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Das Ende der Dwightmares

Von Thore Beckmann
Dwight Howard hat in Atlanta sein Mojo wiedergefunden
© getty

Dwight Howard ist der wohl beste Center seiner Generation, dennoch war sein neuer Vertrag bei den Atlanta Hawks durchaus umstritten - schließlich hat er nunmehr fast vier Jahre aktive Rufschädigung hinter sich. Bisher scheint es jedoch, als hätte er seinen steinigen Weg in seiner Heimatstadt endlich hinter sich gelassen.

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Stan Van Gundy, Trainer der Orlando Magic, steht umgeben von zahlreichen Journalisten und ihren ihm gierig entgegengestreckten Mikrofonen. Der Coach wird förmlich zurückgedrängt an eine dieser provisorisch aufgestellten Interview-Leinwände. Van Gundy nimmt zwei hektische Schlücke aus seiner Pepsi Light und erzählt dem Medienvolk dann, dass sein bester Spieler, Dwight Howard, seinen Kopf gefordert hat.

Nur wenige Augenblicke, nachdem SVG von dieser Dolchstoßlegende made in Disney World erzählt, kommt eben jener Howard ins Bild, schiebt sich an der Meute vorbei, legt den Arm um seinen Coach und beginnt zu scherzen. Van Gundy schaut konsterniert: Ihm bleibt nur noch seine Pepsi, das Äquivalent des Bieres auf einer Party, auf der man keine Seele kennt. Dann zieht er ab und überlässt den noch immer unbehelligten Howard den Journalisten.

Geboren war der vielleicht unangenehmste Interview-Moment der NBA-Geschichte. Geboren war auch das Feindbild mit dem Namen D12. "Ich hatte keine Ahnung, was Stan dort gesagt hat. Ich kann mich daran erinnern, als wäre es gestern gewesen. Ich habe das Gefühl, dass sich mein Leben an diesem Tag verändert hat", sagte Howard später bei ESPN über diesen schicksalhaften Moment.

Immer nur der Sidekick

Es folgen weitere Eskapaden in Orlando und dann das große Missverständnis in Los Angeles: Für Alphatier Kobe Bryant war Dwight zu weich, für Coach Mike D'Antoni passten Howard und Pau Gasol eigentlich nicht ins System.

Howard fühlte sich vernachlässigt, nicht genug eingebunden in die Offensive und ließ auch sein restliches Game davon negativ beeinflussen. Aus dem geplanten Superteam um Bryant, Nash, Gasol und Howard wurde die wohl größte Enttäuschung der jüngeren NBA-Geschichte.

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Nach nur einem Jahr strich Howard, der in L.A. zudem pausenlos mit dem Rücken zu kämpfen hatte, folgerichtig seine Segel und ging nach Houston. "Ich habe uns als Mini-Version von Shaq und Kobe gesehen", sagte Howard im Nachhinein über seine Erwartungen an das Zusammenspiel mit James Harden. Doch weit gefehlt - der Bart schmiss von Jahr zu Jahr mehr und mehr die Show, Howard war offensiv zunehmend ein Rollenspieler.

Der schlechtere Superman

Ein Grund dafür war mit Sicherheit der perimeter-orientierte Umschwung der gesamten NBA, aber auch die Tatsache, dass er schon immer Dinge tun wollte, die er eigentlich nicht beherrschte. Er wollte seinem Idol Shaq nacheifern, der ihm einst sagte: "Es reicht nicht, nur ein guter Big Man zu sein. Um eine Championship zu gewinnen, musst du dominieren!"

Das Problem? Howard ist im Gegensatz zu O'Neal kein guter Spieler im Post, zumindest nicht mehr. In Orlando war er aufgrund seiner abartigen Athletik zumindest effektiv, doch in Ermangelung von echten Moves funktioniert dies in zunehmendem Alter nicht mehr. In der letzten Saison fand er sich mit 0,82 Punkten pro Post-Touch in der unteren Hälfte der Liga wieder. Obwohl er eigentlich der perfekte Roll-Man sein müsste, forderte er dennoch ständig mehr Touches am Zonenrand.

Diese Forderungen wurden weitestgehend ignoriert - weshalb Dwight als Folge auch weitestgehend seine defensiven Aufgaben ignorierte. Die Teamchemie litt und schon während der vergangenen Saison war sein erneuter Abgang längst besiegelt. Wie sehr Harden seinen ehemaligen Center vermisst, lässt sich auch erahnen: "Ich habe wahnsinnig viel Spaß diese Saison", gab der MVP-Kandidat vor kurzem zu Protokoll.

