Zumindest kein Harden 2.0

Ole Frerks
24. Juni 201615:00
Serge Ibaka verbrachte bisher seine gesamte NBA-Karriere bei den Thunder getty
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Im Rahmen des Drafts 2016 sorgten die Thunder und Magic für eine faustdicke Überraschung: Serge Ibaka wurde mehreren Teams angeboten und letztlich nach Orlando getradet. Eine Logik dahinter ist erkennbar und erinnert an den Trade von James Harden im Jahr 2012 - so schlecht wie damals kommt General Manager Sam Presti diesmal aber nicht weg. SPOX analysiert den Deal aus Sicht beider Teams.

Der Trade: Serge Ibaka zu den Magic, Victor Oladipo, Ersan Ilyasova und der No.11-Pick (Domantas Sabonis) zu den Thunder

Was hat sich OKC dabei gedacht?

Zunächst scheint es ziemlich merkwürdig, dass ein Team, das nur wenige Minuten vom Einzug in die Finals entfernt war, einen seiner langjährigen Starter und Leistungsträger abgibt, statt es noch einmal in der gleichen Besetzung zu versuchen. Allerdings hatte der Deal aus OKC-Sicht durchaus Gründe, und zwar sowohl sportlich als auch (vor allem) finanziell.

Ibaka geht in sein letztes Vertragsjahr, genau wie Russell Westbrook sowie Steven Adams und Andre Roberson, wobei letztere zwei Restricted Free Agents werden. Kevin Durant ist bekanntlich schon in diesem Sommer dran. Das wären nicht weniger als alle fünf Mitglieder der letztjährigen Starting Five gewesen, die allesamt innerhalb von einem Jahr neue Verträge haben wollen, wobei der diesjährige RFA Dion Waiters in dieser Liste noch nicht einmal auftaucht.

Geht man von Maximalverträgen für KD und Russ sowie einer fetten Gehaltserhöhung für Adams (derzeit nur 3 Millionen im Rahmen seines Rookie-Vertrags) aus, ist es logisch, dass zumindest einer dieser Spieler gehen musste - auch unter dem neuen Salary Cap konnte oder wollte OKC schlichtweg nicht alle Leistungsträger so fürstlich entlohnen.

Eine ähnliche Situation erlebte man in OKC schon 2012, als unmittelbar nach der Finals-Teilnahme James Harden nach Houston verschifft wurde, weil die Thunder nicht auch noch ihn üppig bezahlen wollten. Damals fiel die Wahl auf Durant, Westbrook und - ironischerweise - Ibaka. Der Harden-Trade ging als einer der schlechtesten NBA-Trades überhaupt in die Geschichte ein, bevor Adams innerhalb der letzten Saison zu einem waschechten Biest auf der Fünf mutierte.

Diesen Stempel wird Sam Presti für den Trade vom Donnerstag allerdings nicht bekommen. Denn auch wenn der finanzielle Aspekt bei OKC aufgrund der Vergangenheit einen bitteren Beigeschmack hat, kann man für diesen Trade auch aus sportlicher Sicht Argumente finden. Kurioserweise hat ausgerechnet der Aufstieg von Adams Ibaka ein Stück weit entbehrlich gemacht.

Während Domantas Sabonis ein Zukunftsprojekt ist und Ersan Ilyasova wohl nur eine recht kleine Rolle zukommen wird, bekam OKC mit Victor Oladipo zudem einen Spieler, der sofort helfen kann und zudem eine Lücke füllt. Mit dem ebenfalls gern gesehenen Zusatz, dass er erst 2017 Restricted Free Agent wird, billiger als Ibaka ist und verhindert, dass man Waiters um jeden Preis halten muss.

'Dipo passt als defensivstarker Spieler gut nach OKC und dürfte auch offensiv gut funktionieren: In Orlando wurde häufig zu viel von ihm verlangt, bei den Thunder kann er als dritte oder vierte Option mehr nach seinen Stärken eingesetzt werden. Auch als Playmaker bringt er natürlich mehr als Ibaka, der sich in den letzten Jahren zum reinen (aber mittelmäßigen) Spot-Up-Shooter entwickelt hat und offensiv sonst wenig beitrug.

Ilyasova verfügt über einen nicht garantierten Vertrag. Sollte OKC ihn nicht als Wunschoption auf der Vier ansehen, könnte man ihn entlassen und auf dem Free-Agent-Markt noch einmal nachbessern. Der Deal macht die Thunder finanziell wie spielerisch flexibler. Auch für den schlimmsten Fall, also einem Abgang von KD, hätte OKC hiermit etwas mehr Spielraum, um den Verlust zu kompensieren.

Warum ist der Trade trotzdem riskant?

