Dirk Nowitzki spielt mit 38 Jahren noch immer auf hohem Niveau und stand bis zuletzt mit den Dallas Mavericks im Kampf um die Playoffs in der NBA. SPOX traf den zukünftigen Hall-of-Famer in den USA zum Interview über seine Saison, die Zukunft des Teams, Punkt Nummer 30.000, kenianische Hochzeitsrituale und Kindererziehung.
SPOX: Dirk, als erstes soll ich Ihnen einen schönen Gruß von Zaza Pachulia ausrichten, den ich kürzlich in New York zum Interview getroffen habe. "Big Burger" sind die Worte, die er mir für Sie mitgegeben hat. Was hat es damit auf sich?
Dirk Nowitzki (lacht): Damit haben wir schon in meiner ersten Saison angefangen. Wir hatten damals einen Typ, Gary Trent, der hat das immer gesagt, wenn jemand auf dem Spielfeld vernascht wurde, weil er zu soft oder zu schwach war. Das habe ich übernommen und seit 19 Jahren ist jeder ein Burger, auch Zaza.
SPOX: In all den Jahren hatten Sie so viele Teamkollegen - und egal, wen man fragt, man hört nur Lob. Wie ist das möglich, dass Sie zu all den Spielern solche Beziehungen aufbauen konnten?
Nowitzki: Ich habe einfach immer versucht, ein Teil der Mannschaft zu sein. Das hat sicherlich seinen Teil dazu beigetragen. Ich habe nie versucht, mich herauszuheben. Ich wollte nichts Spezielles sein. Was das Team gemacht hat, habe ich auch gemacht. Und ich habe immer versucht, mich einzufügen. Alle, die neu zu uns kamen, habe ich willkommen geheißen und ich wollte, dass sie sich wohlfühlen. Das war immer mein Ansatz.
SPOX: Bis zuletzt war die Hoffnung auf die Playoffs da, nun ist der Kampf um Platz acht im Westen verloren. Wie fällt Ihr Saisonfazit aus?
Nowitzki: Wenn man eine Saison mit drei Siegen aus 18 Spielen beginnt, dann hat man einen ganz schönen Berg vor sich, den man erklimmen muss. In den letzten paar Wochen haben wir gut gespielt und gut gekämpft. Erst dadurch waren wir in der Position, dass wir überhaupt so lange an die Playoffs denken konnten. Nach dem Start war das äußerst unwahrscheinlich und daher bin ich stolz auf die Jungs, wie sie sich reingehängt und gebissen haben. Wir waren das ganze Jahr kaum gesund und hatten selten unseren gesamten Kader zur Verfügung. Immer war jemand verletzt oder angeschlagen. Das war das große Problem und das ist wirklich schade.
SPOX: Sie haben in dieser Saison mehr als in den letzten Jahren auf der Fünf gespielt. Wie schwer ist es für Sie, mit 38 Jahren im Post noch defensiv dagegenzuhalten?
Nowitzki: Wenn ich größere Center verteidigen muss, dann ist es normal, dass sie versuchen, mich in der Defensive zu attackieren und bloßzustellen. Das ist ja seit Jahren so. Viele Jungs wie zuletzt Jonas Valanciunas oder Marcin Gortat hatten gute Spiele gegen uns. Ich versuche einfach zu kämpfen. Kampf und ein bisschen Erfahrung. Das ist alles, was ich in die Waagschale werfen kann. Offensiv haben wir in dem Matchup aber auch Vorteile, insofern ist es in Ordnung für uns.
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SPOX: Gegen Gortat haben Sie aber immerhin einen wichtigen Block zum Comeback-Sieg in Washington geliefert...
Nowitzki: Das war nur Glück. Ich hatte meine Augen geschlossen und weiß nicht einmal, was genau passiert ist. (lacht)
SPOX: Mit Nerlens Noel haben die Mavs nun einen neuen Center geholt. Wie schätzen Sie die Verpflichtung ein?
Nowitzki: Mit Nerlens werden wir noch viel Spaß haben. Es sieht bei ihm alles so einfach aus. Das schnelle Abrollen zum Korb, die Abschlüsse über Ringniveau. Seine Energie und seine Athletik helfen uns wirklich weiter. Das hat uns gefehlt. Ich glaube, er kann ein wichtiger Teil unserer Zukunft werden. Der Junge hat noch viel unausgeschöpftes Potenzial.
SPOX:Bei Ihrem 30.000-Punkte-Spiel gegen die Lakers Mitte März hätten Sie die 20 fehlenden Punkte fast schon im ersten Viertel erzielt, wenn Devin Harris nicht den letzten Wurf genommen hätte. Musste er sich anschließend etwas von Ihnen anhören?
