Er ist der Kopf hinter den komplizierten Ratings bei NBA 2K16: Mike Stauffer. Im Interview erklärt der Product Manager die Berechnung der Werte, die besondere Herausforderung durch Stephen Curry und die Reaktion auf das berühmte Interview von Hassan Whiteside. Außerdem erläutert er die Entwicklung von Dirk Nowitzki und Dennis Schröder.
nbaSPOX: Herr Stauffer, wie viele verschiedene Aspekte beeinflussen das 2K-Rating eines jeden NBA-Spielers?
Michael Stauffer: Es gibt 45 Attribute in NBA 2K16, aus denen sich das Gesamtrating eines Spielers zusammensetzt. Diese Attribute umfassen eine große Vielfalt von Fähigkeiten, die für einen Spieler auf dem Court wertvoll sind. Es gibt einzelne Werte, die die Athletik widerspiegeln, also zum Beispiel Geschwindigkeit, Sprungkraft oder Beschleunigung. Andere gehören zum Basketball-IQ, unter anderem Wurfintelligenz, Passintelligenz, Intelligenz in der Ballverteidigung, in der Help Defense oder im Pick-and-Roll. Dann gibt es natürlich noch einzelne Ratings, die den Skill-Level eines Spielers beschreiben. Dazu gehören Elemente wie Stärke beim Defensiv-Rebound, Steal-Fähigkeit, Block-Fähigkeit, Treffsicherheit beim Dreier oder beim Driving Layup, Spielübersicht und die Fähigkeit, Fouls zu ziehen.
SPOX: Wer trifft die Entscheidungen, wie die Ratings erstellt werden? Und wer legt die Werte fest?
Stauffer: Dem Rating liegt zugrunde, dass jeder Spieler bei 2K genau so spielen soll wie sein Gegenstück im realen Leben. Das ist das Wichtigste. Ich arbeite sehr eng mit dem Gameplay Team zusammen, um sicherzustellen, dass die Skalen für die Attribute und die Berechnungen so effektiv wie möglich sind und die Fähigkeiten eines jeden Spielers bestmöglich wiedergeben.
SPOX: Wie würden Sie die Entwicklung der 2K-Ratings über die letzten Jahre beschreiben?
Stauffer: Nehmen wir als Beispiel NBA 2K14. Damals gab es für jede Position eine Formel, die das Gesamtrating eines Spielers berechnet hat. Bei NBA 2K15 haben wir die Berechnung angepasst und mehrere Formeln verwendet, um das 2K-Rating eines jeden Spielers genauer ermitteln zu können. Das war ein bedeutender Schritt, der uns erlaubt hat, Spieler adäquat einzuschätzen, die in einem Bereich herausragend waren. Der fiel nun im Vergleich zu anderen Aspekten, bei denen sie vielleicht nicht so gut waren, deutlich stärker ins Gewicht. Dirk Nowitzki ist beispielsweise einer der besten Offensivspieler der Historie. Die alte Berechnung in NBA 2K14 legte aber bei Power Forwards besonderen Wert auf Rebounding, Defense und Athletik. Dort war Nowitzki nicht besonders stark, daher war sein Gesamt-Rating niedriger als seine tatsächlichen Fähigkeiten als NBA-Spieler. Aber durch die Unterteilung in mehrere Bereiche waren die Ratings in 2K15 wesentlich besser auf die Spieler zugeschnitten. So nahm beispielsweise bei Power Forwards, die eher außerhalb der Zone agieren, der Einfluss von Dreiern und Midrange-Jumpern zu. So bekam Dirk beispielsweise ein seinen Fähigkeiten angemesseneres Rating.
SPOX: Und was wurde nun in der neusten Version geändert?
Stauffer: Bei 2K16 haben wir die Entwicklung fortgeführt und uns noch stärker auf individuelle Attribute fokussiert. Jede Fähigkeit wurde auf einer - wie ich sie nenne - Hall-of-Fame-Skala betrachtet. Wir haben uns die beste Saison angeschaut, die jemals ein Spieler bezogen auf ein spezielles Kriterium gespielt hat. Das war unser Ausgangswert. Dennis Rodman hatte beispielsweise die beste Saison in Bezug auf Offensivrebounds, daher bekam er für diese Fähigkeit einen Wert von 99. Dieser Fokus auf die exakte Einschätzung der individuellen Attribute hat die Ratings insgesamt gesenkt. Der einzige Spieler, der bei 2K16 noch ein Gesamtrating von 99 erreicht, ist Michael Jordan in seiner besten Saison.
SPOX: Aber nicht jedes Attribut ist messbar und wird so kleinteilig erhoben und analysiert wie die Offensivrebounds.
