"Mein Traum ist keineswegs geplatzt"

Ole Frerks
07. Juli 201611:00
Tibor Pleiß sah vergangene Saison nur 82 Minuten Spielzeit in der NBA getty
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Die erste NBA-Saison war mit nur 82 Minuten Spielzeit kein Triumphzug, dennoch sieht sich Tibor Pleiß unfair bewertet. SPOX sprach mit dem Center über Anpassungsschwierigkeiten, das Abschiedsspiel von Kobe Bryant und seine Arbeit im Sommer. Außerdem: Was er sich in der kommenden Saison von den Utah Jazz erhofft.

SPOX: Herr Pleiß, nach kurzem Urlaub sind Sie jetzt schon wieder bei der Summer League am Start. Ab wann war Ihre Offseason vorbei?

Tibor Pleiß: Mit dem offiziellen Training für die Summer League haben wir in Salt Lake City erst am vergangenen Freitag begonnen, persönlich trainiere ich aber bereits seit mehr als sieben Wochen.

SPOX: Hatten Sie dann denn überhaupt Zeit, um abzuschalten?

Pleiß: Ja, die gab es schon. Nach der Saison habe ich erstmal zwei Wochen Urlaub gemacht und war erst in Mexiko, bevor ich nach Deutschland zu meiner Familie gefahren bin. Die hatte ich ja auch schon länger nicht mehr gesehen. Danach habe ich dann aber auch eigentlich gleich wieder losgelegt.

SPOX: Welchen Fokus hatten Sie in dieser Trainingszeit?

Pleiß: Ich habe an meiner Athletik gearbeitet. Knapp sechs Wochen lang war ich in Santa Barbara und habe P3 absolviert. Das ist ein Programm, bei dem man im Kraftraum mit einem Personal Trainer gezielt an Schwächen arbeitet und das sehr viele NBA-Spieler nutzen. Die Jazz machen dort beispielsweise ihre gesamten Athletik-Tests, deswegen habe ich dort auch viele bekannte Gesichter angetroffen. Andre Drummond habe ich dort auch mal gesehen. Viele kommen dort für einzelne Workouts hin, es gibt aber eben auch wie bei mir die Option, dort über Wochen ein komplettes Programm durchzuziehen.

SPOX: Sechs Wochen Athletik- und Krafttraining klingt nach einem anstrengenden Sommer.

Pleiß: (lacht) Ja, aber das ging schon und ich wollte es ja auch so. Ich hatte nach dem Training trotzdem immer die Zeit, ein wenig abzuschalten und die Stadt zu genießen, da bietet Santa Barbara und die ganze Umgebung in Kalifornien ja sehr gute Voraussetzungen.

SPOX: Ich nehme an, dass Sie spätestens dann auch ein Fazit zur ersten NBA-Saison ziehen konnten. Lassen Sie uns daran teilhaben?

Pleiß: Man könnte es jetzt negativ sehen und sagen, dass ich nur sehr wenig gespielt habe und natürlich hätte ich mir da mehr erwünscht. Aber ich bewerte das anders. Und auch meine Erfahrungen in der D-League waren sehr positiv! Ich stand dort 35 Minuten pro Spiel auf dem Feld und konnte vor allem auch ausprobieren. Ich durfte werfen und an meinen Moves feilen, anstatt den Ball immer gleich weiterzupassen. Gerade meinen Wurf hatte ich in den Jahren davor ja kaum einsetzen können.

SPOX: Wie war dann die Umstellung, als Sie zurück zu den Jazz geholt wurden und andersherum? Kam da auch mal Frust auf?

Pleiß: Nein, bei meinem zweiten Gang in die D-League etwa hatte ich das ja selbst vorgeschlagen. Aber ich habe natürlich auch bei den Jazz versucht, stets positiv zu bleiben und mein Bestes zu geben. Auch dort hatte ich sehr viel Spaß, auch wenn ich natürlich gerne mehr gespielt hätte.

