Wer sich dieser Tage über die NBA-Finals informiert, der muss sich bereits in der Offseason wähnen - dabei sind bisher - höchstens - 50 Prozent der letzten Serie absolviert. Egal, das Ding ist durch, Golden State hat den Repeat, jetzt geht es nur noch darum, wer sich den Finals-MVP-Award sichert. Die Cavs dagegen haben komplett versagt, LeBron James hat mal wieder keine Hilfe, und eigentlich ist man ja noch schlechter als im letzten Jahr. Und die Experten ärgern sich, weil sie es ja eigentlich alle haben kommen sehen, aber dann trotzdem zu feige waren, auf "Warriors in 4" zu tippen.
Man sollte meinen, das NBA-Kollektiv hätte aus den Western Conference Finals gelernt, als die Warriors ebenfalls nach zwei klar verlorenen Auswärtsspielen abgeschrieben waren und das Duell gegen die Thunder dann doch noch herum rissen. Dem ist aber nicht so.
"Wird LeBron wie ein Besessener spielen?
Gründe für eine "Das Ding ist durch!"-Mentalität gibt es sicherlich. Noch nie in der NBA-Geschichte hat ein Team die ersten beiden Spiele derart klar verloren. Von 31 Serien konnten nur drei 0-2-Teams das Ruder noch herumreißen. Und im Gegensatz zu Warriors-OKC ist der Trend hier durchaus konstant: Die letzten sieben Spiele gegen die Cavs gingen an den amtierenden Champion, und die 100-Punkte-Marke wurde schon eine schiere Ewigkeit nicht mehr von LeBron und Co. geknackt.
"In 24 Stunden steht LeBron James vor dem wichtigsten Spiel seiner Karriere", kündigte ESPN-Talker Skip Bayless höchst ominös über Twitter an. "Wird er endlich wie ein Besessener spielen und die Finals drehen? Oder wird er gesweept." Über das wichtigste Spiel der James'schen Karriere kann man sicherlich geteilter Meinung sein. Aber klar ist: Bei 3-0 ist der Traum von einem Ring für "The Land", wie Cleveland manchmal genannt wird, wohl endgültig geplatzt.
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"Natürlich ist das ein 'alles oder nichts'-Spiel für uns", erklärte James im Vorfeld der Partie, die um 3 Uhr deutscher Zeit in der Quicken Loans Arena in Cleveland beginnen wird. "Einen 0-3-Rückstand können wir uns nicht leisten, schon gar nicht gegen ein Team mit einer Bilanz von 73-9, das einen solchen Basketball spielt." Deshalb "werden wir alles geben und alles was in uns steckt auf dem Court lassen."
Mozgov als Love-Ersatz?
Kevin Love wird diesen Court allerdings nicht betreten können. Nachdem der Big Man in Spiel 2 einen Ellbogen von Harrison Barnes an den Hinterkopf bekommen und die Partie zur Halbzeit benommen hatte abbrechen müssen, entschieden unabhängige Ärzte, dass er nicht rechtzeitig wieder fit wird.
Wer könnte nun für Love in die Bresche springen? Erster Kandidat ist wohl Center Timofey Mozgov, sollte Lue auf ein großes Lineup setzen. Das hatte den Warriors im vergangenen Jahr die größten Probleme bereitet. "Timo muss bereit sein", forderte der Coach von dem Mann, auf den er in den letzten Wochen und Monaten kaum noch gebaut hatte. "Es gibt die Chance und die Möglichkeit, dass er spielt, wir haben als Trainerstab darüber gesprochen. Er muss bereit sein, dann sehen wir weiter."
14 Punkte und 7 Rebounds hatte der Hüne in den Finals 2015 in 28 Minuten Spielzeit im Schnitt aufgelegt. Gelingt ihm das erneut, steigen die Chancen auf ein Spiel 5 in der Bay Area.
"Irving muss gute Entscheidungen treffen"
Wichtiger könnte ohnehin ein gutes Spiel von Point Guard Kyrie Irving sein, schließlich könnte auch Channing Frye in die Rolle von Love schlüpfen, um vom Perimeter zu punkten. Irving hatte 2015 in Spiel 1 überzeugt, nur um sich dann schwer zu verletzen. Diesmal läuft noch nicht viel zusammen für den pfeilschnellen Eins-gegen-eins-Künstler.
"Ich hatte in Spiel 2 ein paar Möglichkeiten, die ich nicht genutzt habe", zeigte sich "Uncle Drew" selbstkritisch. "Ich habe mich von ihrer Defense beeinflussen lassen." Auch Lue forderte mehr von seinem Aufbauspieler: "Er kann eins-gegen-eins gehen, weil sie alles switchen. Aber er muss schnell und clever sein. " Irving sei "ein Scorer, ein ganz besonderer Spieler. [...] Aber er muss schnelle Entscheidungen treffen und das weiß er."
Dann könnte es auch im Zusammenspiel zwischen ihm und James klappen. Dem hat er in den ersten zwei Partien bislang einen einzigen Wurf aufgelegt. Und auch ein LeBron James hat es gegen eine solche Defense schwer, wenn nie leichte Würfe für ihn kreiert werden.
"Cavs wissen, dass Golden State besser ist"
Was bleibt an Optionen für Cleveland? Wie können die Diskussionen um eine falsche Kaderplanung, mögliche Offseason-Trades und Kritik an James eingedämmt werden? Mit einem langsamen Spielaufbau, langen Kerls und viel Post-Spiel? "Sie lassen LeBron im Post spielen", erklärte Lue. "Sie lassen auch Kevin nicht im Post spielen. Sie kommen und doppeln, das haben sie zuvor nicht gemacht." Also lieber noch mehr von draußen? Aber da wird alles geswitcht, mit dem Resultat dass es bisher kaum freie Würfe für Frye, J.R. Smith und Co. gab.
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Es klingt, als hätte Magic Johnson Recht. Der hatte über Twitter verlauten lassen: "Es gibt einen Punkt in den NBA Finals, an dem das eine Team weiß, dass das andere Team besser ist. Die Cavs wissen das mittlerweile."
Und wenn das die Warriors auch wissen? Vielleicht ist das die einzige Chance für den Außenseiter: Nachlässigkeit beim Titelverteidiger. Der hatte schon in früheren Serien in dritten Spielen nicht gut ausgesehen. Während Spieler wie Klay Thompson sich im Scherz mit den "Showtime Lakers" anlegen, muss sich Coach Steve Kerr auf das Team vor ihm konzentrieren.
So wie es Lue auch tut. Aber während Kerr den Kurs halten kann, muss er unbedingt ein Ass aus dem Ärmel ziehen. "Unser Coach wird uns eine Taktik geben und dann liegt es an uns, sie umzusetzen", betonte James.
Wenn es denn nur so einfach wäre.