Stauffer: Das stimmt. Für andere Skills, die nicht so differenziert untersucht werden, können wir nicht auf die Advanced Stats zurückgreifen, die normalerweise einen großen Einfluss auf unsere Ratings haben. Daher ist es zusätzlich unabdingbar, Spiele auszuwerten. Ein Beispiel: Stephen Curry hat nicht die ligaweit beste Dreierquote, aber die Sichtung der Spiele zeigt uns, wie gut er als Shooter ist. Würde man nur auf die nackten Zahlen schauen, käme das seinem Skill-Level nicht gerecht. Oder nehmen wir Nowitzkis Post-Fadeaway. Davon wird ja nicht jeder separat erhoben. Aber aufgrund der Spiele, die wir gesehen haben, wussten wir: Zu seinen besten Zeiten hatte Dirk die 99 in dieser Kategorie verdient.
SPOX: Bleiben wir kurz beim MVP. Mit welchen Herausforderungen haben Sie durch Currys unmenschliche Shooting-Performances zu kämpfen? Und wie planen Sie, seine Fähigkeiten auf das Spiel zu übertragen, ohne es dem User zu erlauben, von überall auf dem Court "schlechte" Würfe zu treffen?
Stauffer: Curry ist eine wirklich interessante Herausforderung, weil er gleich mehrere Skills besitzt, die sich nicht so einfach nachbilden lassen. Da wäre zum einen die Fähigkeit, seinen Wurf so ungemein schnell loszuwerden. Und natürlich die Tatsache, dass er von überall bis zur Mittellinie treffen kann. Um Currys Spiel angemessen darzustellen, müssen wir mehr verändern, als zum Beispiel nur die Rating-Skalen zu erhöhen. Das ist eines der Hauptprobleme, das durch die vielen verschiedenen Spielmodi von 2K16 noch komplexer wird. Wir arbeiten intensiv daran, neue Wege zu finden, um Currys Skillset auf das Spiel zu übertragen. Das Schwierige ist dabei, dennoch ein ausbalanciertes Gameplay zu entwickeln.
SPOX: Anpassen mussten Sie auch die Fähigkeiten von Dennis Schröder, allerdings in kleinerem Rahmen. In NBA 2K15 war er noch nicht in der Lage, zu dunken - jetzt kann er es. Wie sieht Schröders Entwicklung bei 2K aus?
Stauffer: Das Dunking-Attribut ist eines der kniffligsten von allen - und Schröder ist das perfekte Beispiel dafür. Vor der letzten Saison hatte Dennis bisher noch in keinem NBA-Spiel gedunkt. Als er den spektakulären Driving Dunk gegen die Spurs rausgehauen hat, ist sein Rating in dieser Kategorie von 25 auf 45 gesprungen. Das hat er auch in 2K16 behalten. Die Möglichkeit, die einzelnen Ratings täglich upzudaten, ist eines der coolsten Features in 2K16. So konnten wir direkt reagieren, als er das erste Mal gedunkt hat, auch wenn er die Fähigkeit beim Release von 2K15 ursprünglich nicht hatte.
nbaSPOX: Wie messen Sie den Einfluss von Verletzungen auf die Ratings?
Stauffer: Das ist auch ein schwieriger Fall, da es zu einem gewissen Teil subjektiv ist. Wir müssen entscheiden bzw. prognostizieren, wie eine bestimmte Verletzung einen Spieler und seine Fähigkeiten beeinträchtigen wird, wenn er zurückkommt. Die Annäherung wird hauptsächlich mit Hilfe von Iterationen, also mit einer großen Anzahl von Wiederholungen, gemacht. Bei langwierigen Verletzungen verändern sich daher oftmals die Ratings von der vorherigen 2K-Version bis zur neuen Auflage. Jedes Rating ist im Prinzip eine Hochrechnung, die sich aufgrund der Updates ständig verändert. Wenn sich nach einer Verletzung herausstellt, dass sich ein Spieler auf einem konstant niedrigeren Level als vorher befindet, dann wird das Rating dementsprechend sinken.
SPOX: Nowitzki spielt eine fantastische Saison, die ihm kaum jemand zugetraut hat. Gibt es eine Chance, dass sein Rating dieses Jahr noch einmal steigt?
Stauffer: Das ist es bereits, mehrfach sogar. Sein Ausgangswert im Oktober war 84 und er hat sich die gesamte Saison im Bereich um 85 aufgehalten. Das ist All-Star-Level. Als er zwischenzeitlich eine Serie von starken Spielen hingelegt hat, stieg sein Rating auf 86, anschließend stuften wir ihn allerdings wieder zurück. Aktuell hat er sich wieder verbessert und es ist gut möglich, dass sein Rating diese Saison noch einmal steigt.
