Hakeem Olajuwon gilt als einer der besten Spieler aller Zeiten und Großmeister der Post-Moves. SPOX sprach mit der Rockets-Legende über den Trend zum Small-Ball, die besten Center und die Entstehung des Dream-Shakes. Außerdem: Warum es nichts Schlechtes sein muss, Basketball erst mit 17 Jahren kennenzulernen.
nbaSPOX: Mr. Olajuwon, was halten Sie von folgender Aussage? 'Es wird nie wieder eine Karriere wie die von Hakeem Olajuwon geben.'
Hakeem Olajuwon (lacht): Interessante Frage. Wie kommen Sie denn dazu?
SPOX: Ihr Weg scheint von so unglaublichen vielen Zufällen und günstigen Umständen geprägt. Sie haben beispielsweise erst sehr spät mit Basketball begonnen...
Olajuwon: Richtig, mit 17 Jahren. In Nigeria war Basketball noch fast gänzlich unbekannt. In meinem letzten Jahr an der High School kamen zwei Coaches in die Klasse und sagten uns, dass wir uns der Reihe nach aufstellen sollten. Ich war groß, also wurde auf mich und einen meiner Mitschüler gezeigt, und wir sollten es dann mal mit Basketball versuchen. Ich hatte natürlich noch keine Ahnung von den Regeln. (lacht)
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SPOX: Aber immerhin gute athletische Voraussetzungen...
Olajuwon: Ja, ich hatte mein Leben lang bereits Fußball und Handball gespielt, war also sehr fit und konnte mich auch bewegen wie ein Sportler. Gerade vom Fußball hatte ich bereits eine gute Fußarbeit. Ich hatte nur noch keinerlei Basketball-Skills. Also versuchte ich, Bewegungen aus Handball und Fußball auf den neuen Sport zu übertragen, während ich noch die Regeln lernte. Der Dream-Shake kam auf diese Weise zustande - ich schüttelte meine Gegenspieler im Basketball auf ähnliche Weise ab wie zuvor im Fußball. Das hat mir enorm dabei geholfen, mich schnell im Basketball zurechtzufinden.
SPOX: Da hätten wir einen Umstand, den man nur schwer replizieren könnte. Und noch einer: Als sie an die Universität von Houston kamen, nahm Sie kein Geringerer als der damalige Rocket Moses Malone unter seine Fittiche.
Olajuwon: Das stimmt. Moses war zu dieser Zeit der beste Center der Liga und gerade MVP geworden. Er spielte in seiner Freizeit ständig Eins-gegen-Eins gegen mich, vor allem im Sommer vor meinem Freshman-Jahr am College. Das war für mein Selbstbewusstsein unglaublich wichtig. Wenn du einen Sommer lang Eins-gegen-Eins gegen den besten Center der Welt gespielt hast, was sollen dann die College-Center gegen dich ausrichten? (lacht) Ich wurde vom Besten trainiert, habe gegen den Besten gespielt. Danach war ich davon überzeugt, auf dem College-Level dominieren zu können.
SPOX: Im September 2015 verstarb Malone. Welche Bedeutung hatte er für Ihr Leben?
Olajuwon: Eine sehr große. Ich bin überzeugt davon, dass ich nie so viel hätte erreichen können, wenn ich nicht diese Zeit mit ihm verbracht hätte. Er war ein großartiger Mann, ein toller Mentor. Nicht immer der freundlichste Zeitgenosse, aber du konntest dir jederzeit sicher sein, dass er für dich da war. Ich verdanke ihm unglaublich viel.
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SPOX: Denken Sie manchmal darüber nach, was passiert wäre, wenn es diese Umstände nicht gegeben hätte? Wenn Sie Basketball beispielsweise in einem anderen Alter kennengelernt hätten?
