3-14. Beim Blick auf die Bilanz der Mavs Ende November konnte jeder Dallas-Fan nur resignierend mit dem Kopf schütteln. Die eklatante Offensiv-Schwäche führte zu einer Pleite nach der anderen, der schlechteste Saisonstart der Franchise-Geschichte war nur eine Zwischenstation auf einer senkrechten Talfahrt.
Einer der Gründe war das aus allen Nähten platzende Lazarett: Die Dauergäste in dieser Saison hörten auf die Namen Dirk Nowitzki, Deron Williams, Andrew Bogut, J.J. Barea und Devin Harris. Die Personalprobleme gingen so weit, dass mit Dorian Finney-Smith ein Rookie unter Rick Carlisle kontinuierlich starten durfte. Sachen gibt's.
Inzwischen schreiben wir das Jahr 2017 - und langsam aber sicher krabbeln die Mavericks aus dem Loch heraus, das sie sich im ersten Saisonmonat gegraben haben. Dank sieben Erfolgen aus 17 Spielen im Dezember konnte das Team von Rick Carlisle die rote Laterne wieder abgeben.
Noch viel wichtiger: Fast alle Invaliden sind zurück und Dallas spielt wieder guten Basketball. Nicht gut genug, um mit den Top-Teams mitzuhalten, aber für Duelle auf Augenhöhe mit dem breiten Mittelfeld der Liga reicht es. Und - man mag es kaum glauben - selbst die Playoffs sind noch in Reichweite.
Die neue Lichtgestalt
Harrison Barnes, ein Lichtblick in der dunkelsten Mavs-Phase der letzten 15 Jahre, zeigte Abend für Abend starke Spiele und nebst elitärer Defense vernaschte er im Halfcourt reihenweise seine Gegenspieler. Ob per Fake und Drive oder per Stepback-Jumper, Barnes scorte nach Belieben.
Seine Entwicklung hing direkt mit Nowitzkis Verletzung zusammen. Dessen Achillessehne warf Barnes direkt ins kalte Wasser und beförderte ihn zum Go-to-Guy. Das hatte - bis auf die Bilanz - nur positive Auswirkungen. Mit stoischer Ruhe und motivierendem Trainingseifer nahm HB seine Rolle an.
Da aber die offensive Unterstützung der wenigen verbliebenen gesunden Teamkollegen zu wünschen übrig ließ, sprang trotz der besten Defense seit der Championship kaum ein W dabei heraus. Barnes ließ sich davon jedoch nicht beirren, wohl wissend, dass er in Dallas nicht als Übergangslösung, sondern als neuer Franchise-Player geholt worden war, und machte konstante Fortschritte.
Sein Playmaking, das Ausnutzen von Mismatches und die Pässe aus dem Double Team sind deutlich besser geworden als noch zu Saisonbeginn. Eine solch steile Lernkurve hätten selbst die optimistischen Mavs-Anhänger Barnes nicht zugetraut. Zudem stellte er mit dem Gamewinner gegen die Los Angeles Clippers seine Clutchness unter Beweis.
Sonderlob von Nowitzki
Nach dem Sieg gegen die Washington Wizards, bei dem Barnes 26 Punkte, 7 Rebounds und 5 Assists auflegte, gab es ein Sonderlob von Nowitzki.
"Er macht inzwischen Plays vom Elbow und Perimeter, die er vor einem Monat noch nicht gemacht hat. Er findet unsere Shooter auf dem Flügel und er weiß, wie er es verhindert, in seinen Isolations gedoppelt zu werden. Das hat er vor wenigen Wochen so noch nicht gekonnt. Er hat jetzt mehr Erfahrung und das Spiel wird langsamer für ihn. Das muss man wirklich anerkennen."
Das Positions-Dilemma
Das Spiel der Mavs hat sich durch die Rückkehr von Nowitzki verändert. Auch, wenn seine Minutenzahl erst langsam steigt, macht sich der Fixpunkt Dirk sofort wieder bemerkbar und verleiht Dallas im Angriff deutlich mehr Struktur. Doch Nowitzkis Comeback bringt gleich zwei andere Probleme mit sich: das Positions-Dilemma und das deutsche Loch in der Defensive.
Barnes machte sich als Small-Ball-Vierer so gut, dass Carlisle ernsthaft darüber nachdenkt, den Neuzugang dauerhaft als Power Forward starten zu lassen. Mit Nowitzki auf der Fünf kommt Barnes auf 1,26 Punkte pro Ballbesitz - ein abartig guter Wert.
Zuletzt begann Dirk daher mehrfach statt Bogut auf der Fünf. Die Froncourt-Kombination der beiden harmonierte aufgrund der fehlenden Schnelligkeit ohnehin nicht wirklich.
