Das Ende einer Tragödie?

Jan Dafeld
23. April 201709:53
Blake Griffin wurde 2009 von den Los Angeles Clippers gedraftetgetty
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Für Blake Griffin sind die Playoffs gelaufen, bevor sie so richtig angefangen haben. Wegen einer Zehenverletzung wird der Power Forward den Rest der Postseason verpassen und damit zum zweiten Mal in Folge während des wichtigsten Teil der Saison zugucken müssen. Im Sommer kann der fünfmalige All-Star Free Agent werden. Hat er sein letztes Spiel für die Los Angeles Clippers absolviert? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie wirkt sich die Verletzung auf die Jazz-Serie aus?

Auf den ersten Blick erscheint der Ausfall Griffins für die Clippers absolut katastrophal - auch kurzfristig. In den bisherigen Spielen dieser Saison (inklusive Regular Season) war L.A. mit seinem Power Forward auf dem Feld in den direkten Duellen gegen Utah deutlich besser unterwegs als ohne ihn.

In 232 Minuten mit Griffin erzielten die Clippers nicht nur 45 Punkte mehr, mit einem Vorteil von 23 Rebounds entschieden sie in dieser Phase auch das Duell an den Boards deutlich für sich. In 104 Minuten ohne den Mann mit der Nummer 32 auf der Brust sanken diese Zahlen sowohl bei den Punkten (+2) als auch bei den Rebounds (-5) deutlich.

Dass Griffin einen zentralen Bestandteil im Spiel der Clippers einnimmt, ist nicht von der Hand zu weisen, in den beiden ersten Spielen der Jazz-Serie spielte er nicht zufällig mehr als 40 Minuten im Schnitt. Zudem weist der fünfmalige All-Star über die ersten drei Spiele ein Plus-Minus-Rating von immerhin +10 auf.

Trotzdem gibt es - zumindest kurzfristig gesehen - immer noch Hoffnung für Clippers-Fans. Der Grund dafür vor allem: Die Verletzung von Rudy Gobert. Ohne ihren Turm in der Zone setzten die Jazz in der Serie vermehrt auf Small Ball und ließen in allen drei Spielen Lineups mit nur einem klassischen Big Man über einen längeren Zeitraum ran.

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SPOXspoxDas gibt den Clippers mehr Handlungsspielraum. Griffins Ausfall muss nicht alleine durch ihren dünnen Frontcourt aufgefangen werden. Luc Richard Mbah a Moute, der in der Serie bisher vor allem als Klette an Gordon Hayward für Aufsehen gesorgt hat, dürfte noch mehr in den Mittelpunkt rücken und über weite Strecken die Rolle des Vierers in der Rotation der Clippers einnehmen.

Umso wichtiger wird gleichzeitig auch eine zeitige Rückkehr von Swingman Austin Rivers. Sollte der 24-Jährige in Spiel vier ins Lineup zurückkehren können, dürfte er sofort in die Starting Five rutschen. Die Rotationen der Clippers würden so nicht komplett durcheinander gewirbelt, sondern über weite Strecken nur deutlich kleiner werden.

All diese Überlegungen werden allerdings mehr oder weniger hinfällig, sobald Rudy Gobert auf das Parkett zurückkehren kann. In dem Moment, in dem die Jazz mit Gobert und Derrick Favors gleich zwei Schlachttürme ins Rennen schicken, werden die Clippers wohl mit zwei klassischen Big Men reagieren müssen. Und dann wird Griffins Ausfall schmerzen - denn weder Marresse Speights noch Brandon Bass oder Brice Johnson können einen gleichwertigen Ersatz darstellen.

Was bedeutet der Ausfall für die nächsten Playoff-Runden?

Hier ist natürlich die entscheidende Frage: Reicht den Clippers ihr 2:1-Vorsprung, um die Playoff-Serie auch ohne einen Teil ihrer Big Three nach Hause zu bringen und so in die nächste Runde einzuziehen? Anders als im vergangenen Jahr, als die Clippers sowohl Chris Paul als auch Blake Grififn verletzungsbedingt verloren und so sang- und klanglos gegen die Blazers ausschieden, haben sie in diesem Jahr immer noch die Qualitäten, um zwei Spiele gegen die Jazz gewinnen zu können - immerhin fehlt Utah selbst sein vielleicht wichtigster Spieler.

