Pau Gasol? Fehlte 15 Spiele mit einer Fraktur in seiner linken Hand. Tony Parker? Hat aufgrund verschiedener Leiden bereits 17 Spiele verpasst und ist derzeit mit einem Minutenlimit versehen. LaMarcus Aldridge? Bereitete große Sorgen, als es hieß, er würde mit leichten Herzrhythmusstörungen auf unbestimmte Zeit fehlen. Auch Danny Green fehlte am Anfang der Saison für zwei Wochen, womit vier der fünf Spieler des Lieblings-Lineups von Gregg Popovich für einen längeren Zeitpunkt draußen waren. Lediglich Kawhi Leonard ist eine Konstante in der Rotation der Texaner.
"Das letzte Mal, dass wir mit unserem gewohnten Lineup gespielt haben, war die Niederlage gegen Atlanta am 1. Januar. Letzte Nacht gegen Memphis (am 18. März) war es das zweite Mal. Man kann also sagen: Wir hatten nur zwei Niederlagen mit unserer Truppe in diesem Jahr", so Popovich gewohnt sarkastisch (es waren die einzigen beiden Spiele, in denen alle fünf mitmischen durften).
Das verhinderte Elite-Lineup
Insgesamt stand das Lineup Parker/Green/Leonard/Aldridge/Gasol nur 363 Minuten auf dem Feld - also im Schnitt nur läppische 5,2 Minuten pro Abend. Kein Wunder, dass es hin und wieder etwas rostet. Das war zu Saisonbeginn nicht der Fall: In einem halbwegs fitten Zustand der glorreichen Fünf stand die Bilanz bei 18-5.
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Vor diesem Hintergrund ist es überraschend und Spurs-typisch zugleich, dass seit der Verletzung Kevin Durants bei den Warriors der Top Seed für die Jungs aus San Antonio plötzlich wieder realistisch ist. Nach dem Sieg über die Dubs vor acht Tagen (okay, es waren nur die B-Teams) waren die beiden West-Frontrunner gleichauf, zwei Tage später zog der fünffache Champion gar an Golden State vorbei.
Und das, obwohl es sich wie ein roter Faden durch die Saison zieht, dass sich Pop ständig etwas Neues ausdenken muss. Dabei hieß es vor der Saison noch, dass durch den Abgang von Tim Duncan und dem hohen Preis der Free-Agent-Verpflichtung Gasols die große Spurs-Stärke der letzten Jahre verloren gegangen war: Die Tiefe.
Das unerwartete Trio
Inzwischen steht jedoch fest, dass diese Sorge unbegründet war. Neben der MVP-Saison von Kawhi Leonard und der Meisterhaftigkeit von Pop sind drei Namen für den Erfolg zu nennen: Davis Bertans, Dewayne Dedmon und Patty Mills.
Bei der "Red Mamba", wie Bertans aufgrund seiner roten Haarpracht genannt wird, hat die Scouting-Abteilung der Spurs mal wieder alle genarrt. Der Lette wurde schon 2011 von den Indiana Pacers gedraftet und in Europa zwischengeparkt, wo er zunächst vom Radar der NBA-Franchises verschwand. Im letzten Sommer tauchte er dann wieder auf, als die Spurs ihn holten. Und nach einem holprigen Start samt D-League-Auftritten ist er inzwischen fester Bestandteil der Rotation und legt auf 36 Minuten hochgerechnet 13,4 Punkte, 4,5 Rebounds und 44,1 Prozent aus dem Feld auf.
Neben seiner ausgeprägten Athletik trifft er inzwischen auch den Dreier zuverlässig, obwohl ihm seit einem Kindheitsunfall der halbe Ringfinger seiner Wurfhand (!) fehlt. "Er fängt an, sich wohl zu fühlen. Er entwickelt sich noch und hat bei uns sicherlich eine gute Zukunft", freut sich Pop.
