Vorhang auf für die Boogie-Braue!

Ole Frerks
20. Februar 201721:49
DeMarcus Cousins und Anthony Davis spielen künftig zusammen bei den Pelicansgetty
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Die Sacramento Kings beenden die Ära DeMarcus Cousins und schicken Boogie zu den New Orleans Pelicans. Doch was bedeutet der Deal für alle Beteiligten - und was kann die Liga daraus lernen? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wer hat den Trade gewonnen?

Kleiner Scherz am Rande.

Ernsthaft. Was ist passiert?

Nachdem sie noch am Sonntag beteuert hatten, dass sie Cousins behalten wollen, haben die Kings einen Trade mit den Pelicans eingefädelt. Im Laufe des Tages war laut ESPN auch mit den Suns und Lakers verhandelt worden, beide Teams wollten aber anscheinend nicht genug Gegenwert liefern. Ein Lakers-Angebot scheiterte demnach an der Weigerung, Brandon Ingram in den Trade zu involvieren.

Insofern sah der letztendliche Trade dann wie folgt aus: Boogie wechselt gemeinsam mit Omri Casspi nach New Orleans, dafür erhalten die Kings Buddy Hield, Tyreke Evans, Langston Galloway sowie zwei Picks: Einen 2017er Erstrundenpick mit Top-3-Protection sowie einen 2017er Zweitrundenpick.

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Cousins selbst spielte am Sonntag im All-Star Game nur zwei Minuten und begab sich wenig später via Privatflugzeug nach Sacramento, am Dienstag wird dann seine Rückkehr nach New Orleans erwartet, wie The Undefeated berichtet.

Auch wenn noch keine offizielle Bestätigung vorlag, galt der Deal schon kurz nach dem All-Star Game als in trockenen Tüchern: Pelicans-Forward Anthony Davis, der vor heimischem Publikum mit 52 Punkten zum MVP avancierte, sagte etwa: "Was für ein unglaubliches Wochenende. Erst All-Star MVP werden, dann Boogie bekommen - besser geht es nicht."

Was bedeutet der Deal für die Kings?

Einerseits Rebuild deluxe, andererseits (weiteren) Gesichtsverlust. Schon lange hielten sich Gerüchte um Boogies schwierigen Charakter, teilweise war dieser auch durchaus öffentlich zu sehen, etwa als er einen lokalen Journalisten harsch attackierte. Die Franchise hat sich offenbar entschieden, dass Cousins nie der Anführer sein würde, den sie in der Haupstadt Kaliforniens eigentlich bräuchten.

Für sich genommen wäre diese Entscheidung legitim. In sechs Jahren mit Boogie haben die Kings noch nie die Playoffs erreicht, auch in seiner siebten Saison sieht es eher nicht danach aus (24-33). Daran hatten zwar sicher auch die zahllosen Coaches, die schlechten Draftpicks und die konfusen Free-Agent-Entscheidungen der Kings ihren Anteil - ein vorbildlicher Superstar war Cousins in Sacramento allerdings keineswegs.

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Wie gesagt: Die Entscheidung wäre für sich genommen vielleicht kontrovers, aber verständlich. Weniger verständlich: Warum behauptet man bis vor kurzem noch, dass man Boogie auf jeden Fall halten will? Nicht öffentlich, das ist ohnehin nie ernst zu nehmen. Wie sein Agent Jarinn Akana am Sonntag verriet, hatten die Kings-Entscheider Vlade Divac und Vivek Ranadive Cousins bis zuletzt aber auch privat versichert, dass sie ihn auf jeden Fall halten wollten. Wie das wohl bei anderen Free Agents, geschweige denn Stars, ankommt, die ein Angebot aus Sacramento bekommen?

Noch weniger verständlich ist jedoch der Trade an sich. Die Pelicans haben für einen geschützten Pick, Hield und ein paar alte Radkappen den vielleicht besten Center der Liga bekommen. Warum wartete man nicht wenigstens bis zur Deadline am Donnerstag, ob noch ein verzweifeltes Team ein besseres Angebot machen würde?

Zur Einordnung: Denver bekam 2015 mehr Erstrundenpicks für Timofey Mozgov als Sacramento heuer für Cousins. New Orleans versuchte kürzlich noch, mit nahezu dem gleichen Angebot Jahlil Okafor zu holen. Okafor! Sie selbst konnten ihr Glück wohl kaum fassen, dass es nun für Boogie reichte. Selbst wenn Hield eines Tages ein Star werden sollte, was äußerst unwahrscheinlich erscheint, wäre dieser Deal noch unfassbar einseitig.

Sacramento will nun offenbar tanken und sich mit einem hohen Lottery-Pick für die Zukunft neu aufstellen - auch wenn sie seit Boogie 2010 jeden ihrer endlosen Lottery-Picks versemmelt haben. Das Problem: Aufgrund des legendär kurzsichtigen Nik-Stauskas-Trades 2015 müssten sie ihren Pick, sofern er höher wäre als der der Sixers, im kommenden Draft mit den Sixers tauschen. Ihren 2019er Erstrundenpick hat Philadelphia ebenfalls. Den Rebuild erleichtert das nicht.

Was bedeutet der Trade für Cousins?

Den Schock über den Abschied aus seiner bisherigen Basketball-Heimat dürfte Cousins relativ schnell verkraftet haben. Immerhin wartet dort Anthony Davis, mit dem er das dominanteste Big-Men-Duo seit - ja, wem eigentlich? - bilden dürfte. Auf dem Papier wird man in der Geschichte der Liga nur wenige bessere Vier-Fünf-Kombinationen finden können.