Sollte es das Team von Coach Doc Rivers tatsächlich in die zweite Runde schaffen, wären die Warriors wohl der große Gewinner der Geschehnisse des gestrigen Tages. Das Team aus der Bay Area geht ohnehin als Favorit mit Heimvorteil im Gepäck in jede Playoff-Serie. Ohne Griffin würden die Chancen der Clippers auf ein Weiterkommen wohl von klein auf nonexistent sinken.

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Für die vom Pech verfolgte Franchise ist die Situation zwar keine gänzlich neue - bereits in der Regular Season verpasste Griffin 21 Spiele, im Jahr davor waren es sogar 47 Matches und L.A. schaffte es auch ohne seinen Forward weiter zu den Top-Teams im Westen zu gehören - allerdings ist die Postseason eine gänzlich neue Herausforderung. Das zeigte bereits die Blazers-Serie in der vergangenen Saison.

Jeder Coach kann sich tagelang auf nur einen Gegner vorbereiten, Rotationen und Spielzüge werden genau auf die gegnerischen Stärken und Schwächen zugeschnitten. Zudem werden die Rotationen kleiner, statt rund 35 Minuten spielen die Stars der Teams plötzlich mehr als 40 Minuten pro Spiel. Unter diesen Umständen wird es umso schwerer einen Leistungsträger adäquat ersetzen zu können.

NBA-Fans, die sich möglichst spannende und eng umkämpfte Serien wünschen, sollten von nun an womöglich tatsächlich den Jazz die Daumen drücken - immerhin bekommt Utah seinen verletzten Star in absehbarer Zeit zurück!

Inwiefern wird die Offseason der Clippers durch die Verletzung beeinflusst?

Zu 99,9 Prozent gehen die Clippers erneut ohne eine Meisterschaft im Gepäck in ihre Sommerpause. Und zu 99,8 Prozent gehen die Clippers erneut ohne eine Conference-Final-Teilnahme im Gepäck in ihre Sommerpause. Die Big Three bleiben somit weiter hinter ihren Erwartungen zurück - wenn teilweise auch aufgrund von Umständen, die sie selbst nicht beeinflussen können.

In vier Jahren mit Doc Rivers, einem Meistercoach, Chris Paul, dem vielleicht besten Point Guard dieses Jahrhunderts, Blake Griffin, einem fünfmaligen All-Star und Top-30-Spieler in der Liga und DeAndre Jordan, einem der besten Defender und Center der NBA, haben es die Clippers nicht einmal in die Nähe einer Meisterschaft gebracht.

Und nun steht für sie ein Sommer an, der die Zeiten, in denen zumindest das Potenzial für Playoff-Erfolge und Titel da war, für eine lange Zeit beenden könnte. Pauls Vertrag läuft ebenso aus wie die Arbeitspapiere von Griffin und JJ Redick. "Gibst du ein 50-Siege-Team, das gezeigt hat, dass es nah an einem Titelgewinn ist, einfach auf oder versuchst du damit weiterzuarbeiten und Veränderungen rund um den Kern dieses Teams zu machen?" fragte Doc Rivers im vergangenen Sommer rhetorisch. Nun könnte es sein, dass das Team sich selbst aufgibt, ganz ohne eine Entscheidung des General Managers.

Mit einem Titelgewinn oder zumindest einer Serie, die gezeigt hätte, dass die Big Three als Fundament tatsächlich mit den Warriors mithalten können, hätte die die Franchise starke Argumente auf ihrer Seite gehabt, um Paul, Griffin und Redick zum Bleiben zu bewegen. Nach Griffins Verletzung ist die ohnehin kleine Chance darauf aber wohl dahin.

So werden die Clippers-Fans, -Spieler und -Verantwortliche wohl allesamt mit einem ähnlichen Gefühl in die NBA-Sommerpause gehen: Unsicherheit. Griffin könnte sein letztes Spiel für die Clippers gespielt haben. Paul und Redick könnten dies innerhalb der nächsten Woche tun.

