"Mein Job: In den Kopf des Gegners kommen"

Dirk Sing
25. Januar 201721:51
Patrick Beverley gilt als einer der fiesesten Verteidiger der NBAgetty
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Patrick Beverley gibt bei den Houston Rockets den giftigen Backcourt-Partner von James Harden. SPOX sprach mit dem Guard über seinen Superstar-Kollegen, den neuen Coach Mike D'Antoni und die wichtigsten Aspekte von Defense. Außerdem: Warum er nicht mehr über Dwight Howard sprechen will.

SPOX: Patrick, wie würden Sie grundsätzlich einen Top-Verteidiger beschreiben und charakterisieren?

Patrick Beverley: Ich denke, ein richtig guter Verteidiger hat viele Facetten. Man benötigt dazu natürlich vor allem schnelle Beine und Hände. Darüber hinaus muss man aber auch sehr gut antizipieren können, sprich in der Lage sein, die Aktion eines direkten Gegenspielers möglichst vorherzusehen, um darauf reagieren zu können. Als Verteidiger muss man einfach immer versuchen, den Vorteil des ballbesitzenden Spielers so gut es geht auszugleichen. Wichtig ist es natürlich auch, dass man das Spiel lesen kann - gerade abseits des Balles, um in der Lage zu sein, rechtzeitig auszuhelfen. Das Ganze ist also schon sehr komplex.

SPOX: Welche aktuellen NBA-Akteure imponieren diesbezüglich?

Beverley: Nun, wenn es gegen den Ball geht, macht beispielsweise mein Teamkollege Trevor Ariza einen erstklassigen Job. Mit seiner Aggressivität setzt er den ballführenden Akteur immer unter Druck und gibt ihm das Gefühl, ständig da zu sein. Das ist schon ein ziemlich unangenehmes Gefühl. Wenn es ums Antizipieren oder auch das Schließen der Passwege geht, imponiert mir aber auch Kawhi Leonard. Gegen ihn zu spielen, macht sicherlich keinen Spaß. (lacht)

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SPOX: In einem Interview Ende des vergangenen Jahres haben Sie sich selbst als aktuell besten Verteidiger in der NBA bezeichnet. Können Sie uns verraten, wie Sie zu dieser Erkenntnis gekommen sind?

Beverley: Naja, diese Aussage wurde vielleicht im einen oder anderen Medium ein bisschen falsch dargestellt. Ich sehe mich jetzt nicht als besten Verteidiger in der gesamten Liga, sondern ausschließlich unter den Point Guards! Ich denke, dass man eine solche Einschätzung hinsichtlich der verschiedenen Positionen unterscheiden sollte. Wenn du den gegnerischen Aufbauspieler verteidigst, brauchst du schlichtweg ganz andere Fähigkeiten, als es zum Beispiel gegen einen Center oder Forward der Fall wäre. Aber ich bin schon so selbstbewusst, um zu sagen, dass ich in meinen Augen derzeit der beste Defender auf der Point Guard-Position bin.

SPOX: Ihre direkten Gegenspieler heißen dabei unter anderem Stephen Curry, Chris Paul, Russell Westbrook oder Kyrie Irving. Wie bereiten Sie sich speziell auf solche Matchups vor?

Beverley: Mein Vorteil ist, dass ich nun doch schon seit einigen Jahren gegen diese Jungs spiele und daher in der Regel weiß, über welche Stärken sie jeweils verfügen und welche Moves oder Aktionen sie bevorzugen. Aber klar, jeder ist von seiner Spielweise und vom Stil her natürlich etwas anders. Man schaut sich im Vorfeld eines Duells schon nochmals einige Video-Sequenzen an, um auf dem neuesten Stand zu sein und keine Überraschung zu erleben. Grundsätzlich hast du das Meiste allerdings schon im Kopf und weißt, worauf es ankommt.

SPOX: Wie wichtig ist beim Verteidigen neben der physischen auch die psychische Komponente?

