Von Martin Klotz
Es ist vorbei. Das MVP-Rennen ist entschieden. Ich war lange Zeit ein Gegner davon, Russell Westbrook für seine Ego-Show den MVP-Award auszuhändigen. Diese Meinung habe ich hart gegen einige irrational begeisterte Kollegen vertreten, die mittlerweile fast aufgeregter auf das Triple-Double im Schnitt warten als auf den eigenen Nachwuchs. Doch nun gibt es einfach keine Möglichkeit mehr, dem Berserker die Trophäe abzusprechen. Er hat das Ding verdient. Und er hat es in der Tasche.
Nachdem Russ zu Anfang der Saison aufgrund seiner Eigensinnigkeit - zu Recht - viel kritisiert wurde, ist er in einen Über-Modus gewechselt, der jeden seiner Mitspieler mitreißt. Ohne Team-Erfolg kein MVP-Award? OKC hat die Grizzlies kassiert und sich auf Rang sechs geschoben, die Clippers und Jazz schauen schon verängstigt in den Rückspiegel. Platz vier und Playoff-Heimvorteil sind bei 2,5 Siegen Rückstand gar nicht mehr abwegig. Die Thunder schwimmen auf der Erfolgswelle und haben acht der letzten zehn Spiele gewonnen.
Westbrook macht alles allein? Stimmt, aber die Bilanz seines Teams gibt ihm Recht. Bei 38 Triple-Doubles verbuchten die Thunder 31 Siege (81,5 Siegquote!). Das erste Triple-Double der Liga-Geschichte ohne Fehlwurf geht natürlich auch auf Russells Konto.
5,4 Turnover pro Spiel sind eine Hausnummer, okay. Doch nur mal zum Vergleich: James Harden steht derzeit bei 5,8. Und ganz nebenbei liegt Russ mit satten 2,5 Punkten Vorsprung klar auf Kurs Scoring-Champion.
All das sind nur Statistiken, der Wert eines MVP wird aber auch auf dem Parkett gemessen. Da die Defense ohnehin leider keine Rolle spielt (sonst wäre Kawhi Leonard unangefochtener MVP), geht inzwischen nichts mehr über Westbrook. Gerade in der zweiten Saisonhälfte hat RW0 gezeigt, dass er das Team nicht nur im Alleingang versenken, sondern auch im Alleingang tragen kann.
Gegen die Mavs lag OKC 210 Sekunden vor dem Ende mit 78:91 hinten. Doch Westbrook legte einen persönlichen 12:0-Lauf hin und entriss Dallas den Sieg. Und als wäre es ein Abend mit Schirmchen-Cocktails am Pool ließ er in der nächsten Partie gegen Orlando mit 57/13/11 das Triple-Double mit den meisten jemals erzielten Punkten folgen. Inklusive dem wichtigen Dreier zur Overtime, versteht sich.
Und dann wäre da noch dieser kleine, ganz unbedeutende Fakt: Westbrook wird in den nächsten Spielen Oscar Robertsons Bestmarke von 41 Triple-Doubles in einer Saison einstellen - und eine Partie später überflügeln. Daran zweifelt inzwischen niemand mehr.
Am MVP 2016/17 sollte auch niemand mehr zweifeln. Er heißt Russell Westbrook.