SPOX: Es ist gerade bei internationalen Rookies ja keineswegs ungewöhnlich, dass sie zwischen NBA und D-League pendeln. In Deutschland ist dieses System jedoch eher unbekannt und deswegen wird Spielern leicht mal voreilig ein "geplatzter Traum" attestiert. Das war bei Dennis Schröder auch schon so, bei Ihnen nun noch extremer. Wie reagieren Sie darauf?

Pleiß: Darüber kann ich eigentlich nur lachen, da das einfach blödsinnig ist. Es ist doch so: Ich habe es in die NBA geschafft, als einer von momentan drei deutschen Spielern, auch wenn Paul Zipser jetzt hoffentlich nachzieht. Jeder Basketball-Spieler der Welt möchte dorthin und ich bin bereits hier. War deswegen alles perfekt? Natürlich nicht, die Umstellung nach zehn Jahren Profi-Basketball in Europa war auch keineswegs leicht, weil hier einfach anders gespielt wird. Mein Traum ist daher keineswegs geplatzt. Ich habe mir meinen Traum erfüllt und jetzt geht es noch weiter. So sehe ich das!

SPOX: Können Sie erklären, inwiefern genau die Umstellung schwergefallen ist?

Pleiß: Es geht da um einige Aspekte. Zunächst mal wird hier deutlich schneller und athletischer agiert als in Europa - dort werden mehr Systeme gelaufen, hier geht es mehr rauf und runter und der Korb wird auch schneller attackiert. Und dann sind natürlich auch die Regeln anders. In einem Vorbereitungsspiel etwa bin ich automatisch hochgesprungen, um einen ruhenden Ball vom Ring zu kratzen, weil ich das einfach so im System hatte. Das war dann natürlich Goaltending! (lacht) An so etwas muss man sich erst gewöhnen, genau wie an einige andere Regeln im defensiven Stellungsspiel.

SPOX: Ein Problem, dass gerade in der D-League ziemlich häufig vorkam, waren die Fouls. Woran lag das?

Pleiß: In der D-League wird ganz anders gepfiffen als in der NBA oder auch in Europa. Dort wird sehr kleinlich fast alles unterbunden und man kann da nicht wirklich etwas dran ändern. Ich sollte ja aggressiv spielen und habe das auch gemacht. Was dann passiert, kann ich nur bedingt kontrollieren. Der Schiri sitzt da am längeren Hebel, deswegen habe ich einfach versucht, mich da nicht von meiner Spielweise abbringen zu lassen.

SPOX: Wie häufig haben Sie während der Zeit in der D-League Feedback vom Coaching Staff der Jazz bekommen?

Pleiß: Wir standen viel in Kontakt und haben regelmäßig telefoniert. Die Coaches haben mich ermutigt, Dinge auszuprobieren und einfach Spielpraxis zu sammeln. Ich war froh darüber, schließlich bin ich zum Spielen rübergewechselt und nicht für die guten Plätze auf der Tribüne. Zwischenzeitlich gab es dann mal etwas weniger Kontakt, weil das Team ja mitten im Playoff-Kampf steckte und wirklich andere Sorgen hatte. Aber sobald ich zurück war, wurde ich sofort wieder wie der Teil der Mannschaft aufgenommen, der ich ja auch war.

SPOX: Während der Saison fielen sowohl Derrick Favors als auch Rudy Gobert mal länger aus. Hätten Sie da eine Chance für Sie erwartet?

Pleiß: Ja, man hofft natürlich immer. Im Januar gab es da auch mal eine Phase, in der ich dreimal hintereinander eingesetzt wurde und auch einige Minuten bekommen habe. Aber die Spiele liefen nicht ideal, dann kamen Rudy und Derrick auch schnell wieder zurück und das Fenster war gewissermaßen zu. Natürlich hätte ich mir mehr erhofft, aber ich musste mich letzten Endes damit abfinden, dass ich nicht im Fokus stand. Umso mehr habe ich dafür gearbeitet, dass es in der kommenden Saison anders wird.

SPOX: Wurde Ihnen das am Saisonende in Aussicht gestellt? Jeder Spieler bekommt ja traditionell ein Exit-Interview vor dem Urlaub.

