man im Gegensatz zum Vereinstrainer einen anderen Zeitplan hat. Man reist viel, trifft verschiedene Leute und hat gleichzeitig die Möglichkeit, viele Spiele zu sehen. Daher bin ich noch nahe dran an der Bundesliga.

SPOX: Die BBL hält weiter an ihrem Ziel fest, im Jahr 2020 die beste Liga in Europa zu sein. Wie realistisch ist das noch?

Taylor: Das Positive ist, dass es in die richtige Richtung geht. Die finanziellen Probleme in Südeuropa und die Krise in der Ukraine haben natürlich dafür gesorgt, dass Länder wie Deutschland attraktive Märkte sind. Außerdem macht die Liga in Sachen Marketing einen tollen Job. Es geht definitiv in die richtige Richtung, aber wer weiß schon, was passieren wird. Das Entscheidende ist, sich weiter zu verbessern und zu wachsen. Es gibt auf jeden Fall eine Menge positive Zeichen für die Bundesliga und den Basketball in Deutschland.

SPOX: Sprechen wir über einen Ihrer Ex-Spieler. Sie haben Robin Benzing in Ulm zu einem der vielversprechendsten jungen Spieler in Deutschland ausgebildet. Im SPOX-Interview vor drei Jahren haben Sie uns verraten, dass er auch bei den Boston Celtics auf dem Zettel stand. Doch nicht wenige Experten sagen, dass er es nicht geschafft hat, den nächsten Schritt zu gehen. Sind Sie von seiner Entwicklung enttäuscht?

Taylor: Entwicklung kommt nicht von heute auf morgen. Die Trainer unterstützen die Spieler auf ihrem Weg und die Spieler machen ihre Arbeit. Robin ist jemand, der immer hart arbeitet und sich weiter verbessern will. Irgendwann nimmt jeder neue Herausforderungen an. Robin hat sich in Ulm sehr gut entwickelt und hat dann den Schritt zu den Bayern gewagt, um in einem Team auf dem Toplevel zu spielen, die Meisterschaft zu gewinnen und als junger Spieler in der Euroleague Erfahrung zu sammeln. Ich finde, dass er diese Herausforderung erfolgreich gemeistert hat. Er hat die Meisterschaft geholt und sich Erfahrung in Europa geholt. Ich denke, die beiden Jahre in München waren gut für ihn.

SPOX: Aber wie erklären Sie sich die kritischen Stimmen?

Taylor: Das Problem bei Robin war immer, dass viele Leute enorme Erwartungen an ihn gestellt haben. Jeder hatte eine Meinung zu ihm: "Robin sollte dies tun, Robin sollte das tun..." Ein Spieler muss sich immer eigene Ziele setzen. Es geht nicht darum, was andere von dir erwarten. Es geht darum, wie man selbst besser werden kann. Robin hat gute Erfahrungen in München gesammelt, die ihm bei seinem nächsten Schritt helfen werden. Sein Wechsel in die spanische ACB wird ihm helfen, sich weiterzuentwickeln. Er kann sich in seiner eigenen Geschwindigkeit weiterentwickeln, ohne dass er dabei so stark im Rampenlicht stehen wird. Wir wollten immer alle, dass dieser Spieler der nächste Dirk Nowitzki wird, aber diese Erwartungen waren nicht fair. Er muss seine ganz eigene Entwicklung gehen. Jeder entwickelt sich unterschiedlich, aber Robin hat noch eine Menge vor sich und der Wechsel nach Spanien ist dafür fantastisch.

SPOX: Glauben Sie, dass er eine ähnliche Rolle wie Maxi Kleber im letzten Jahr in der ACB spielen kann?

Taylor: Das kann man so pauschal nicht sagen. Wenn er dort den richtigen Trainer vorfindet, der ihm die richtige Rolle gibt, könnte es für ihn eine großartige Zeit werden. Kleber spielte dort mit unserem Mann Adam Waczynski und beide haben einen richtigen Schritt nach vorne gemacht. Hoffentlich kommt Robin in Spanien in eine ähnliche Situation und steigert dadurch sein Selbstbewusstsein.

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Seite 2: Taylor über die NBA-Chancen der Deutschen und Knochenmühle D-League

SPOX: Kommen wir auf die D-League zu sprechen. Sie waren zwei Jahre Trainer der Maine Red Claws, die das Farmteam der Boston Celtics sind. Warum haben Sie den Job aufgegeben?

Taylor: Die Celtics haben mich immer unterstützt, auch als das Angebot aus Polen kam. Der Trainerwechsel von Doc Rivers zu Brad Stevens war gerade vollzogen und ich hätte bei den Celtics bei den Draftvorbereitungen und der Summer League dabei sein können, aber ich wollte keine halben Sachen und habe mich dann entschieden, mich ganz dem polnischen Nationalteam zu widmen. Deswegen bin ich direkt nach Saisonende im April rübergekommen und habe mich mit allen Leuten hier unterhalten, mir Spiele angeschaut und angefangen, das Team aufzubauen. Ich denke, es war die richtige Entscheidung. Ich fühle mich jedenfalls gut damit. Ich habe immer davon geträumt, Nationaltrainer zu werden und der Traum ist jetzt mit Polen wahr geworden.

SPOX: In Deutschland rückte die D-League durch Tim Ohlbrecht stärker in den Fokus. Er war dort sehr erfolgreich und kam dann mit einem besseren Image zurück in die BBL. Würden Sie auch anderen deutschen Spielern raten, den Schritt in die D-League zu machen?

