"Es ist unser Wunsch, die Existenz der Sonics im Großraum Seattle zu erhalten."
Dieses Zitat stammt aus einem Brief von Clayton Bennett an Howard Schultz, den damaligen Besitzer der Seattle Super Sonics. Bennett, ein Milliardär aus Oklahoma City, erwarb die Franchise vom Starbucks-Chef Schultz im Juli 2006 für 350 Millionen Dollar - zusammen mit seinen Freunden Aubrey McClendon und Tom Ward, die Gründer des riesigen Erdgasproduzenten Chesapeake Energy. Der Sitz der Firma: Oklahoma City.
Angesichts der Tatsache, dass sich die Sonics schon zwei Jahre später unter neuer Flagge in OKC niederließen, kommt der unter anderem von Forbes veröffentlichte Brief wie ein mittelschwerer Skandal daher. Denn weitere Dokumente belegen, dass das Trio wohl nie die ernsthafte Absicht hatte, das NBA-Team in Seattle zu halten. Auch wenn es zumindest formelle Versuche gab.
"Noch eine lahme Saison in Seattle"
Das Hauptproblem des Standorts Seattle war die KeyArena. Sie war mit 17.000 Zuschauern die kleinste NBA-Stätte und darüber hinaus selten voll ausgelastet. "Wie sollen wir die Franchise so profitabel machen?", fragten sich - nicht zu Unrecht - Bennett und Co.
Der neue Besitzer versicherte allerdings, dass er sich um eine neue Arena kümmern werde, zur Not im Vorort Renton. Die Bedingung: Sie solle von öffentlichen Geldern gefördert werden. Das wurde vom Bundesstaat Washington aber nicht bewilligt, wodurch Bennett sein Argument für einen schnellen Umzug hatte.
"Gibt es irgendeinen Weg, schon nächstes Jahr nach OKC zu ziehen oder müssen wir noch mehr lahme Saisons in Seattle erleben?", schrieb Mitbesitzer Ward laut Forbes in einem Brief an Bennett. Dessen Antwort: "Ich werde alles dafür tun, was in meiner Macht steht."
Als dann wenige Monate später ein Interview mit McClendon im Oklahoma Journal Record erschien, in dem dieser klarstellte, dass er die Sonics nicht gekauft habe, "um in Seattle zu bleiben", wurde klar: Das neue Besitzer-Trio macht ernst.
Wortbruch der Eigentümer?
Kampflos hergeben wollte die Stadt ihre Sonics aber nicht, auch wenn die Breite der Fanbase über die Jahre geschrumpft war. Wenig überraschend warf man den neuen starken Männern Wortbruch vor und klammerte sich an eine Hoffnung: Die Franchise war bis zum Jahr 2010 vertraglich an die KeyArena gebunden. Zumindest bis dahin könne man es doch versuchen?
Die Antwort lautete "nein" und nach einer kleinen Schlammschlacht einigten sich alle Beteiligten auf eine Entschädigung in Höhe von 45 Millionen Dollar, die Bennett für die Vertragsauflösung aufbringen musste.
Am 3. September 2008, vor genau acht Jahren also, war es soweit: Nur 26 Monate nach der Übernahme von Bennett, McClenton und Ward waren die Super Sonics von der Bildfläche verschwunden und die Oklahoma City Thunder geboren.
Eine Katastrophe als Chance
Der Gedanke, dass Oklahoma City eine eigene Franchise bekommen sollte, war nicht wirklich neu. Auftrieb erhielt er zwischen den Jahren 2005 und 2007, als die New Orleans Hornets (heute Pelicans) ihre Spiele aufgrund des schrecklichen Hurricanes Katrina nicht in der Heimat austragen konnten. Stattdessen schlugen Chris Paul und seine Teamkollegen ihre Zelte in OKC auf - wo sie von der basketballverrückten Bevölkerung euphorisch aufgenommen und wie ein eigenes Team unterstützt wurden.
Die Initiatoren des damaligen Zwischenumzugs waren Bennett, McClendon und Ward. Im Gegensatz zu der abflauenden Stimmung und Begeisterung in Seattle hatte die ganze Stadt Lust auf die NBA, weshalb es eigentlich kein Wunder war, dass 28 der 30 Team-Besitzer für einen Umzug der Sonics stimmten.
Durant oder Oden?
All das ist nun acht Jahre her. Das mit Abstand wichtigste Ereignis für die Zukunft der Franchise fand allerdings schon ein Jahr früher statt: Nämlich in der Draft 2007. Die Super Sonics hatten das Recht, hinter den Portland Trail Blazers an zweiter Stelle zu wählen. Sie hatten denkbar einfaches Spiel: Sie würden Kevin Durant wählen, wenn Portland Greg Oden nimmt. Oder umgekehrt.
Beide Spieler galten als das Duo des kommenden Jahrzehnts, das die Liga dominieren und ihre Franchise nach oben bringen würde. Die tragische Geschichte von Oden und den Blazers ist bekannt, und die Risikobereitschaft der Blazers, sich für den verletzungsanfälligen Center zu entscheiden, entwickelte sich für die Sonics zum Glücksfall.
Der erst 19-jährige Durant ging mit 20,3 Punkten in seiner ersten Saison durch die Decke. Der Team-Erfolg blieb trotzdem aus - da die anderen Mitglieder der Starting Five unter anderem Earl Watson und Chris Wilcox hießen und Head Coach P.J. Carlesimo auch keinen guten Ruf genoss.
Westbrook oder Lopez?
Die schwache Saison 2007/08 mit einer Bilanz von 20-62 war angesichts der Draft im darauffolgenden Jahr aber eine gute Sache. Wieder profitierte das Front Office von den Entscheidungen anderer Teams: So wählten die Miami Heat (No.2) Michael Beasley und die Memphis Grizzlies (No.3) O.J. Mayo. Wirklich überraschend war das zwar nicht - im Nachhinein waren die Sonics (bei der Draft war der Umzug noch nicht vollzogen) mit ihrem No.4-Pick jedoch wieder der unangefochtene Sieger. Der Grund: Russell Westbrook.
Mit Abstand betrachtet hatte Sam Presti, der 2007 von den neuen Eigentümern als General Manager installiert wurde, den zweiten Volltreffer in Folge gelandet. Soweit wäre es aber beinahe gar nicht gekommen: Im Mai 2016 erklärte Carlesimo, der damals noch bei den Thunder im Amt war, dass die Wahl auch gut auf Brook Lopez hätte fallen können: "Die Meinungen waren Fifty-Fifty". Er selbst hatte sich für Lopez ausgesprochen, da er auf der Point-Guard-Position auf Watson und Luke Ridnour bauen wollte.
GM Presti entschied sich aber gegen den Coach, der sich an dessen Worte "noch erinnern kann, als wären sie gestern gefallen." Demnach soll Presti gesagt haben: "Weißt du, was mir Angst macht? Dass ich denke, dass dieser Junge (Westbrook, Anm. d. Red.) so gut und speziell ist, dass man uns ewig dafür fertig machen würde, wenn wir ihn nicht nehmen."