Over and Out?

Jan Dafeld
27. August 201614:29
Tibor Pleiß wird nicht mehr für die Utah Jazz auflaufengetty
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Die Utah Jazz haben Tibor Pleiß zu den Philadelphia 76ers geschickt und im Gegenzug Kendall Marshall und zwei Zweitrundenpicks erhalten. Was sind die Hintergründe des Trades? Und wie stehen Pleiß' Chancen bei seinem neuen Team? Spox beantwortet alle wichtigen Fragen.

Wie hilft der Trade den Jazz?

Für Utah geht es in erster Linie darum, zusätzlichen Cap Space zu schaffen. Pleiß' Gehalt von knapp drei Millionen Dollar spart man durch seinen Abgang ein. Kendall Marshalls Gehalt von 2,05 Millionen Dollar wäre am 2. September garantiert worden, daher wurde der Trade zu einem eher ungewöhnlichen Zeitpunkt mitten im Sommer durchgezogen - der Point Guard wurde im Anschluss an den Deal sofort entlassen.

Darüber hinaus mussten sich die Jazz nach der Verpflichtung von Joel Bolomboy, der ein voll garantiertes Gehalt für die Saison 2016/2017 erhielt, von einem Spieler trennen. Durch den Bolomboy-Vertrag haben die Jazz 14 garantierte Spieler, die es in den Kader schaffen werden. Center Jeff Withey soll wohl den 15. Kaderplatz erhalten, für Pleiß war somit kein Platz mehr im Team.

Eine einfache Entlassung des Deutschen war in Salt Lake City aber eher keine Option, da Pleiß' Gehalt in der kommenden Saison voll garantiert ist. Durch den Trade schafften die Jazz somit Platz im Roster und erhielten obendrein zusätzlichen Cap Space.

Dieser Cap Space könnte den Jazz in den kommenden Monaten sehr gelegen kommen. Der Vertrag von Derrick Favors läuft zwar noch bis 2018, mit nur 11 bzw. 12 Millionen Dollar pro Jahr ist der Big Man im Hinblick auf den aktuellen NBA-Markt jedoch klar unterbezahlt. Utah könnte dem 25-Jährigen eine vorzeitige Verlängerung des Vertrags somit schmackhaft machen, indem man den neu existierenden Cap Space nutzt, um Favors' Gehalt anzuheben - und ihn im Gegenzug länger an das Team zu binden. Klappt das nicht, hat man zumindest größeren Spielraum für eventuelle Trades.

Wie hilft der Trade den 76ers?

Sam Hinkie mag die Zügel in Philadelphia nicht mehr in der Hand halten, seine Ideen scheinen in der Franchise aber weiterhin gelebt zu werden. Denn auch wenn Hinkie-Nachfolger Bryan Colangelo in der Free Agency mehrere Guards (Jerryd Bayless, Gerald Henderson und Sergio Rodriguez) unter Vertrag nahm, hat Philly immer noch rund 16 Millionen Dollar, die investiert werden sollten - dieser Betrag fehlt noch zum "Salary Floor", also der Gehaltsuntergrenze.

Diese 16 Millionen Dollar nicht zu nutzen, wäre sinnlos. Als "Strafe" für das Einsparen der Gehälter müsste das Geld ohnehin unter den im Kader stehenden Spielern aufgeteilt werden. Somit nutzen die Sixers ihr Geld anderweitig: Um Verträge, die andere Teams gerne loswerden wollen, aufzunehmen - und sich diese zusätzlich schmackhaft machen zu lassen (durch Picks etc.).

Der Trade mit den Jazz ist ein Paradebeispiel für diese Strategie: Dem Philadelphia Magazine zufolge erhält Philadelphia den höchsten und den niedrigsten der vier Second Round Picks, die die Jazz aktuell halten (Utah, Detroit, Golden State und New York).

Die Frage ist nun: Ist Tibor Pleiß für Philly auch eine sportliche Verstärkung?

Was kann Pleiß in Philadelphia erwarten?

In Utah hatte der Deutsche auch unter der starken Konkurrenz auf den Frontcourt-Positionen zu leiden und sah so in der gesamten vergangenen Saison nur 82 Minuten. In Philadelphia scheint die Situation kaum einfacher: Mit Joel Embiid und Jahlil Okafor haben die Sixers bereits zwei hochtalentierte Center im Team, dazu kommen weitere Big Men wie Nerlens Noel, Carl Landry oder Richaun Holmes.