Weil man eben keine Garantien hat. Bei allen rationalen Gründen, die für den Trade sprachen, ist folgendes eben doch eine Tatsache: Die Thunder waren letztlich nur wenige Minuten von den Finals entfernt. Sie hatten erst die beste Saison in der Franchise-Geschichte der Spurs beendet, nur um dann auch noch scheinbar den unknackbaren Warriors-Code zu dechiffrieren.

Ein paar Heldentaten der Splash Brothers verhinderten die Rückkehr in die Finals für OKC zwar, trotzdem war die vergangene Postseason eigentlich ein Ausrufezeichen der Thunder. Sie hatten die Größe und Power, um San Antonio zu zermürben, und gleichzeitig die Schnelligkeit und Athletik, um die Warriors teilweise mit den eigenen Waffen zu schlagen. Ibaka war ein wichtiger Teil davon.

Ja, der spanische Kongolese (Kongo-Spanier?) ist nicht der Offensiv-Spieler, den man sich einst erhofft hatte, und hat die Tendenz, im Angriff immer mal völlig unsichtbar zu agieren. Seine Blocks, Rebounds, Punkte und auch die Dreierquote gingen in den letzten zwei Jahren beständig runter. Defensiv dürfte er dennoch kaum zu ersetzen sein.

Gerade gegen die Warriors war OKC dann am besten, wenn man das "kleine" Lineup mit Durant auf der Vier und Ibaka auf der Fünf spielen ließ. Beide glänzten mit elitärer Rim-Protection und Help-Defense - und einer Schnelligkeit, die Adams bei aller Qualität so eben nicht mitbringt. Genau genommen tut das außer Draymond Green und LeBron James sonst ohnehin kaum ein Spieler.

Oladipo ist nominell ein Upgrade gegenüber Roberson und auch Waiters, wobei er das auch erst in einer neuen Rolle beweisen muss. Dennoch hätte ein Swingman wie er den Thunder in den Western Finals sicher gut zu Gesicht gestanden, als dem Team am Ende ein wenig die Puste auszugehen schien. Auch er muss freilich noch an seiner Konstanz von der Dreierlinie arbeiten, gerade als Spot-Up-Shooter.

Ob er, auch in Kombination mit Ilyasova und Sabonis, aber auch ein Upgrade gegenüber Ibaka darstellt, darf dennoch zumindest angezweifelt werden. Es hätte vieles dafür gesprochen, es mit dieser Truppe noch ein womöglich letztes Mal zu versuchen und statt Oladipo eben einen Veteranen für die Flügelrotation zu verpflichten. Man war schließlich wirklich, wirklich, wirklich nah dran.

Letztlich wog das finanzielle Argument aber wohl doch etwas schwerer - nicht zum ersten Mal.

Was will Orlando mit Ibaka?

Seit Dwight Howard 2012 den Dwightmare beendete und sich nach Los Angeles verabschiedete, hatten die Magic drei Top-5-Picks (und einen weiteren Lottery-Pick) zur Verfügung, einen echten Sprung haben sie trotzdem nie hinbekommen. Mittlerweile hat in Disney Land eigentlich niemand mehr Lust auf einen Rebuild und insofern ist es verständlich, dass man sich vom diesjährigen Lottery-Pick sowie Oladipo getrennt hat, der zwar seine Qualitäten hat, aber wohl kein All-Star-Potenzial.

Weniger verständlich ist, dass Orlando die "direkte" Verstärkung ausgerechnet in Ibaka sieht, zumal der Big Man nur noch ein Jahr Vertrag hat und es keineswegs garantiert ist, dass er darüber hinaus bei den Magic bleiben wird. Selbst wenn er länger bleiben sollte, ist Ibaka jedoch kein Spieler, der ein Lottery-Team im Alleingang zum Playoff-Team macht.

Bei allen Defensivqualitäten ist Ibaka himmelweit davon entfernt, eine erste Option in der Offense oder ähnliches zu sein. Zumal er nominell auch noch die gleiche Position spielt wie der womöglich talentierteste Magic-Spieler Aaron Gordon. Es sei denn, Mario Hezonja macht nach einem enttäuschenden Rookie-Jahr einen großen Sprung.

Orlando hat vermutlich noch weitere Moves vor sich und insofern kann man GM Rob Hennigan aus diesem Trade allein noch keinen Strick drehen, für sich genommen kamen die Magic hier jedoch nicht gut weg.

Ibaka ist ein System-, kein Star-Spieler, das haben die letzten Jahre gezeigt. Sein Wert war für Oklahoma City um einiges höher, da er sich neben den beiden balldominanten Superstars ganz auf seine Stärken konzentrieren konnte. Ob er diesen Wert in Orlando ansatzweise reproduzieren kann, weiß man erst am Ende der Free Agency, auf den ersten und zweiten Blick erscheint es aber doch eher fraglich.

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