Taylor: Nein! Die D-League kann ein guter Ort für Spieler sein, die ohnehin auf dem NBA-Radar sind, aber es kann auch sehr schwierig für die Spieler werden, die eben nicht auf dem NBA-Radar sind. Die NBA-Teams sehen die Liga als Evaluations-Möglichkeit für die NBA. Kann dieser Spieler in der NBA spielen? Kann er einigen Teams zu einer bestimmten Zeit weiterhelfen? Sobald die Teams aber merken, dass der Spieler es nicht schaffen kann, verschwendet er seine Zeit. Zum einen verdient man so gut wie kein Geld dort und zum anderen ist es häufig schwierig, den Spielstil, der dort gepflegt wird, auf Europa zu übertragen.

SPOX: Aber warum lief es dann für Ohlbrecht so gut?

Taylor: Tim war damals in einer guten Situation, weil Houston ihn sehr gefördert hat. Er spielte gut für Rio Grande und bestätigte das dann auch in Fort Wayne. Er ist eine der positiven Geschichten der Liga, aber es gibt eine Menge anderer Beispiele, wo es nicht funktionierte. Die Spieler verlieren wertvolle Zeit in ihrer Karriere, verdienen nichts und kommen nicht so weiter, wie sie es in Europa getan hätten. Ich würde Spielern, die auf dem NBA-Radar sind, daher eher raten, ihre Karriere in Europa oder woanders voranzutreiben und Geld zu verdienen.

SPOX: Es gibt einige deutsche Spieler, die an der Schwelle zur NBA stehen. Daniel Theis, Maxi Kleber, Paul Zipser... Würden Sie ihnen raten, es in der NBA zu versuchen, oder sollten sie sich auf eine gute Karriere in Europa fokussieren?

Taylor: Jeder Spieler, der in der Situation ist, muss für sich wissen, ob es eine richtige Chance ist oder eher noch ein langer Weg. Da ist es eine gute Sache, wenn sie mal in der Summer League gespielt haben. Sie können sich alles einmal anschauen, aber wir sprechen wieder über ein großes Opfer und finanzielle Einbußen, um den Schritt in die NBA zu schaffen. Wenn es dein Traum ist, dann folge ihm, aber jeder sollte so realistisch sein und sich eingestehen, wenn es nicht der richtige Platz ist. Das sind alles tolle junge Spieler, die eine große Karriere vor sich haben, aber sie müssen in der richtigen Situation sein, um sich optimal zu entwickeln.

SPOX: Was halten Sie von Maodo Lo? Glauben Sie, dass er eine Chance auf die NBA hat?

Taylor: Was ich bisher von ihm gesehen habe, hat mich sehr beeindruckt. Er ist ein sehr wichtiger Spieler für Columbia und hat das auch bei der A2 unter Henrik Rödl gut gemacht. Er hat jede Menge Potenzial und ich bin gespannt, wie sich dieser Spieler weiterentwickelt. Für mich ist wichtig, dass die Jungs Spaß am Basketball haben. Ich hoffe daher, dass er einen Ort findet, wo er Spaß am Spiel hat und so die richtige Arbeitseinstellung findet, um erfolgreich zu sein.

SPOX: Kommen wir noch mal auf Sie persönlich zu sprechen. Ihr Vater Dick war ebenfalls Trainer. War es da schon vorprogrammiert, dass Sie in seine Fußstapfen treten werden?

Taylor: Ich weiß es nicht. Aber es war schon so, dass ich immer dabei war. Ich bin auf dem Trainingsplatz aufgewachsen, war immer bei den Teams dabei. Ich habe ihn auf vielen Roadtrips begleitet. Wir sind zusammen zu Auswärtsspielen gefahren, haben Teams gescoutet. Mir hat das von Anfang an Spaß gemacht. Ich wollte immer Basketball-Trainer sein. Basketball war immer Thema und darüber bin ich sehr froh, weil es gleichzeitig unsere Familie immer eng zusammengehalten hat. Mein Vater erzählt immer eine Story. Ich muss so ungefähr sieben Jahre alt gewesen und mein Dad schaute sich ein Spiel im Fernsehen an. Da habe ich meinen Malblock herausgeholt und angefangen, irgendwelche Plays aufs Papier zu kritzeln. Ich wollte so sein wie mein Dad. Damit fing wohl alles an.

SPOX: Ihr Vater arbeitete auch mit NCAA-Legende Bob Knight zusammen. Er gilt als sehr aufbrausende Person. Hat Ihr Vater Ihnen mal Stories von ihm erzählt? Oder haben Sie es selbst mitbekommen?

Taylor: Wir haben großen Respekt vor Coach Knight. Er ist eine Legende und hat so viel erreicht. Sein Erfolgsgeheimnis ist, dass er nie zulässt, dass jemand es sich gemütlich macht. Damit hält er immer alle Spieler auf Trab. Die heutige Spielergeneration ist aber anders und das hat er, denke ich, gemerkt, als er von Indiana, wo er die NCAA dominiert hatte, zu Texas Tech gewechselt ist. Er war sehr innovativ in seinem Coaching, egal ob es in der Offensive oder in der Defensive war. Daher waren alle Geschichten, die uns mein Dad über ihn erzählt hat, immer von tiefstem Respekt geprägt. Ich war auch bei seinen Clinics in Indiana und er war immer sehr gut zu mir. Daher schaue ich zu ihm auf uns sehe ihn als Vorbild. Andere Leute schauen vielleicht mehr auf die vielen kontroversen Dinge, die er getan hat. Ich sehe nur das Positive und bin ein großer Fan von Coach Knight.

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