Olajuwon (lacht): Das ist wirklich schwer zu sagen. Ich glaube, dass ich viel Glück hatte, Basketball zu genau diesem Zeitpunkt kennenzulernen. Es hat sicher auch Vorteile, früher anzufangen, aber ich sehe folgenden Nachteil: Wenn man jünger ist, ist der Ball einfach deutlich größer, in einem anderen Verhältnis zur Körpergröße des Spielers. Ich sehe häufig Spieler, die sich im jungen Alter ein falsches Dribbling, einen falschen Wurf antrainiert haben, weil sie nicht die nötige Kraft und Größe hatten, als sie anfingen. Ich dagegen war schon fast ausgewachsen und kräftig genug, mir sofort die richtigen Fundamentals anzueignen, das Spiel auf die richtige Art zu lernen. Andererseits hatte ich natürlich nicht die Erfahrung eines Spielers, der sein ganzes Leben über Basketball gespielt hat... Ich glaube, ich habe trotzdem genug erreicht! (lacht)
SPOX: Das kann man wohl so sagen. Dann kommen wir mal auf das aktuellere Geschehen zu sprechen. Sie waren in den letzten Jahren für viele Spieler als Mentor tätig, was das Spiel im Lowpost angeht. Wenn Sie sich heute in der Liga umsehen - gibt es Spieler, bei denen Sie denken: 'Dem würde ich gerne beim Aufbau eines Post-Games helfen'?
spoxOlajuwon: Bei zu vielen Spielern, um sie alle aufzuzählen. Es gibt aktuell so viele Spieler, die auf ihrer Position Größenvorteile haben, die aber gar nicht erst Position im Post beziehen und den Ball fordern. Es ist aktuell bei fast keinem Team mehr ein Fokus der Offense, nach Mismatches zu suchen und von dieser Ausgangslage aus den Angriff zu initiieren. Das gilt übrigens nicht nur für Big Men.
SPOX: Auch den klassischen aufpostenden Point Guard a la Mark Jackson gibt es nicht mehr wirklich zu sehen...
Olajuwon: Genau. Ich sehe das so: Jeder Basketball-Spieler, unabhängig von seiner Position, sollte so komplett agieren wie möglich. Der Jumper ist heute noch wichtiger als früher, Post-Game, Outside-Game, Crossover - all dies solltest du mitbringen, damit du in jeder Situation aggressiv sein kannst und ständig auf alles reagieren kannst, was die Defense dir gibt. Das Post-Game kann auch bei Guards enorm wichtig sein. Ein Beispiel ist Kobe Bryant, der auch schon vor seinen ganzen Verletzungen den Großteil seiner Punkte erzielt hat, weil er akribisch die Fußarbeit studiert hat. Diese Arbeit wird heute leider nicht mehr wirklich investiert, obwohl das Post-Game, wenn du es erst beherrscht, unglaublich viele Vorteile mit sich bringt - nicht nur bei Big Men, sondern auf allen Positionen.
nbaSPOX: Ich komme auf das Thema zu sprechen, da aktuell niemand in der Lage zu sein scheint, die Warriors konstant zu bestrafen, wenn sie Small-Ball mit Draymond Green auf der Fünf spielen. Hätte dieser Stil in Ihrer Zeit, in der auch beispielsweise Patrick Ewing und David Robinson aktiv waren, ebenfalls funktionieren können?
Olajuwon: Das ist schwer, so allgemein zu beantworten. Ich denke, dass Golden State jedes Team der Geschichte schlagen könnte, wenn der Dreier fällt. Ich wäre mir aber nicht so sicher, wenn sie einfach einen "normalen" Shooting-Tag hätten. Es war damals so, und wird auch immer so bleiben: Wenn ein Team konstant die Rebounds kontrolliert, hat es die besten Aussichten. Wenn du in der Lage bist, jeden gegnerischen Fehlwurf einzusammeln und deine Größenvorteile auch in der Offense einzusetzen, wirst du das Spiel in der Regel gewinnen. Ich bezweifle daher, dass diese kleinen Aufstellungen der Warriors auch zu meiner Zeit derart effektiv gewesen wären.
SPOX: Rebounds holen, Größenvorteile einsetzen - das klingt so einfach. Wie kommt es dann, dass aktuell fast niemand gegen Golden State versucht, den Small-Ball mit mehr Länge zu kontern?
Olajuwon: Die Liga hat sich einfach sehr gewandelt. Inside-Game ist wie gesagt häufig kein Fokus mehr. Viele Teams machen den Fehler, mit den Warriors um die Wette werfen zu wollen, und konzentrieren sich dann eben auch fast nur auf den Jumper. Nur hat eben kein anderes Team Stephen Curry und Klay Thompson. Die Big Men werden heutzutage häufig nur als Blocksteller eingesetzt, damit die Flügelspieler für einen Wurf frei werden. Sie rollen auch selten zum Korb ab, sondern bewegen sich selbst eher nach draußen. Fast niemand versucht noch, im Post Double- oder Triple-Teams auf sich zu ziehen und von dieser Position aus Offense zu kreieren.
SPOX: Stirbt diese Art des Spiels denn Ihrer Meinung nach aus?