Pleiß: Es war ein sehr positives Gespräch mit Coach Quin Synder und GM Dennis Lindsey. Es hat ihnen ein Stück weit imponiert, wie ich mit der Situation umgegangen bin, die ja nicht ganz einfach war. Ich habe noch Ziele und das haben sie auch erkannt. Es hat ihnen auch gefallen, dass ich am Ende der Saison in der D-League im Schnitt auf ein Double-Double kam. Natürlich haben sie aber auch gesagt, dass ich selbst für mein Schicksal verantwortlich bin, aber damit kann ich gut leben.

SPOX: Haben die Jazz Ihnen etwas mit auf den Weg gegeben, woran Sie im Sommer arbeiten sollten?

Pleiß: Es war ihnen sehr wichtig, dass ich zu P3 gehe, aber das hatte ich zu dem Zeitpunkt ohnehin schon geplant. Ich sollte an Athletik und Schnelligkeit arbeiten, um mit dem NBA-Tempo besser klarzukommen und anderen großen Spielern auch mal den entscheidenden Schritt voraus zu sein. Ich denke, dass ich in diesen Aspekten auch große Fortschritte gemacht habe.

SPOX: Mit welchen Erwartungen sind Sie jetzt in die Summer League gegangen, aber auch die anschließende Saison?

Pleiß: Es ist schwer, sich da schon auf konkrete Minuten oder ähnliches festzulegen, weil die "richtige" Saison noch so weit weg ist. Aber ich will mehr spielen, das ist klar. Im Moment denke ich aber eigentlich konkret nur an die Summer League. Wenn ich mich dort gut präsentiere, kann das für meine langfristigen Ziele ja durchaus hilfreich sein.

SPOX: Die kommende Saison Ihres Vertrages ist noch garantiert, für das dritte Jahr verfügen die Jazz jedoch über eine Team-Option. Entsteht dadurch eine Art Do-or-Die-Situation?

Pleiß: Ich will mich da nicht zu sehr unter Druck setzen. Druck kann zwar in manchen Situationen hilfreich sein, in anderen kann er dich aber auch aus der Bahn werfen. Deswegen versuche ich, so gut es geht bei mir zu bleiben. Ich arbeite auf die Saison hin und werde alles dafür tun, die sich mir bietenden Chancen von nun an besser zu nutzen und dem Team zu helfen.

SPOX: Dabei würde Sie von nun an ein neuer Point Guard bedienen, George Hill kam kürzlich per Trade nach Utah. Ist er das fehlende Puzzleteil, um die Jazz wieder in die Playoffs zu bringen?

Pleiß: Da müssten Sie die Coaches fragen. (lacht) Ich habe noch nicht mit ihm trainiert, daher kann ich das nicht wirklich beurteilen. Er ist ja auch nicht der einzige Point Guard im Roster und wer dann genau spielt, müssen wir erst mal abwarten. Die Playoffs sind aber natürlich trotzdem das Ziel. Vor allem nach dem ziemlich bitteren Ende, das wir dieses Jahr hatten.

SPOX: Am letzten Tag fiel die Entscheidung...

Pleiß: Genau, und die lag gar nicht mehr bei uns. Houston war ein paar Stunden vor uns in Sacramento zu Gast und hätte verlieren müssen, damit wir eine Chance gehabt hätten. Aber die Kings haben dann fast alle Spieler geschont und waren natürlich chancenlos. Deswegen hatte unsere letzte Partie dann eigentlich keine Bedeutung mehr. Wir hatten das Ergebnis kurz zuvor erfahren und man konnte förmlich spüren, wie die Energie aus allen floss. Alle waren völlig bedient und wollten eigentlich nur noch nach Hause.

SPOX: Für Basketball-Fans hatte die Partie dann schon eine Bedeutung - es war gleichzeitig die Abschiedsvorstellung von Kobe Bryant. Wie erlebt man so ein Spiel von der Bank des gegnerischen Teams aus?