Gasol und Mills: Dynamisches Bank-Duo
Auch Dewayne Dedmonds Entwicklung verläuft in die richtige Richtung. Dessen Verpflichtung galt vor der Saison ein wenig als ein Akt des "Lückenfüllens", doch seit der Verletzung und des Comebacks Gasols ist er der Starter auf der Fünf. Als solcher spult er 21 Minuten pro Abend ab und nutzt diese - in mittlerweile 24 Spielen - für 6,4 Punkte und 7,9 Rebounds.
Was ihn besonders wertvoll macht, ist allerdings eher die Tatsache, dass Gasol als Sixth Man aufblüht und seine Leistungen seit dem 15. Februar auf 13,7 Punkte angehoben hat, obwohl er als "Reservist" weniger Minuten auf dem Hartholz steht.
Apropos Reservist. Ein Grund dafür, dass der ständige Ausfall Parkers immer wieder kompensiert wird, kommt in der Regel auch von der Bank und ist nur 1,83 Meter groß. Patty Mills spielt die meisten Minuten seiner Karriere (22) und gibt dem Team das, was Parker meistens nicht mehr liefern kann: Speed, Unberechenbarkeit im Fastbreak, freche Dreier und Überraschungsmomente. Zudem hat er im Playmaking im Gegensatz zur Vorsaison einen großen Sprung gemacht, was sicherlich auch daran liegt, dass er sich immer öfter den Court mit Gasol teilt, der beim Regie führen mehr als nur hilft.
Parker immer noch wichtig
Das sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Parker in einem fitten Zustand noch extrem wertvoll für sein Team ist. "Es enttäuscht mich für ihn, dass er in dieser Saison so selten fit ist", erklärt Pop. "In seiner Periode, in der er längere Zeit gesund war, hat er uns sehr geholfen. Er kontrolliert das Spiel, weiß, wie er die Pace steuern muss und wie er seine Teammates einsetzt."
Mit anderen Worten: Auch, wenn Parker mehr Titel hat als alle anderen Starting Point Guards der Association zusammen auf dem Konto hat (4), gehört er individuell wohl nicht mal mehr in die Top15. All das macht er mit seinem Kopf aber wieder wett und ist immer noch - neben Kawhi natürlich - der Dirigent der Mannschaft.
Und dann wäre da natürlich noch LaMarcus Aldridge. Nach der besorgniserregenden Nachricht mit seinem Herzen wurden erste Stimmen laut, dass die Spurs den Contender-Status an den Nagel hängen können, sollte er die restliche Saison ausfallen. Seine 17,4 Punkte im Schnitt sind zwar ein Karrieretiefstwert seit der Rookie-Saison. Doch was gerne übersehen wird: LMA hat sich zu einem Defensiv-Leader entwickelt.
Der L-Train ist zurück
Nach einem Sieg gegen die Wolves lobte Pop seinen Stretch-Vierer in den höchsten Tönen: "Er war unglaublich gegen Towns. Seine Defense hat es uns erlaubt, zurück ins Spiel zu finden." Der L-Train tut eigenen Aussagen zufolge die Dinge, die in der Regel nicht so beachtet werden. Das störe ihn inzwischen aber nicht mehr.
Sein Herz schlägt mittlerweile wieder im richtigen Rhythmus, auch, wenn er nach der Diagnose "Angst gehabt" habe, dass es sich um etwas Ernstes handelt.
Mittlerweile sind bis auf Dejounte Murray also alle Spieler fit und können sich für die Playoffs in Form bringen. Dass trotz des Verletzungspechs nach wie vor nur zwei Niederlagen mehr auf dem Konto stehen als bei den Dubs, würde bei jedem anderen Team als bei den Spurs, die traditionell immer eine Notlösung aus dem Hut zaubern, überraschen.
Aufgrund des gesicherten direkten Vergleichs gegen die Dubs und eines noch ausstehenden direkten Duells ist der Top Seed immer noch machbar. Pop ist das egal, da er sowieso anderen Dinge im Kopf hat: Die Defense (beste der Liga) und das Ball Movement müssten noch verbessert werden, bevor es in die Playoffs geht. Alles andere ist erstmal egal.