Olajuwon: Nein, zumindest bisher nicht. Das Post-Game ist nicht tot. Es gibt immer noch eine Handvoll Spieler, die damit sehr effektiv sind. Und man sieht es jedes Mal: Ein Spieler mit guten Lowpost-Skills kann auch heute noch jede Defense auseinandernehmen.
SPOX: Die Spurs gehören derzeit zu den ganz wenigen Teams, die zumeist mit zwei echten Big Men spielen. Denken Sie, das könnte in einer Playoffserie zum Schlüssel gegen die Warriors werden?
Olajuwon: Schwer zu sagen. Golden State und San Antonio sind jeweils Teams, die ihren Stärken entsprechend agieren. Die Spurs spielen langsamer und können ihre Gegner methodisch ausspielen, während die Warriors den schnellen Stil und das Chaos lieben - viele ihrer Würfe kommen am Anfang der Shotclock, gegen eine unsortierte Defense. Es dürfte am Ende entscheidend sein, wer dem anderen Team konstanter sein Spieltempo aufzwingen kann. Das kann eine richtig gute Serie werden.
SPOX: Gibt es derzeit einen jungen Center, der in den nächsten Jahren Ihrer Meinung nach das "Gegengift" zum Small-Ball-Trend werden könnte?
Olajuwon: Die besten Chancen hat wohl DeMarcus Cousins. Wenn er fit ist, ist er fantastisch - denn er hat das komplette Paket. Er ist unglaublich kräftig und trotzdem schnell, hat einen guten Touch am Korb und einen guten Jumper. Er kann passen, und was ihn momentan vielleicht am meisten abhebt: Cousins kann dribbeln! Er gehört zu den wenigen Big Men, die einen Fastbreak selbst laufen können. In der Hinsicht erinnert er mich ein wenig an meine Zeit, denn damals gab es einige Center oder Power Forwards, die tatsächlich jeden Part der Offense übernehmen konnten. Natürlich macht auch er noch Fehler, er müsste meiner Meinung nach auch nicht so viele Dreier werfen. Trotzdem bin ich ein großer Fan.
SPOX: Und wie denken Sie aktuell über Ihren langjährigen "Schützling" Dwight Howard?
Olajuwon: Bei ihm ist es ein bisschen schwierig, weil er in den letzten Jahren so viele Verletzungen hatte. Das wirkt sich natürlich auch auf die Leistungen aus, er hatte nicht diese Konstanz wie noch in Orlando. Aber ich bleibe trotzdem der Meinung, dass er vom Talent her ein idealer Big Man für diese Liga ist.
Hakeem Olajuwon: More than a Dream
SPOX: Apropos Konstanz - die lassen die Rockets in dieser Saison ebenfalls vermissen. Was ist bei Ihrem früheren Team nach den Conference Finals im Vorjahr schief gelaufen?
Olajuwon: Zunächst mal fand ich es persönlich sehr schade, dass Kevin McHale so früh gefeuert wurde - denn die Probleme am Anfang waren nicht seine Schuld. Das Team kam etwas zu satt aus der Offseason, obwohl es dafür eigentlich keinen Grund gab. Sie waren zwar im Jahr zuvor erfolgreich, sind aber nicht Meister geworden - danach hätten sie eigentlich erst recht hungrig sein müssen, doch das war zunächst nicht der Fall. Körpersprache und Einsatz waren nicht gut, ich denke auch, dass Josh Smith dem Team zum Saisonstart mehr gefehlt hat, als man es vielleicht hätte erwarten können. Aber ich denke, dass die Rockets seitdem wieder Fortschritte gemacht haben. Und glauben Sie mir: Es ist besser, früh Spiele zu verlieren, weil man danach immer noch die Möglichkeit hat, auf Probleme zu reagieren. Das wichtigste ist, dass man zur richtigen Zeit seinen besten Basketball spielt.
SPOX: Da sprechen Sie aus eigener Erfahrung. 1995 wurden Sie als 6-Seed noch Meister.
Olajuwon (lacht): Richtig. Damals haben wir als amtierender Meister auch keine besonders gute Regular Season gespielt, aber zu den Playoffs hin griffen dann alle Teile wieder ineinander. Ich weiß nicht, ob die Rockets dieses Jahr einen ähnlichen Run hinlegen können, aber zumindest das Talent dafür haben sie. Das haben wir vor nicht einmal zwölf Monaten schon gesehen. Ich würde sie zumindest nicht abschreiben.