Der Start macht Hoffnung

Gleiches kann Howard bisher allerdings auch von sich behaupten. Die Entscheidung, seinen vielleicht letzten fetten Vertrag ausgerechnet bei den Hawks zu unterschreiben, wurde im Sommer noch etwas belächelt - gilt das Team aus Atlanta doch als "San Antonio des Ostens" und Dwight als das Gegenteil eines passwilligen Centers. Bis dato scheint die Rückkehr in seine Heimatstadt jedoch ein Erfolg zu sein.

Die Hawks stehen mit Howard derzeit bei 9 Siegen und 4 Niederlagen, haben mit einem Net-Rating von 8,2 das zweitbeste der Liga und legen mit einem Defensiv-Rating von 95,9 sogar den Spitzenwert auf. Und das, obwohl mit Jeff Teague und Al Horford zwei (ehemalige) All-Stars das Team verlassen haben.

No more Trap in Atlanta

Mike Budenholzer hat seine Strategien augenscheinlich auf die Stärken seines neuen Centers angepasst, statt ihn in das System der letzten Jahre zu zwingen. Defensiv etwa wurde die Pick-and-Roll-Defense komplett geändert: Mit Horford und Paul Millsap verwendeten sie hauptsächlich Traps, blitzten den Ballführer mit ihren agilen Big Men oder switchten komplett. Howard hingegen lässt den Ballführern mehr Platz für einen Mittedistanzwurf, verteidigt dadurch aber auch besser den eigenen Korb.

Als Folge lassen die Hawks viele dieser Mid-Range-Shots zu, die als ineffizient gelten, wenn man nicht gerade DeMar DeRozan heißt. Zudem reboundet das Team wesentlich besser und ist hinter Miami das beste Team in Sachen Ringverteidigung. Aus der dritttschlechtesten Reboundquote der letzten Saison mit 47,5 Prozent ist durch Howard die fünftbeste mit 52,1 Prozent geworden. Er selbst greift sich dabei 13,3 Boards pro Spiel, sein bester Wert seit 2012.

Und er gibt den Hawks eine neue Dimension: In den letzten beiden Playoffs war jeweils per Sweep gegen Cleveland Endstation, unter anderem deshalb, weil Tristan Thompson seine athletischen Vorteile gegen Horford und Millsap am offensiven Brett gnadenlos ausnutzte. Zumindest das wäre gegen Howard in dieser Form nicht möglich.

Harmonie mit Schröder

Auch offensiv hat sich bei den Hawks mit dem neuen Center einiges getan. Mit Dennis Schröder scheint er bereits eine gute Chemie im Pick-and-Roll entwickelt zu haben - Howard ist hier auch nach wie vor eine unglaublich athletische Waffe und der vielleicht beste Screener der Liga. Schröder nutzt das gerne und spielt den Center mit 8,7 Pässen pro Spiel fast doppelt so häufig an wie Harden in Houston.

Generell wirkt Howard so integriert wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Häufig wird er an der Spitze der Zone verwendet, um dort Off-Ball-Blöcke für Kyle Korver zu stellen oder die ausgiebigen Dribble-Hand-Offs der Hawks einzuleiten. Er spielt den Ball auch schneller wieder ab - im Vergleich zur Rockets-Zeit hat sich seine durchschnittliche Ballberührungs-Dauer um 20 Prozent verringert.

Er ist Teil des Systems. Das verdeutlicht sich auch dadurch, dass Atlanta die meisten Post-Touches der Liga hat. Howard scheint verstanden zu haben, dass er hier nicht zwangsläufig abschließen muss. Obwohl er pro Spiel nur 0,7 Würfe mehr nimmt als letzte Saison, wirkt er um ein Vielfaches zufriedener.

Hauptsache glücklich

"Diese Jungs bedeuten die Welt für mich. Sie geben mir die Freude und den Willen, jeden Abend alles für sie zu geben", frohlockte Howard kürzlich - eine Aussage, die man wohl zuletzt aus Orlando (vor Pepsi-Gate) von ihm kannte. Vor allem die Chemie zwischen ihm, Schröder und Kent Bazemore scheint zu stimmen.

Das scheint ein großer Faktor in der Karriere des Dwight Howard zu sein. Wird er gemocht und fühlt sich als Teil des Ganzen, dann opfert er sich auch für sein Team auf. Spricht das für einen abgeklärten Profi? Klares Nein. Aber in Atlanta scheinen sie verstanden zu haben, dass es sich sehr lohnen kann, wenn man auf ihn eingeht - auch noch im Alter von 30 Jahren.

Howard braucht positives Feedback und wenn sich sein Coach derzeit vor provisorisch aufgestellte Leinwände stellt, erhält er das auch: "Dwight ist bis jetzt unglaublich für uns gewesen. Er ist all das, was wir uns erhofft und erwartet hatten." Vielleicht sind die Albträume ja wirklich endlich vorbei.

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