Beverley: Die Psyche ist mit Sicherheit der wichtigste Aspekt. (grinst) Mein Job ist es, in den Kopf meines Gegners zu kommen. Die Rolle des Point Guards ist zweifelsohne die wichtigste in einem Team. Er gibt letztlich die Struktur des Spiels vor. Je mehr es dir gelingt, seine Konzentration auf dich als verteidigenden Gegenspieler zu lenken, umso mehr nimmst du ihm den Fokus auf sein eigenes Spiel. Bei der vorhandenen Klasse und Qualität der Point Guards in dieser Liga ist das aber freilich nicht einfach. Du musst ganz einfach versuchen, deinen Job immer so gut wie möglich zu machen. Je besser dir das gelingt, umso mehr hilfst du deiner Mannschaft.

SPOX: Haben Sie mittlerweile eigentlich einen Lieblings-Gegenspieler, gegen den Sie besonders motiviert sind?

Beverley: Nein, eigentlich nicht. Ich nehme alle, wie sie gerade kommen. (lacht)

SPOX: Wenn Sie auf die Anfänge Ihrer Karriere zurückblicken: Waren Sie bereits während Ihrer High School- und College-Zeit ein Spieler, der sich vor allem über die Defense definiert hat?

Beverley: Ja, definitiv! Ob in der High School, im College oder in der NBA ist von der Qualität her nahezu jeder Spieler in der Lage, in der Offensive entscheidende Akzente zu setzen. Ich habe mir deshalb überlegt, mir etwas anderes zu suchen, mit dem ich mit von vielen anderen Akteuren unterscheide und mich darauf zu konzentrieren - und das war dann eben die Defense.

SPOX: Würden Sie demzufolge sagen, dass Ihre Defense letztlich auch Ihr Türöffner für die NBA war?

Beverley: Ja, das kann man sogar zu 100 Prozent so sagen! Meine Defense hat mir letztlich sehr viele Türen und Gelegenheiten in meiner bisherigen Laufbahn geöffnet - eben auch die zur NBA. Auf das Spiel selbst bezogen, gibt es mir die Möglichkeit, sehr viel Verantwortung im und für mein Team zu übernehmen. Wie ich schon erläutert habe, hängt immer viel davon ab, wie man gegen den gegnerischen Point Guard verteidigt. Machst du einen guten Job, profitiert deine Mannschaft davon. Gelingt dir das nicht, hat dein Team wahrscheinlich ein Problem. Dementsprechend trägst du schon eine große Verantwortung.

SPOX: Nun ist die Defense natürlich nur die Hälfte des Spiels - wie schwer fällt es Ihnen, die richtige Balance zwischen einer harten und aggressiven Defense auf der einen sowie gleichzeitig einer strukturierten und produktiven Offense auf dem Court zu finden?

Beverley: Das ist in der Tat mit die größte Herausforderung auf dem Feld. Letztlich versuche ich, in der Verteidigung hart und aggressiv zu arbeiten, um mir dann für die Offense die nötige Energie und das Selbstvertrauen zu holen. Wenn wir dann in Ballbesitz sind, lasse ich das Spiel einfach auf mich zukommen, um dann situativ die hoffentlich richtigen Entscheidungen zu treffen.

SPOX: Bevor Sie im Januar 2013 Ihr NBA-Debüt bei den Rockets gefeiert haben, waren Sie seit 2008 in Europa bei BK Dnipro Dnipropetrowsk, Olympiakos Piräus und Spartak St. Petersburg aktiv. Inwieweit hatte diese Erfahrung Einfluss auf Ihre jetzige Karriere in der NBA?

Beverley: Nun, auch wenn sich der Basketball in der NBA von dem in Europa schon grundsätzlich unterscheidet, war es auch im Nachhinein die absolut richtige Entscheidung, dass ich diesen Schritt gewagt habe. Zum einen habe ich mich in meiner Persönlichkeit und als Mensch weiterentwickelt - aber natürlich auch als Spieler. Ich habe während dieser Zeit bei meinen Klubs viel Verantwortung übernommen und auch im Training viel an meinen Skills gearbeitet. Von dem her möchte ich diese Erfahrung niemals missen.

SPOX: Lassen Sie uns über die Gegenwart sprechen. Wenn man die Spielweise Ihrer Rockets kurz zusammenfasst, könnte man sagen: Hohes Tempo, viele und schnelle Würfe von draußen - und demzufolge auch viel Verteidigungsarbeit! Das müsste doch genau nach Ihrem Geschmack sein...