Pleiß: Auch wenn ich das in dem Moment natürlich kaum wertschätzen konnte, war das im Nachhinein schon ein echt großer Moment und ich bin stolz darauf, da gewesen zu sein. Es war großartig, ihn noch einmal so spielen zu sehen und als Basketball-Fan habe ich mich einfach sehr gefreut, dass diese lebende Legende so einen Abschied mit 60 Punkten hinbekommen hat.

SPOX: War das das Highlight ihrer bisherigen NBA-Karriere?

Pleiß: Es wird auf jeden Fall ein Tag sein, an den ich mich noch sehr lange erinnern werde. Highlights gab es aber auch sonst noch. Ich erinnere mich beispielsweise an meinen Preseason-Dunk über Julius Randle, für den ich dann auch ein Technisches Foul bekommen habe. Das Team hat mich trotzdem gefeiert, als hätte ich uns gerade zum Meister gemacht! Das war ja mein erstes Spiel und keiner kannte mich bisher so richtig, aber das war einfach ein Ausrufezeichen und danach habe ich mich erst richtig als Teil des Teams gefühlt. Und natürlich bleiben auch mein erster Korb in der NBA sowie die drei aufeinanderfolgenden Spiele im Januar hängen.

SPOX: Gab es auch Gänsehaut-Momente, wenn Sie bestimmten Gegnern gegenüberstanden, die in Ihrer Kindheit noch als Poster in ihrem Zimmer hingen?

Pleiß: So würde ich das jetzt nicht sagen. Ich glaube, das wäre nach zehn Jahren Profi-Basketball auch etwas übertrieben. Aber natürlich freut es mich, dass ich zu den letzten Spielern gehöre, die noch gegen Kobe gespielt haben. Ausflippen muss ich wegen so etwas aber nicht mehr. Ich bin ja nicht als Fan da. (lacht)

SPOX: Sie wurden bereits 2010 in der zweiten Runde gedraftet, gingen aber erst jetzt in die NBA. Ihr Nationalmannschaftskollege Paul Zipser wurde nun ebenfalls in Runde zwei gedraftet, hofft aber auf einen sofortigen Wechsel. Trauen Sie ihm diesen zu?

Pleiß: Ja, absolut. Paul hat große Qualität und vor allem auch den nötigen Arbeitseifer, das sieht man an seiner Entwicklung in den letzten Jahren. Er hat sich ja auch bei den Bayern nach und nach immer mehr Spielanteile erkämpft. Ich würde es ihm gönnen und denke, dass er den Schritt auf jeden Fall packen kann. Ich habe den Draft selber auch mit Spannung vorm Fernseher verfolgt und dann gleich gratuliert, als er von Chicago ausgewählt wurde.

SPOX: Wie sieht es mit Maodo Lo aus? Auch er läuft ja momentan in der Summer League für Philly auf. Hat er eine Chance?

Pleiß: Ich kann es bei ihm nicht ganz so gut beurteilen, da ich ihn nicht so häufig habe spielen sehen in der vergangenen Saison. Da hat es nur für vereinzelte NCAA-Spiele und -Highlights gereicht, aber er soll ja wieder sehr gut gespielt haben. Dass er diese Chance mit den Sixers bekommen hat, ist ein gutes Zeichen und wenn er seine Höchstleistungen abruft, kann er sich vielleicht auch einem Team empfehlen. Das Talent dazu hat er auf jeden Fall.

SPOX: Ein paar Schritte weiter ist Dennis Schröder bereits, der durch den Trade von Jeff Teague jetzt wohl Starter sein wird. Was erwarten Sie von ihm?

Pleiß: Dennis wird weiter sein Ding machen. Er kann ein Team führen, das hat er letzte Saison und auch schon bei der Nationalmannschaft gezeigt. Dass er das nötige Selbstvertrauen hat, wissen wir ohnehin alle. Ich wünsche ihm da sehr viel Glück und kann mir auch vorstellen, dass er in der neuen Rolle richtig viel punkten wird.

Tibor Pleiß im Interview