If you live by the three…

Ole Frerks
12. Oktober 201613:08
Stephen Curry (r.) wurde in den Finals (auch) durch seine eigene Waffe geschlagen getty
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Seit mittlerweile 37 Jahren ist der Dreier ein Teil des NBA-Basketballs - allerdings war sein Einfluss auf das Spiel niemals größer als jetzt. Beyond the Boxscore blickt zurück auf die Geschichte eines "Gimmicks" und seine wichtigsten Protagonisten - und blickt voraus.

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Die ersten Jahre: Die Saison 1979/80 war für die Geschichte der NBA ein Wendepunkt. Larry Bird und Magic Johnson kamen in die Liga und transportierten den Fan-Hype ihrer College-Rivalität mit in die NBA, deren Finals-Spiele zu der Zeit immer noch zeitverzögert (oder gar nicht) ausgestrahlt wurden. Die Liga konnte jeden Anstieg ihrer Popularität zu diesem Zeitpunkt dringend gebrauchen.

Auch deshalb wurde vor dieser schicksalhaften Saison ein "Gimmick" eingeführt, gegen den sich die Oberen zuvor immer gewehrt hatten: der Dreipunktewurf. In der Konkurrenzliga ABA hatte es ihn schon länger gegeben, für die Puristen aus der NBA jedoch war allein die Vorstellung ebenso absurd wie die gesamte ABA, nur Show und Hokuspokus.

Stellvertretend sagte damals Red Auerbach, der legendäre Coach und GM der Celtics: "Wir brauchen das nicht. Ich wäre dafür, dass wir unser Spiel in Ruhe lassen. Die TV-Stationen machen doch nur Panik, weil die Einschaltquoten nicht gut sind."

Gimmick hin oder her: Ausgerechnet die Celtics wurden gewissermaßen zum Vorreiter in Sachen NBA-Dreier. Den ersten Longball der Geschichte versenkte Celtics-Guard Chris Ford, zum ersten echten Dreier-Killer wurde dann Bird - wenn auch nicht in dem Ausmaß, wie es heutzutage gerne verklärt wird.

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Bird gewann 1986-88 drei Three-Point-Contests in Folge und lieferte dabei unter anderem den legendären Trash-Talk-Moment, als er unmittelbar vor dem Wettbewerb in der Kabine fragte, wer denn hier Zweiter werden würde. Auch versenkte er einige der ersten "Statement-Dreier" in der Geschichte der Liga.

Für den Kontext ist jedoch wichtig: Für Bird war der Dreier ein kleiner Teil seines Spiels. Nie in seiner Laufbahn nahm er mehr als 3,3 Dreier pro Spiel, der Dreier machte nur 10 Prozent seiner Karriere-Wurfversuche aus. Zur Einordnung: In der abgelaufenen Saison lagen 348 (!) Spieler in dieser Kategorie bei 10 Prozent oder mehr. Damals war Bird mit diesem Anteil noch eine Art Pionier.

In der ersten Saison nahmen Teams durchschnittlich nur 2,8 Dreier pro Spiel, ein Wert, den die Warriors heutzutage innerhalb eines Viertels mehr als verdoppeln. Danach ging die Entwicklung vorerst sogar zurück: Erst 1984/85 wurden drei Versuche pro Spiel geknackt, danach zeigte die Kurve langsam aber sicher nach oben.

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Mit der Zeit fanden die ersten Spezialisten wie Danny Ainge, Darrell Griffith oder Michael Adams ihre Nische. Sie blieben jedoch Spezialisten - der Dreier war noch weit davon entfernt, wie heute ein integraler Bestandteil der Strategie zu sein. In der Saison 1994/95 knackte erstmals ein Spieler (John Starks) die 200-Dreier-Marke - allerdings unter fleißiger Mithilfe der NBA.

Das Experiment: Nachdem Michael Jordan 1993 den ersten seiner drei Rücktritte bekannt gab und sich dem Keulenball verschrieb, befand sich die Liga kurzzeitig im freien Fall - es fehlte ein Aushängeschild, das Interesse an der NBA bewegte sich wieder in die Richtung der katastrophalen 70er. Ähnlich wie 15 Jahre zuvor sollte 1994 der Dreier helfen: Die Linie wurde näher an den Korb verlegt, statt 7,24 Metern waren es von "oben" auf einmal nur noch 6,70 Meter.

Die Effekte waren dramatisch. Wo vorher noch gezögert wurde, ballerten die Spieler nun munter drauf los - binnen einer Saison steigerten sich die versuchten Dreier von 9,9 auf 15,3. Auch die Quote stieg ligaweit erstmals seit der Einführung über 35 Prozent, Starks und eine Saison später Dennis Scott mit 267 Triples pulverisierten den vorherigen Rekord von Dan Majerle (192).