SPOX: Kommen wir zu einem anderen Deutschen: Zu Beginn der Saison fehlte Tibor Pleiß im Kader der Utah Jazz - zumindest in der Pre-Order-Version. Warum wurden er und andere Rookies nicht direkt in das Spiel integriert?
Stauffer: Ich habe mir die alten Roster noch einmal angeschaut und zumindest beim offiziellen Release war er dann dabei. Wenn ein Spieler zu Beginn einer Saison noch im Kader fehlt, liegt das meist daran, dass sein Vertrag vom Team noch nicht garantiert wurde. Wenn die Saison beginnt und ein Spieler offiziell im Kader geführt wird, dann ist er auch im Spiel verfügbar.
SPOX: Wie beobachten Sie einen Spieler wie Pleiß, der schon seit Längerem in der D-League spielt? Er misst sich ja nicht mit NBA-Spielern, macht aber nichtsdestotrotz Fortschritte.
Stauffer: Normalerweise werden die Ratings nur daran gemessen, wie die Spieler auf dem NBA-Court performen. Gelegentlich kann es aber vorkommen, dass das sehr schwer ist. Zum Beispiel, wenn die Stichprobe zu klein ist und ein Spieler nur sehr wenige Minuten auf dem Feld gestanden hat. Dann ziehen wir manchmal die Stats aus der D-League oder bei internationalen Spielern auch aus der Euroleague hinzu, um sie besser einschätzen zu können. Diese Werte haben aber natürlich einen geringeren Einfluss als die Statistiken aus der NBA.
SPOX: Apropos Stats: Indem Sie Hassan Whiteside einen - eigentlich nicht möglichen - Wert von 100 für seine Block-Fähigkeit gegeben haben, machten Sie ihn im Spiel zum besten Shot-Blocker aller Zeiten. Worauf basierte diese Entscheidung?
Stauffer: Schaut man sich an, wie Hassan zu der Zeit performt hat, war er das in dem Moment auch. Die Advanced Stats haben gezeigt, dass er Würfe mit der besten Rate aller aktuellen und ehemaligen NBA-Spieler blockt. Und er hatte gerade ein Spiel mit elf Blocks hingelegt. Seine nächsten Partien waren nicht ganz so stark, daher fiel sein Rating mit dem nächsten Update wieder. Das ist auch ganz normal, denn es ist kaum möglich, das höchste Rating aller Zeiten in einer bestimmten Kategorie über einen längeren Zeitraum zu halten. Und auch hier ist Steph Curry wieder eine Ausnahme: Er ist der einzige aktuelle Spieler, der eine 99 über mehrere Roster-Updates halten konnte. Und zwar in "Dreier aus dem Stand" und in "Dreier aus der Bewegung".
SPOX: Nach einem Triple-Double im Januar 2015 sagte Whiteside in einem berühmten Post-Game-Interview, dass er lediglich versuchen würde, sein 2K-Rating zu verbessern. Im Internet ist zu lesen, dass es damals mit dem nächsten Update von 59 auf 77 stieg. Ist das korrekt?
spoxStauffer: Nein, das stimmt so nicht ganz. Hassans Rating ist über die letzten Jahre konstant gestiegen - gemäß seiner Entwicklung. Auch wenn die breite Öffentlichkeit erst nach dem spektakulären Triple-Double und dem Interview so richtig darauf aufmerksam wurde. Bei 2K14 startete er mit einer 59, aber zum Release von 2K15 stand er schon bei 69. Und wie sich sein Spiel im Laufe der Saison verbessert hat, so stieg auch sein Rating. Dennoch hat es nach dem Triple-Double noch einmal einen Sprung gemacht - allerdings nur von 75 auf 77. Inzwischen ist er durch seine Leistungen bei einem Wert von 86 angekommen.
SPOX: Erhalten Sie öfter Feedback zu den Ratings von Spielern oder deren Agenten? Und kam schon einmal jemand mit dem konkreten Wunsch zu Ihnen, einen besseren Wert zu bekommen?
Stauffner: Ja, Spieler schreiben mich wegen der Ratings an. Das kommt ab und zu vor, meist per Twitter. Es macht immer Spaß und ist interessant, das Ganze aus der Sicht der Spieler zu hören. Manche Eindrücke bekommt man eben nicht, indem man auf die Stats schaut oder sich ein Spiel anguckt. Die Spieler haben besondere Informationen, nicht zwangsläufig über ihr eigenes Spiel, sondern oft auch über die Fähigkeiten anderer Spieler. Und so viel kann ich sagen: Immer, wenn sich ein Spieler bei mir meldet, werfe ich nochmal einen besonders langen Blick auf seine individuellen Fähigkeiten.