Das deutsche Loch
Nowitzkis 38 Jahre lassen sich in der Defensive nicht wegdiskutieren, die meisten startenden Vierer der Liga kann er schlicht und einfach nicht mehr verteidigen. Und man könnte fast sagen, dass er selbst schuld daran ist. Schließlich war er es doch, der dafür sorgte, dass ein jeder Power Forward heutzutage sowohl Inside als auch Outside spielen kann. Das wird ihm nun in gewisser Weise zum Verhängnis.
Also Dirk auf die Fünf? Gegen reine Post-Center ist Nowitzki dank seiner Erfahrung noch immer ein guter Verteidiger. Washingtons Marcin Gortat etwa versuchte immer wieder vergeblich, ihn am Korb wegzuschieben, doch Dirk hielt stets dagegen und machte dem Polish Hammer das Leben schwer.
Das größere Problem ist die Pick-and-Roll-Verteidigung. Die fehlende Beweglichkeit macht Nowitzki zu einem beliebten Angriffsziel. Und jedes Mal, wenn das gegnerische Team ein Pick-and-Roll mit Dirks Gegenspieler laufen lässt, müssen die anderen vier Mavs doppelt so hart arbeiten, um das dadurch entstandene deutsche Loch zu schließen.
"Er ist einfach nicht mehr so schnell"
Rim Protection ist ebenfalls so gut wie nicht vorhanden, wenn Nowitzki den Center gibt. "Er sagt, er hat über 1000 Würfe in seiner Karriere geblockt", so Barnes scherzhaft: "Ich weiß nicht, ob ich ihm das glauben soll." Aber in normalem Tonfall fügte er noch hinzu: "Wir wissen, dass wir besonders giftig sein müssen, wenn er auf dem Feld steht. Er ist einfach nicht mehr so schnell und wir alle müssen das ausgleichen. Aber dafür bestrafen wir jedes Team in der Offensive."
Zumindest ist das der Plan. Im Dezember funktionierte die Abteilung Attacke schon deutlich besser, auch wenn das bei dem katastrophalen November nicht schwer war. Aus 88,6 Punkten pro Spiel wurden 98,9. Die Feldwurfquote stieg von 41 auf 45 Prozent, die Dreierquote sogar von 30,1 Prozent (Platz 30) auf 37 Prozent (Platz 10).
Das alles bestätigt den positiven Eindruck der letzten Wochen. Es geht aufwärts in Big D. Zumal mit J.J. Barea der wichtigste Bankspieler des Teams in den nächsten Tagen zurück auf dem Court erwartet wird.
Tanking? Playoffs!
Erst einmal verstummt sind daher die zwischenzeitlich recht lauten Kritiker und ihre Forderungen nach einer Tanking-Saison. Das hängt aber auch mit der in der Breite aktuell erschreckend schwachen Western Conference zusammen. Dallas liegt trotz nur 11 Siegen aus 35 Partien lediglich vier Siege hinter den achtplatzierten Kings (15-20).
"Wir wissen, dass wir eine realistische Chance auf die Playoffs haben", so Nowitzki: "Wir müssen nur ein wenig besser spielen und eine kleine Serie starten. Wir spielen nicht für die Draft-Position. Wir spielen, um jeden Abend zu gewinnen. Und dann sehen wir weiter."
Unabhängig davon wäre es für die Mavs vermutlich das Beste, Bogut noch vor der Deadline im Februar zu traden. Ein Contender könnte noch einiges an Gegenwert für die kurzfristige Hilfe und den auslaufenden Vertrag auf den Tisch legen. Besser, als ihn auf die Bank zu setzen und Dwight Powell damit noch tiefer in der Rotation nach hinten zu verdrängen, wäre das allemal. Zumal der Australier sich in Dallas nicht wahnsinnig wohl zu fühlen scheint.
"Er verdient es, zu starten"
"Eigentlich mag ich Bogut nicht auf der Bank", sagte auch Carlisle: "Er ist einer der besten sechs, sieben Center der Liga und er verdient es, zu starten. Das gilt aber auch für Dirk."
Es deutet alles darauf hin, dass die Wahl auf Nowitzki fallen wird - und das nicht erst nach dem zweifelhaften Interview von Bogut. Sie sollte es zumindest. Denn wenn Barnes' Entwicklung in diesem Tempo weitergeht, werden die Mavs-Maniacs über jede Minute froh sein, die er auf der Vier spielt.
"Das sollte ein gutes Scoring-Lineup sein", so Dirk: "Wir haben so eine Menge Shooter und Playmaker auf dem Feld. Und wir versuchen, HB so viel Raum wie nur möglich zu geben."
Die neue Hackordnung spiegelt sich also auch schon in den Aussagen von Nowitzki, der nie einen Hehl daraus gemacht hat, dass er für das Team auch von der Bank kommen würde. Doch das muss er gar nicht.
Statt zum Reservisten zu werden, muss er nun die Position aufgeben, die er über Jahre geprägt hat. Und sich auf seine alten Tage in Dallas einmal mehr neu erfinden. Und zwar auf der Fünf.