NBA

Er opfert einen Dreck

Klay Thompson wirft den Ball schneller weg als jeder andere
© getty

Klay Thompson wird bei den Golden State Warriors gerne mal übersehen, dabei gibt es kaum einen explosiveren Scorer als ihn. Nicht nur seine 60 Punkte gegen die Indiana Pacers zeigten: Der Shooting Guard hat neben Kevin Durant und Stephen Curry seine Nische gefunden.

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Es kommt nicht selten vor, dass Spieler nach absoluten Fabelleistungen noch Wert darauf legen, Kritik an der eigenen Performance zu formulieren. Das vielleicht populärste Beispiel dafür ist Kobe Bryant, der einst Live-Tweets zu seinem 81-Punkte-Spiel, das zum Jubiläum im Fernsehen lief, absetzte und dabei auf die Momente hinwies, in denen er eigentlich auch noch hätte treffen sollen.

Insofern kamen folgende Aussagen von Klay Thompson am (in Deutschland) Dienstagmorgen nicht völlig überraschend: "Ich hasse es einfach, wenn ich einen weit offenen Dreier aus der Ecke daneben werfe. Das ist doch wie ein Layup", sagte der Warriors-Guard, ohne dabei eine Miene zu verziehen.

Eine merkwürdige Aussage für jemanden, der soeben das beste Spiel seiner Karriere hingelegt hatte? Ja und nein. Bisweilen penibler Perfektionismus ist eben eine der treibenden Kräfte, die talentierte Spieler zu Superstars macht - einfach mal bei Dirk Nowitzki oder eben Kobe nachfragen.

Storify zu Klay: Eine Rose und unmoralische Angebote

Und bei Thompson kommt folgendes dazu: Jede seiner Aktionen im Ökosystem der Superstars Kevin Durant und Stephen Curry ist darauf ausgerichtet, den Ertrag zu maximieren. Mehr denn je zielt Klay darauf ab, aus jedem Ballbesitz Punkte zu generieren - und hat damit auch Erfolg. Seine 0,469 Punkte pro Touch sind der mit Abstand beste Wert unter allen Volume-Scorern der Liga.

Fangen und werfen, fangen und werfen

Seine 60-Punkte-Gala gegen Indiana war dabei ein ganz besonderes Meisterwerk der Effizienz: Thompson hatte den Ball insgesamt nur 90 Sekunden in der Hand und dribbelte ELF Mal im ganzen Spielverlauf. 52 Ballbesitze hatte er, 33 beendete er mit einem Wurf - und das teilweise nach Millisekunden. Shooters shoot? Thompson ist das Paradebeispiel für diese alte Phrase.

Nun war Klay natürlich auch schon in den letzten Jahren für seinen irrsinnig schnellen Release und seinen Fokus auf "Buckets" bekannt, aber in dieser Saison treibt er es bisher auf die Spitze. Wo er den Ball beispielsweise 2014/15 noch bei über 40 Prozent seiner Abschlüsse vorher wenigstens zwei Sekunden in der Hand hielt, ist dies mittlerweile bei nicht einmal 20 Prozent der Fall.

Bei fast 85 Prozent seiner Würfe dribbelt er vorher nicht oder nur einmal - er ist zumeist auch einfach nicht darauf angewiesen. Curry und Durant ziehen so viel Aufmerksamkeit auf sich, dass Klay einfach den Ball bekommen und sich darauf konzentrieren kann, was er am liebsten mag: Ihn in den Korb zu befördern.

Career-Highs trotz schwachem Start

Die Zahlen sprechen dabei bisher für sich: Thompson legt mit 22,5 Punkten und 59,9 Prozent True Shooting jeweils Career-Highs auf, und das, obwohl er zu Beginn der Saison noch schwächelte und sogar in Trade-Gerüchten auftauchte, wenngleich diese sofort ins Reich der Fabeln verwiesen wurden.