Was bedeutet die Verletzung für Blake Griffin?

Zuallererst ist es für Griffin eins: Eine herbe Enttäuschung. Der Frust war dem Forward schon vor der offiziellen Diagnose merklich anzusehen. An der Seitenlinie drosch der Big Man noch während des Spiels gegen die Jazz auf die Reservebank ein. Da wusste er wohl bereits, dass er mehr als nur eine Prellung davongetragen hatte.

Es ist bereits Griffins vierte langwierige Verletzung innerhalb von nicht einmal zwei Jahren. Auf einen Handbruch folgte eine Quadrizeps-Verletzung, anschließend musste er am Knie operiert werden. Nun setzt ihn sein Zeh für den Rest der Playoffs außer Gefecht.

SPOXspoxAufgrund der Unterschiedlichkeit der Verletzungen ist es schwer, Griffin allgemein als verletzungsanfällig abzustempeln. Doch es muss festgehalten werden, dass der Forward es über einen langen Zeitraum nicht geschafft hat, fit zu bleiben - und das, obwohl er als einer der Spieler gilt, die am härtesten an ihrer Fitness und damit auch ihrer Verletzungsprävention arbeiten.

Werden diese Verletzungen Griffins Verhandlungsposition im Sommer schwächen? Unwahrscheinlich. Hinter seiner Konstanz und Gesundheit muss mittlerweile zwar sicher ein (kleines) Fragezeichen gemacht werden, allerdings sind Griffins Fähigkeiten auf dem Feld zu dominant, als dass er tatsächlich um seinen Max-Vertrag bangen müsste.

Griffin geht somit als ein Spieler in den Sommer, der sein Team in seiner gesamten Karriere nie zu großem Playoff-Erfolg verhelfen konnte und dabei letztlich häufig komplett von der Seitenlinie zugucken musste. Dies wird an ihm haften bleiben und wohl auch seinem Superstar-Status schaden. Allerdings ist die NBA mittlerweile eine Liga, in der Max-Verträge nicht mehr ausschließlich Superstars vorbehalten sind.

Was bedeutet die Verletzung für Doc Rivers?

Der Tenor, der bereits in den vorherigen Fragen immer wieder durchklang, spielt auch in der Bewertung des Clippers-Coaches eine Rolle: Denn wenn die Clippers nach Griffins Verletzung erneut ohne Finals-, ja sogar ohne Conference-Finals-Teilnahme, dastehen werden, dann ist auch Rivers von der Kritik an dem anhaltend ausbleibenden Erfolg der Clippers in den Playoffs nicht (mehr) ausgenommen.

Andererseits wird Rivers in diesem Jahr, wie auch schon in der letzten Saison, eine nicht von der Hand zu weisende Ausrede als Argument für sich vorzuweisen haben. Rivers' fester Glaube, dass er mit dem Fundament der Big Three tatsächlich den Titel nach L.A. holen kann, kann von niemandem wirklich widerlegt werden, solange dem Coach immer wieder ein absoluter Eckpfeiler des Teams in der entscheidenden Phase der Saison fehlt.

Clippers-Owner Steve Ballmer hat sich bislang aus dem Basketball-Geschäft seines Teams herausgehalten, sodass es schwer ist, seine Gedankengänge und Entscheidungen bezüglich des kommenden Sommers vorherzusagen. Für seine Deals in seiner Doppelrolle als Coach und GM der Clippers hat Rivers allerdings schon viel Kritik einstecken müssen, unter anderem sein Trade für Jeff Green in der letzten Saison muss ihm als schlechte Entscheidung angerechnet werden.

Sollten die Clippers im Sommer tatsächlich Paul, Griffin und Redick halten können, würde Ballmer alleine das Teamgehalt jährlich fast 200 Millionen Dollar kosten. Ob der Windows-Mitbegründer dazu bereit ist, ist fraglich. Sollte er es aber sein, wird er sicherstellen wollen, dass die besten verfügbaren Leute die Entscheidungen in seiner Franchise treffen dürfen. Ob das (immer noch) Rivers ist? Das weiß wohl nur Ballmer.

Die Los Angeles Clippers im Überblick