Natürlich ist die Situation zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht voll einzuschätzen. Philly steht aktuell noch beim Kader-Maximum von 20 Spielern, sodass sich definitiv noch einiges am Team-Gerüst ändern wird. Mit Jerryd Bayless, Robert Covington, Joel Embiid, Jerami Grant, Gerald Henderson, Timothe Luwawu-Cabarrot, Nerlens Noel, Jahlil Okafor, Sergio Rodriguez, Dario Saric, Ben Simmons, Nik Stauskas und Hollis Thompson scheinen mindestens 13 der 15 Kaderplätze aber bereits sicher vergeben.

Darüber hinaus soll sich das Team bereits mit Anthony Barber einig sein, diesen noch vor dem Start des Training Camps unter Vertrag zu nehmen. So gänge ein zusätzlicher Roster Spot verloren. Kevin Pelton von ESPN geht davon aus, dass Pleiß "sicher vor dem Training Camp entlassen" wird.

Noch weiß allerdings niemand, ob die Franchise womöglich nicht auch Interesse am Spieler Pleiß und nicht nur an Utahs Draft-Picks zeigte. Einen Spieler mit seinen Stärken gibt es im derzeitigen Kader nicht. Pleiß' Chancen auf einen Platz bei den Sixers - und vor allem auf Spielzeit dort - erscheinen allerdings sehr gering.

Hat Pleiß Chancen bei anderen NBA-Teams?

Sollte Pleiß es tatsächlich nicht in den Kader der 76ers schaffen, könnte jedes NBA-Team den Center unter Vertrag nehmen. Seine garantierten drei Millionen Dollar würden dabei kein Problem darstellen, da Philadelphia dieses Gehalt sowieso zahlen muss. Pleiß' neues Team würde den Sixers somit nur einen Anteil abnehmen.

Allerdings: Interessenten dürften beim Nationalspieler dennoch nicht Schlange stehen. In seinen NBA-Auftritten hinterließ Pleiß bislang kaum Eindruck sammelte auch in diesem Sommer nur wenige Pluspunkte. Andernfalls hätte Utah auch keine zwei Second -Rounder auf den Tisch packen müssen, um Pleiß und seinen Vertrag verschiffen zu können.

Trotz allem ist nicht auszuschließen, dass Pleiß ein neues Team in der NBA finden könnte. Die Los Angeles Clippers beispielsweise haben nach dem Abgang von Cole Aldrich keinen echten Center unter Vertrag genommen. Den Miami Heat fehlt ein Backup für Hassan Whiteside. Auch die Memphis Grizzlies könnten noch auf der Suche nach einem Mann unter dem Korb sein.

Ist eine Rückkehr nach Europa eine Option?

Tibor Pleiß hat noch Vertrag in der NBA, für die kommende Saison sogar mit einem voll garantierten Gehalt. Seinen Traum von einer Karriere in Amerika wird der Center allein durch den Trade nach Philadelphia also nicht direkt begraben haben.

Sollte es allerdings nicht für einen Kaderplatz reichen und auch kein anderes Angebot aus der NBA fix eintrudeln, dürfte eine Rückkehr nach Europa zwingend eine Option werden. Pleiß könnte zwar in die D-League gehen, die Bedingungen dort sind aber hart und kein Vergleich mit denen eines europäischen Spitzenteams.

Maik Zirbes hat in seiner Zeit bei Roter Stern Belgrad beeindruckend unter Beweis gestellt, dass auch in Europa die Entwicklung zu einem starken Spieler möglich ist. Interessenten dürfte es für Pleiß dort zudem genügend geben, auch verdienen würde der Deutsche sicherlich besser.

Eine Rückkehr in die BBL erscheint gerade deswegen aber kaum im Bereich des Möglichen. Als einer der besten Spieler und eines der Aushängeschilder des DBB-Teams würden sich zwar alle BBL-Teams die Finger nach Pleiß lecken, gegen Konkurrenzangebote aus Russland, der Türkei oder Spanien könnten aber selbst die Schwergewichte aus Bamberg und München wohl nichts ausrichten.

Die Philadelphia 76ers im Überblick