Selbst jetzt ist er noch nicht völlig zufrieden: "Wir haben erst 21 Spiele hinter uns", sagte Klay am Dienstag. "Wir können definitiv noch einen Gang höherschalten." Ob er damit primär sich meinte oder primär sein Team - in beiden Fällen wäre es keine schöne Aussicht für die Konkurrenz. Denn auch wenn Klays 60 Punkte gegen Indiana hervorstachen, war es bei weitem nicht das erste Mal, dass die Warriors einen Gegner in dieser Saison komplett aus der Halle fegten.

Beim Net-Rating führen die Dubs die Liga mit 13,5 bereits mehr als komfortabel vor den Clippers (10) an, das Offensiv-Rating beträgt momentan 115,4 und wäre damit der zweitbeste Wert in der Liga-Historie.

Nicht schlecht für ein Team, das immer noch dabei ist, sich zu finden - und das zuletzt trotzdem schon fast unbesiegbar wirkte, wenn Draymond Greens Füße nicht gerade auf Abwege gerieten wie bei der Double-OT-Pleite gegen Houston.

"Ich opfere einen Scheißdreck"

Schon vor der Saison wurde spekuliert, dass dieses Team die explosivste Offense der Liga-Geschichte stellen könnte, überraschend dabei ist nur, dass sie scheinbar schon jetzt so weit sind. Dass dabei allerdings Thompson trotz Curry und KD der Spieler mit den meisten Wurfversuchen (17,6) ist, hätte wohl wirklich kein Mensch erwartet - außer natürlich Klay selbst.

"Ich opfere einen Scheißdreck", hatte Thompson vor der Saison gesagt, als über die Integration von Durant in das historische Warriors-Team diskutiert wurde. Es wirkte damals fast schon ignorant, obwohl seine Aussage etwas aus dem Kontext gerissen wurde - aber scheinbar hat er Recht behalten.

In einem System, das von überragendem Ball-Movement lebt und pro Spiel absurde 76,2 Punkte durch Assists generiert (Platz zwei: Boston mit 59,3), ist Thompson ein beinahe reiner Vollstrecker, vielmehr noch als Durant - und das liegt ihm perfekt.

Opfer? Klay hat mit der Ankunft von KD vielmehr sein Basketball-Nirvana gefunden. Er hat mehr Platz denn je und in beinahe jeder Situation grünes Licht. Seine Mitspieler sind so selbstlos, dass er immer den Ball bekommen wird, wenn er sich in Position bringt. Was könnte für einen geborenen Scorer schöner sein?

Jederzeit Explosionsgefahr

Thompson gerät bisweilen fast in Vergessenheit, was angesichts der Megastars Curry und Durant sowie der enormen Persönlichkeit von Green kein großes Wunder ist. (Alberne) Schlagzeilen kreiert der Shooting Guard eigentlich nur dann, wenn er vor einer Reporter-Traube mal einen Schluck Bier trinkt. Sein häufig etwas leerer Blick trägt nicht zuletzt dazu bei, dass er manchmal als langweilig gilt.

Aber Klay kann jederzeit explodieren - und dabei sogar noch stärker eskalieren als seine berühmteren Teamkollegen. Manchmal sogar mehr als jeder andere Spieler der NBA-Geschichte: Klay nennt das punktereichste Viertel überhaupt (37 Punkte) sein Eigen und hat die 60 Punkte schneller erreicht als jeder andere vor ihm (29 Minuten).

Durant hat es im Mai ebenfalls erlebt, als Thompson in Spiel 6 der Conference Finals heiß lief und gegen das drohende Ausscheiden elf Dreier versenkte. "Wir erinnern uns an diese Leistungen, deswegen haben wir irgendwie immer das Gefühl, dass er einfach loslegen kann", sagte Kerr am Dienstag.

Alle anderen Teams sollten sich auch daran erinnern, wenn sie den Dubs gegenüberstehen. Der vielleicht explosivste Scorer der Liga ist nur die dritte Geige seines Teams - und das ist für ihn die perfekte Situation.

Klay Thompson im Steckbrief

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