6,9 Punkte, 3,3 Rebounds, 26,7 Prozent Trefferquote aus dem Feld, 16,7 Prozent vom Perimeter. Abgesehen von einigen verletzten Spielern hatte wohl niemand eine schlechtere Preseason als Harrison Barnes. Der Neuzugang der Dallas Mavericks scheint seine schwache Form aus den Finals über den Sommer konserviert zu haben.
Als sechstes Rad am Warriors-Wagen behandelten die Cleveland Cavaliers Barnes wie Tony Allen und ließen ihn, das schwächste Glied eines grandiosen Teams, regelmäßig offen stehen. Ungefähr so offen, wie er in den Vorbereitungsspielen für Dallas manchmal war - und dennoch traf er auch nach dem Sommer mit Team USA den Korb nicht.
Barnes darf sich nun Olympiasieger nennen, trug allerdings in Rio kaum etwas dazu bei und erntete mehr Spott als Anerkennung. In der Reihe der Tweets fehlte nur noch "Harry, hol' schon mal den Wagen!" Fast alle anderen Spieler, die in den letzten Jahren unter Coach K im Einsatz waren, kehrten mit gesteigertem Selbstvertrauen zurück. Barnes nicht.
Stattdessen konnte man in der Preseason förmlich sehen, wie der Druck von 94.000.000 Ein-Dollar-Noten auf ihm lastete. Gerade wenn die gegnerische Defensive aufgrund neuer Systeme regelmäßig pennt, kann man schon mal den einen oder anderen Punkt erzielen - vor allem als zukünftiger Co-Star von Dirk Nowitzki.
Seit Jahren inkonstant
Vor wenigen Jahren wurde der Forward noch als der nächste Kevin Durant gefeiert, nachdem er als erster College-Freshman seit 24 Jahren ins All-American-Team berufen wurde. Die Ironie, dass ihn der echte KD nun in Oakland ersetzt, ist nicht von der Hand zu weisen. Barnes zeigte zwar gute Ansätze, hat es in vier NBA-Jahren aber nicht geschafft, sein Potenzial abzurufen.
Er war nicht der Plan A der Mavericks, doch nachdem die anvisierten Free-Agent-Ziele Hassan Whiteside und Mike Conley in ihren gemachten Nestern verweilten, blieb Barnes durch den Durant-Deal als Trostpreis übrig. Dallas griff zu - und tief in die Tasche. Mit einer Gehaltserhöhung um schlanke 571 Prozent stiegen selbstverständlich auch die Erwartungen. Bisher konnte Barnes diese nicht erfüllen.
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In der Preseason offenbarte Barnes Schwierigkeiten beim Ballhandling; es gelang ihm selten, Blöcke gewinnbringend zu nutzen und so Defensiv-Rotationen zu erzwingen. Seine Drives aus dem Face-Up endeten oft in einem erschwerten Midrange-Jumper oder einem komplizierten Floater.
Alles andere als tödlich
Offensichtlich ist: Barnes ist nicht schnell genug, um selbst gegen durchschnittliche Verteidiger im Eins-gegen-Eins zum Korb zu kommen. Sein Jumper ist alles andere als tödlich und der Crossover, mit dem er jedes Dribbling beginnt, ziemlich ausrechenbar.
Neben Barnes beackert Justin Anderson den Flügel und macht seine Sache derzeit eindeutig besser. Der Sophomore kostet die Mavs gerade einmal 1,5 Millionen Dollar pro Jahr. Doch so enttäuschend die ersten Auftritte von Harry B. im Dallas-Jersey waren, so viel Hoffnung stecken die Verantwortlichen in ihn.
"Wurfquoten hatten für mich noch nie eine große Bedeutung", so Rick Carlisle gegenüber ESPN: "Ich schaue viel mehr auf den Prozess und die Überzeugung, mit der Spieler in ihren Wurf gehen. Harrison ist bereit."
Die Einstellung stimmt
Definitiv hervorgetan hat sich Barnes mit seiner akribischen Arbeitseinstellung. Selbst als er im Sommer ein paar Tage in seiner Heimatstadt Ames, Iowa verbrachte, waren Carlisle oder andere Mavs-Coaches stets an seiner Seite, um ihn bestmöglich auf das Training Camp vorzubereiten.
"Es gab viele Jungs, die in Dallas unterschrieben und mir gesagt haben, dass sie Trainingstiere seien", so Nowitzki: "Aber ich habe sie abends nie in der Halle gesehen. Barnes arbeitet die ganze Zeit. Er will ein großer Spieler werden. Und so jemandem wünscht man, dass er Erfolg hat."
Positiv für die Defensive
Ein klares Upgrade ist Barnes im Vergleich zu Vorgänger Chandler Parsons in der Defense. Nicht nur, dass die Mavs einen exzellenten Flügelverteidiger hinzugewonnen haben - auch das defensive Gefüge hat nun wieder eine natürlichere Struktur.
"Endlich kann ich auf meiner eigenen Position verteidigen", sagte etwa Wes Matthews: "Nun kann ich gegen Shooting Guards spielen. Harrison macht unser Team vielseitiger und gibt Coach Carlisle die Möglichkeit, kreativer mit den Matchups, dem defensiven Game Plan und Systemen zu sein."
Auch Nowitzki zeigte sich begeistert und formuliert gewohnt selbstironisch: "Man kann nicht genug Shooting haben - und man kann auch nicht genug athletische Verteidiger haben. Wir sollten eine enorm starke Defensive stellen, wenn ich auf der Bank bin."