Die Entwicklung ging der Liga zu weit - nach nur zwei Jahren war man wieder bei der alten Entfernung angekommen. Die Effekte ließen sich jedoch nicht mehr rückgängig machen. Gunner, die früher noch zum Korb gezogen oder aus der Mitteldistanz abgeschlossen hätten, begriffen in diesen beiden Jahren, dass 3 tatsächlich mehr als 2 ist. Nie wieder sank der Dreier seitdem unter 13 Versuche pro Spiel.

Die Weiterentwicklung: Es dauerte jedoch noch einige Jahre, bis die nächste Stufe in der Evolution erreicht war. Nach der Rückverlegung der Linie dominierten erst Jordans Bulls noch einige Jahre, bevor die ShaKobe-Lakers und Spurs begannen, die NBA zu regieren.

Diese Teams wussten den Dreier zwar zu nutzen, "Brot und Butter" waren jedoch Inside-Out und die Dominanz der Big Men Shaquille O'Neal und Tim Duncan. Wer abhängig vom Dreier war, galt entweder als soft oder zum Scheitern verurteilt - bis ein Kanadier mit wellendem Haar und ein Coach mit Pringles-Bart den Distanzwurf auf die nächste Stufe hievten.

Steve Nash hatte 2002/03 in Dallas erstmals in der Geschichte der Liga eine Offense dirigiert, die bei mehr als 20 Dreiern pro Spiel mindestens 38 Prozent versenkte. Mit seinem guten Kumpel Dirk Nowitzki führte er ein Mavericks-Team an, das nacheinander 60 und 52 Spiele gewann und unter Coach Don Nelson daran arbeitete, den Fluch der erfolglosen Shooting-Teams zu widerlegen.

Im Sommer 2004 wurde Nash jedoch Free Agent - und angesichts seines Alters von 30 Jahren ging Besitzer Mark Cuban davon aus, dass er seinen Zenit bereits hinter sich hatte. Die Suns bedankten sich und schnappten zu: Der Wahnsinn namens "7 Seconds or Less" war geboren.

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7 Seconds or Less: Unter Mike D'Antoni spielten die Suns fortan eine Offense fernab jeglicher Konventionen. Jeder Spieler hatte grünes Licht, solange er einen einigermaßen offenen Wurf hatte. Selbst Shawn Marion mit seiner prähistorischen Technik wurde dazu ermuntert, Dreier zu schießen - und obwohl das Team die Experten komplett verwirrte, hatte dieser chaotische Tempo-Basketball einen riesigen Erfolg.

Nash wurde zweifach MVP, die Suns schafften die 20-Dreier-38-Prozent-Marke, die Dallas 02/03 erstmals überhaupt knackte, gleich viermal in Folge, und das bei über 25 Dreiern pro Spiel. Sie erreichten zweimal die Conference Finals (ein drittes Mal 2010 ohne D'Antoni), stellten dreimal die beste Bilanz der Liga und lieferten 04/05 mit 114,5 das neuntbeste Offensiv-Rating der Liga-Historie.

Ein Titel blieb ihnen verwehrt, was zum Teil auch mit Verletzungen zu tun hatte, den Kritikern aber immer wieder für die Aussage reichte, Jumpshooting-Teams könnten eben nicht alles gewinnen. Charles Barkley, von Volumen und Quote her einer der schlechtesten Dreierschützen aller Zeiten, behauptete dies ja selbst 2015 noch, bevor die Warriors sich zum Meister krönten. Da hatte er die Entwicklung der letzten Jahre allerdings auch längst verschlafen.

Der Erfolg der Suns veränderte die NBA Mitte der 00er in Sachen Spieltempo und Wurfauswahl - binnen kürzester Zeit switchten etliche Teams vom langsamen, methodischen Bullyball der Pistons oder Spurs (alte Inkarnation) zu einem neuen, offeneren Spielstil. Die neuen Regeln gegen Handchecking zu dieser Zeit spielten dieser Entwicklung perfekt in die Karten.

Bei allem Respekt für Chuck: 2009 zogen die Magic in die Finals ein, weil um Dwight Howard herum vier Shooter postiert wurden und 38 Prozent ihrer 26 Dreier pro Spiel trafen. 2011 wurden die Mavericks Meister, weil sie nicht nur Nowitzki in Welt-Form, sondern auch etliche hochkarätiger Shooter um ihn herum hatten. Die Heat der LeBron-Ära wie auch die Spurs in neuerer Inkarnation nutzten den Dreier längst als Waffe.

Die Steph-Olution: Wenn man auf die Parallelen zwischen den alten Suns und den Warriors der letzten Jahre blickt, ist es derweil keine große Überraschung, dass ausgerechnet in Golden State nun die neueste Version der Dreier-Manie entfacht wurde. Steve Kerr war einst GM in Phoenix, sein Ex-Assistent Alvin Gentry davor ebenfalls als rechte Hand von D'Antoni angestellt.