Beverley (lacht): Oh ja, da haben Sie verdammt recht! Das sind alles Dinge, die ich auf dem Court liebe. Viel Speed, schnelle Wurfsituationen für sich oder seine Teamkollegen kreieren, immer wieder hart verteidigen - aber gleichzeitig auch am Ende eines knappen Spiels Ballbesitze erarbeiten. Diese Mischung macht schon sehr viel Spaß!

SPOX: Dem General Manager der Rockets, Daryl Morey, schwebt dieser Spielstil ja schon lange vor. Ist der neue Headcoach Mike D'Antoni mit seiner Philosophie das entscheidende Puzzleteil für die Umsetzung des "Moreyballs"?

Beverley: Mike ist aufgrund seiner großen Erfahrung ein absoluter Trainer-Guru. Ich denke, dass er für unsere Mannschaft zum jetzigen Zeitpunkt eine ideale Lösung ist! Es macht viel Freude, mit ihm und seinem gesamten Trainerstab jeden Tag zu arbeiten. Und seine Handschrift ist durch die Art und Weise, wie wir auftreten, deutlich sichtbar. Er vertraut den Spielern und wir Spieler vertrauen ihm.

SPOX: Wie wichtig war die Tatsache, dass die Rockets im bisherigen Verlauf mit ihrem Moreyball bereits Topteams wie die Spurs, Clippers und Warriors besiegen konnten - gerade im Hinblick auf das Vertrauen und die Überzeugung in eben diese Spielweise?

Beverley: Das hilft natürlich schon enorm. Wir haben gesehen, dass wir in der Lage sind, die von Ihnen genannten Mannschaften zu schlagen, wenn wir unseren Plan von der ersten bis zur letzten Minute umsetzen und durchziehen. Unser Ziel ist es ganz klar, das beste Team in der NBA zu werden beziehungsweise zu sein. Natürlich wissen wir auch, dass zwischen der Regular Season und den Playoffs nochmals ein großer Unterschied ist. Aber wir sind überzeugt, dass wir mit unserer Spielweise den Titel holen können.

SPOX: Eben jene Überzeugung schien bei den Rockets der Saison 2015/2016 nicht wirklich vorhanden gewesen zu sein. Wie lassen sich die beiden Teams aus dem vergangenen und diesem Jahr miteinander vergleichen?

Beverley: Die letzte Saison ist Vergangenheit - und deshalb möchte ich darauf auch gar nicht mehr zu sprechen kommen! Ich konzentriere mich einzig und alleine mit meiner Mannschaft auf diese Spielzeit. Was war, ist Geschichte.

SPOX: Denken Sie, dass die jetzige Spielweise der Rockets auch möglich wäre, würde ein Dwight Howard nach wie vor im Kader stehen?

Beverley: Das war ein guter Versuch von Ihnen. (lacht) Aber ich denke, dass man diese Frage nicht beantworten kann. Wie gesagt, meine Konzentration liegt einzig und alleine auf unserem aktuellen Team und der jetzigen Saison.

SPOX: Abschließend sei aber dennoch ein weiterer Vergleich erlaubt: Hat sich in Ihren Augen das Auftreten von Ihrem Teamkollegen James Harden sowohl auf als auch neben dem Spielfeld in dieser Saison nochmals entscheidend verändert?

Beverley: Ja, das würde ich schon sagen! James war eigentlich schon immer ein großartiger und einzigartiger Basketball-Spieler, der gerade in der Offensive unberechenbar ist. Er hat einen verdammt guten Wurf sowohl von der Drei-Punkte-Linie als auch Mitteldistanz, kann exzellent das Brett attackieren, hat dabei aber auch immer das Auge für den freien Mitspieler. Dementsprechend sind auch seine Pass-Qualitäten erstklassig. Seine Fähigkeiten kommen jetzt in unserem System noch besser zum Tragen. Darüber hinaus tritt er nun noch intensiver als unser Leader auf und trägt die Mannschaft auf seinen Schultern. James ist einfach ein wahrer Anführer.

Patrick Beverley im Steckbrief