Der beste Mitspieler, den Cousins bisher hatte, war Isaiah Thomas, lange vor dessen All-Star-Zeiten. Nun hat er die Braue neben sich. Man könnte durchaus behaupten, dass dies die beiden besten Big Men der NBA sind.

Für Cousins bedeutet das aber auch: Wenn er seine Ausraster, seine schlechte Körpersprache etc. fortan nun auch in New Orleans spazieren trägt, wird man dies in Zukunft nicht mehr nur darauf schieben, dass er ja bei der Chaos-Franchise in Sacramento angestellt ist.

Storify zu Cousins: Und alle so: "Whaaaaat?"

Bis vor kurzem dachte man noch, dass ein 200-Millionen-Megamax für ihn bereits beschlossene Sache sei, nun wurde er für kaum einen Gegenwert abgegeben und es waren nur Teams involviert, die derzeit mies sind. Kein Boston, kein Washington, kein Playoff-Team machte ein Angebot - vielleicht gibt ihm auch das zu denken.

Gleichzeitig ist der Wechsel für ihn natürlich auch eine riesige Chance. Erstmals in seiner Karriere muss er nicht den Alleinunterhalter und vor allem Blitzableiter geben. Vielleicht setzt das noch einen neuen Level bei ihm frei. Es ist ja nicht so, dass sein Talent jemals in Frage stand. Jetzt kann er ein für allemal beweisen, dass bei ihm auch zwischen den Ohren alles in Ordnung ist.

Was bedeutet der Trade für die Pelicans?

Das Wichtigste zuerst: Sie haben ihrem Franchise Player bewiesen, dass sie tatsächlich in der Lage sind, gute Deals zu machen. Davis bekommt einen veritablen Superstar an die Seite gestellt, der etwas Last von seinen Schultern nehmen kann und mit dem ihn zudem auch noch die Kentucky-Vergangenheit verbindet.

In den nächsten Tagen hat GM Dell Demps dennoch einige weitere Aufgaben abzuhaken. Der Backcourt ist durch den Trade extrem dünn geworden, nun gilt es, den neuen Twin Towers einen zumindest ordentlichen Supporting Cast an die Seite zu stellen. Ein Trade von Forward Terrence Jones ist offenbar schon beschlossene Sache, weitere Moves könnten folgen.

Sollte dies gelingen, hätte New Orleans auf einmal doch wieder sehr gute Karten auf den letzten Playoff-Platz im Westen. Trotz der bisher miesen Saison haben die Pels nur zwei Siege weniger auf dem Konto als die achtplatzierten Nuggets. Kein anderes Team in den unteren Regionen des Westens kann mit der Starpower der "Boogie-Braue" auch nur ansatzweise mithalten.

Das gilt zumindest auf dem Papier. Mit den beiden vielleicht talentiertesten Big Men der Liga starten die Pelicans ein Experiment, das in den nächsten Wochen ohne Frage zum Pflichtprogramm aller NBA-Fans werden sollte.

In der Praxis muss das neue Team sehr schnell zusammenfinden. Und die Pelicans müssen noch mehr tun, um ihren ebenfalls schlechten Ruf als Franchise zu rehabilitieren. Cousins-Agent Akana sagte noch am Sonntag, dass sein Klient im kommenden Sommer wohl bei keinem Team eine vorzeitige Vertragsverlängerung unterschreiben würde, das vor der Deadline noch für ihn tradet.

Damit hätte NOLA bis Sommer 2018 Zeit, ihn von einem langfristigen Verbleib zu überzeugen. Wie üblich in der NBA gilt auch hier: Dafür müssen Siege her. Über zu wenig Druck kann sich Pels-Coach Alvin Gentry also keineswegs beschweren.

Was bedeutet der Trade für den Rest der NBA?

Der eine oder andere GM der Liga dürfte sich wohl denken: "Für so wenig war Boogie zu haben?" Billiger ging ein Superstar selten über die Ladentheke. Für viele Teams ist der Trade gewissermaßen eine verpasste Chance.

Auf das Meister-Rennen wird der Deal indes keine Auswirkungen haben - zumindest nicht direkt. Den siebten Platz (OKC) wird New Orleans im Westen nicht mehr erreichen können und ein Matchup gegen Golden State in der ersten Runde wäre nicht halb so spannend, wie es auf den ersten Blick aussieht. Die "Boogie-Braue" in voller Kraft werden wir erst nächste Saison sehen, sollte Demps diesem Trade einen produktiven Sommer folgen lassen. In erster Linie sollte dafür gesorgt werden, dass der auslaufende Vertrag von Jrue Holiday verlängert wird.

Für das Playoff-Picture im Westen bedeutet der Deal vorerst nur, dass Sacramento sich aus dem Rennen verabschieden wird. Zumindest Denver, Dallas und Portland werden dagegen weiterhin versuchen, die Postseason noch irgendwie zu erreichen. Gut möglich, dass noch mindestens eins dieser Teams per Trade versuchen wird, mit der neuen Macht in Louisiana irgendwie Schritt zu halten.

Eine weitere Auswirkung hat der Trade auf den Rest der Liga: Vor der Deadline ist einer der ohnehin wenigen großen Namen bereits wieder vom Markt. Es gibt noch Jimmy Butler, der immer wieder mit Boston in Verbindung gebracht wird, und bekanntlich Carmelo Anthony, wenngleich dieser die Pattsituation mit Knicks-Boss Phil Jackson anscheinend bis auf die Spitze treiben will.

Vielleicht motiviert dieser Deal die "one-piece-away Teams", die nicht Cleveland, Golden State oder San Antonio heißen, umso mehr, selbst noch einmal aktiv zu werden. Man darf sich aber wohl sicher sein, dass kein weiterer Star in den nächsten Tagen für so ein winziges Paket zu haben sein wird. Die Kings hatten schließlich nur den einen.

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