Man kennt und versteht sich - insofern überraschte das jüngste Geständnis von D'Antoni nicht. Der neue Head Coach der Rockets gab unlängst zu, wie er sich die Finals 2015 zwischen den Warriors und Cleveland angesehen hatte: "Ich dachte nur: 'Gewinnt bitte!' Ich wollte es einfach sehen. Ich wollte, dass sie endlich dieses Stigma vernichten, man könnte auf diese Art und Weise nicht gewinnen."

Die Warriors haben diese Spielweise nicht nur weiterentwickelt, sondern auch um eine überragende Defense ergänzt, die Phoenix nie hatte. Zudem nutzen sie den Dreier noch deutlich mehr - bei den Suns waren 04/05 29 Prozent ihrer Abschlüsse Dreier, bei den Warriors, die letzte Saison das beste Offensiv-Rating der Liga-Geschichte auflegten, waren es 36 Prozent.

Faszinierend daran: Mit diesen 36 Prozent führten sie 15/16 nicht einmal die Liga an, Platz 1 belegte Houston mit 37 Prozent. Auch daran sieht man, wie sehr sich die Liga verändert hat: Vergangene Saison gab es zum ersten Mal in der Geschichte der Liga mehr Dreier (24,1) pro Spiel als Freiwürfe (23,4).

Im Auge dieses Sturms steht selbstverständlich Stephen Curry. Nie zuvor war ein dermaßen dominanter Spieler so auf seinen Distanzwurf fokussiert und gleichzeitig so effektiv dabei. Mit seinen Dreiern aus den Jahren 15/16 (402), 14/15 (286) und 12/13 (272) stellt Curry drei der vier Bestmarken der Geschichte - und nur sein Mitspieler Klay Thompson (15/16: 276 Dreier) schiebt sich derzeit noch dazwischen.

Steph Curry: Die Herrschaft des Feuers

Curry ist keinesfalls ein One-Trick-Pony, allerdings kommen über 55 Prozent seiner Wurfversuche von Downtown. Er schießt aus dem Dribbling, von drei Metern hinter der Dreierlinie und ohne groß nachzudenken. Was nach konventionellem Wissen als schlechter Wurf gilt, ist bei Steph eine hoch effektive Waffe.

Defensivstrategien haben sich ligaweit verändert, jemand wie Curry muss bereits ab der Mittellinie eng verteidigt werden. Auch gibt es erste Nachahmer: Damian Lillard hat mittlerweile beispielsweise ebenfalls grünes Licht, wenn er von weit hinter der Linie abdrücken will. Und er wird bei weitem nicht der letzte bleiben.

Um bei den bereits genannten Teams zu bleiben: Houston wird in der kommenden Saison, mit D'Antoni als Head Coach und den neuen Shootern Ryan Anderson und Eric Gordon sowie natürlich James Harden, vermutlich noch mehr von draußen abschließen. Ihnen fehlt es an Defensiv-Potenzial, aber offensiv ist ein Top-3-Finish - dem Dreier sei Dank - durchaus realistisch.

Nahezu garantiert in der Top 3, eher auf Platz 1, werden die Warriors landen. Durch die Verpflichtung von Kevin Durant stehen nunmehr nicht nur zwei, sondern gleich drei der zehn (fünf?) besten Shooter der Welt in ihren Reihen.

Und vergessen wir auch nicht den Champion: Während Cleveland unter David Blatt noch mehr innerhalb der Linie agierte, lockerte Nachfolger Tyronn Lue die Offense auf und verlegte den Fokus wesentlich mehr auf den Dreier. Bis zu den Finals waren 40,8 Prozent der Cavs-Abschlüsse in den vergangenen Playoffs Dreier, ein Wert, dem nicht einmal die Warriors nahe kamen.

In den Finals relativierte sich dies. Je mehr LeBron James selbst den Abschluss forcierte, umso weniger verließen sich die Cavs auf den Dreier (Verhältnis 2er/3er: 70,5/29,5), während die Warriors (43,6 Prozent der Abschlüsse) sich immer weiter nach draußen verlagerten.

In Erinnerung bleiben werden die 2016er Finals allen voran für LeBrons Dominanz, und das auch vollkommen zu Recht. Ähnlich wichtig ist jedoch: Curry wurde, zumindest temporär, vom Symbol der Revolution zum Symbol der Kritik, die diesem "Gimmick" seit seiner Einführung entgegenschlägt.

Curry, der Dreiergott höchstpersönlich, traf in den Finals für ihn unterdurchschnittliche 40 Prozent von Downtown. Im alles entscheidenden siebten Spiel waren es gar nur vier von 14. Den entscheidenden Wurf der Finals und damit der gesamten Saison traf Kyrie Irving - per Dreier. Über Curry. Als hätte sich ein Kreis geschlossen.

Coaching-Legende Jim O'Brien stellte es bereits 1986 fest: "If you live by the three, you can die by the three."

Die Statistiken in diesem Artikel stammen von nba.com/stats und basketball-reference.com und sind auf dem Stand vom 12. Oktober 2016.

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