Man stelle sich ein Mavs-Lineup mit Devin Harris, Matthews, Anderson, Barnes und Dwight Powell vor. Small-Ball in Perfektion, mit der Möglichkeit, alles zu switchen. Solch eine Auswahl an guten Verteidigern hatten die Mavs seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr.
Freiräume durch Dirk?
Dazu kommt, dass Barnes bisher kaum gemeinsam mit Nowitzki und den anderen Startern auf dem Court stand. Sondern meist mit Camp-Spielern, die nur das eine besondere Spiel zeigen wollen, das ihnen einen Kaderplatz beschert.
Allein die Präsenz von Dirk verschafft naturgemäß größere Freiräume im Halfcourt. Allerdings sprechen auch einige Gründe dafür, dass die Position an der Seite von Nowitzki für Barnes nicht die beste Wahl ist.
Besser auf der Vier
Seine beste Zeit hatte Barnes in Golden State, als sich David Lee 2013 in der ersten Playoff-Runde verletzte und Barnes als Starter auf die Vier gespült wurde. In der Postseason legte er damals anschließend 16,1 Punkte bei 44,4 Prozent aus dem Feld auf.
Ins Auge springen auch Barnes' Quoten in der letzten Saison, die als Small Forward deutlich schlechter waren. Spielte er auf der Drei, kam er lediglich auf eine effektive Fieldgoalquote (eFG%) von 48,7 sowie eine True Shooting Percentage (TS%) von 51,1.
Auf der Vier als Nebenmann von Andrew Bogut legte Barnes eine eFG% von 63,3 und eine TS% von 65,6 hin. Ein Unterschied wie Tag und Nacht, der vor allem darin begründet ist, dass Barnes an größeren, behäbigeren Verteidigern deutlich leichter vorbeigehen kann. Da eben jener Bogut nun auch bei den Mavs spielt, sollte Carlisle diese Option definitiv mit in sein offensives Repertoire aufnehmen.
Auch defensiv war Barnes als Power Forward erstaunlich effektiv. Im Small-Ball der Warriors ließ er nur 0,717 Punkte pro Post-Up zu - ein starker Wert, vor allem wenn man berücksichtigt, dass Barnes eigentlich zu klein für die Position ist.
Geduld ist angesagt
Bei den Warriors wurde er aufgrund der Stärke seiner Mitspieler Stephen Curry, Klay Thompson und Draymond Green in eine Mitläufer-Rolle gezwängt. Aus dieser nun wieder herauszukommen und in einem fremden Team Verantwortung zu übernehmen, passiert nicht von heute auf morgen.
Die Erklärung von Mark Cuban: "Harrison ist ein absoluter Teamplayer, der sich auf die Aufgabe fokussiert, die ihm aufgetragen wird. Seine Rolle wird bei uns bedeutend größer sein. Ich erwarte nicht, dass er vom ersten Spiel unser Go-to-Guy ist . Aber ich erwarte, dass er im Laufe der Saison an seinen Aufgaben wächst."
The next CP25?
Barnes ist erst 24 Jahre alt - und er braucht einfach Zeit. Aktuell ist er zwar eher ein teurer Rollenspieler, doch die Mavs-Fans müssen sich gedulden. Es ist wichtig für ihn, dass er vom Umfeld nicht von Saisonbeginn an mit den Ansprüchen konfrontiert wird, die man an einen Max-Player stellen würde. Denn das ist er eindeutig (noch) nicht. Er wird nicht mehr der nächste Kevin Durant, so viel ist klar. Aber das muss er auch gar nicht.
Für die Mavs würde er ausreichen, wenn er sich zu dem Spieler entwickelt, der Chandler Parsons in Big D hätte werden sollen. Damit hätte man endlich wieder eine starke zweite Option. Denn unabhängig davon ist die Tiefe von Dallas beeindruckend. Bis zu Position zehn in der Rotation ist die Bank gut besetzt.
Entkenntnisse der Preaseason
Neben der Tatsache, dass Barnes noch Zeit braucht, hat die Preseason der Mavs noch einige andere Erkenntnisse zu Tage gefördert: Seth Curry nimmt den Titel als Topscorer der Vorbereitung mit nach Hause, der ihm sicher noch einen Schub geben wird. Der kleine Bruder des MVP ist bereit, zu zeigen, wozu er imstande ist. Und Carlisle hat Lust, ihn von der Leine zu lassen.
Dallas hat die Preseason als eines der besseren Rebounding-Teams der Liga abgeschlossen. Das lässt hoffen, vor allem da diese Baustelle jahrelang nicht geschlossen werden konnte.
Wie nicht anders zu erwarten, haben die Mavs ein langsames Tempo angeschlagen, waren aber auch wieder eines der Teams, das am wenigsten Ballverluste produziert. Gut für die Spieler, denn es gibt wenig, das Carlisle mehr aufregt als ein Turnover.
Die Preseason-Bilanz von zwei Siegen und fünf Niederlagen sollte nicht allzu intensiv betrachtet werden. Im vergangenen Jahr gewannen die Mavs kein einziges Vorbereitungsspiel und starteten dennoch gut in die Saison.
Zu guter Letzt verraten die Statistiken, dass Dallas mit Abstand die meisten Midrange-Jumper aller Teams genommen hat. Satte 21,6 Prozent der Abschlüsse kamen aus dem ineffizientesten Bereich auf dem Court. In dieser Hinsicht ist also alles beim Alten geblieben.