Nowitzki (lacht): Nein, das war völlig in Ordnung. Ich habe den Jungs vorher ja auch gesagt, dass wir das Spiel gewinnen wollen. Es ging ja nicht nur um mich. Wir waren zu dem Zeitpunkt noch im Rennen um die Playoffs und brauchten den Sieg. Klar, die Jungs haben viel über mich gespielt, aber sie sollten schon die Möglichkeiten nutzen, wenn sie Freiräume hatten. Und Devin war komplett offen. Also alles gut, es gab keinen Spruch von mir.
Die Internet-Reaktionen zum 30.000-Punkte-Meilenstein von Dirk
SPOX: Sie wirkten in den letzten Wochen merklich frischer. Hat Ihnen der Meilenstein noch einmal zusätzliche Energie gegeben?
Nowitzki: Ich würde es eher der Gesundheit zuschreiben. Ich habe ja die ersten zwei Monate ausgesetzt und muss sagen, es war eine schwere Zeit für mich. Dadurch habe ich am Anfang fast überhaupt nicht gespielt und hatte keinen guten Rhythmus. Erst ab Januar konnte ich richtig eingreifen und es war schwer, meine Beine wieder fit zu bekommen. Aber seit Februar fühle ich mich wieder gut und versuche, das Beste draus zu machen. Ich glaube, mit 38 Jahren kann man auch mal etwas abgeben. Die wichtigen Systeme laufen wir jetzt für Harrison [Barnes, d. Red].
SPOX: Am Elbow und bei Mismatches im Post erkennt man bei seinem Spiel schon jetzt Parallelen zu Ihnen. Haben Sie sich seiner als Mentor angenommen?
Nowitzki: Wir trainieren viel zusammen und es stimmt schon: Er nimmt jetzt die Würfe, die ich früher genommen habe. Sein Mitteldistanzwurf zum Beispiel ist bärenstark, er kann die Mismatches gut ausnutzen und spielt effizient gegen Kleinere. Er arbeitet sehr hart und auch außerhalb des Platzes ist er ein super umgänglicher Typ, ein Mannschaftstyp. Auf Auswärtsfahrten ist er es oft, der das Team abends zusammenholt. Und er spielt eine Riesensaison für uns. Da haben wir wirklich einen Glücksgriff gelandet. Er ist unser 20-Punkte-Scorer, unser Go-to-Guy, und hat sich unglaublich entwickelt in den ersten paar Monaten. Ich bin sehr stolz auf ihn.
SPOX: Das Dallas-Team besteht aktuell fast zur Hälfte aus ungedrafteten oder von anderen Teams unterschätzten Spielern. Wie macht man daraus ein funktionierendes Team, das um die Playoffs kämpfen konnte?
Nowitzki: Ganz einfach: Coach Rick Carlisle ist einfach ein Fuchs, einer der besten Coaches der Liga. Zu den jungen Spielern ist er sehr, sehr hart und holt dadurch das Beste aus ihnen heraus. Und die Jungs wollen lernen, sind hungrig, wollen besser werden. Das sehe ich jeden Tag.
SPOX: Hin und wieder sieht man bei Ihnen den Skyhook von Kareem Abdul-Jabbar - nicht nur im Training, sondern auch im Spiel. Kann das auf die ganz alten Tage vielleicht nochmal zu einer Waffe für Sie werden?
Nowitzki: Aus dem Stand nicht, nein. So viel ist mir nach jahrelangem Training klar: Der Skyhook ist einer der schwersten Würfe im Basketball. Aus der Bewegung geht er, so habe ich ihn auch vor ein paar Wochen schon einmal getroffen. Aber aus dem Stand ist er für mich nicht möglich. Und das Problem ist, dass die Bewegung im Alter ja nicht besser wird. Ich komme nicht mehr so gut zum Korb. Also wird das vermutlich nichts mehr.
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SPOX: Nach dem Meilenstein gab es unzählige Glückwünsche, darunter auch von vielen deutschen Athleten. Was bedeutet es Ihnen, aus der Heimat so viel Zuspruch zu bekommen?
Nowitzki: Das war eine wirklich emotionale Woche. Nicht nur die Glückwünsche aus Deutschland waren besonders, sondern auch die der Basketball- und Fußball-Stars aus der ganzen Welt. Das war toll. Leider habe ich zu spät gecheckt, dass die Mavs schon während des Spiels die ganzen Tribut-Videos auf dem großen Würfel gespielt haben. Das Video auf Englisch habe ich zwar ganz gesehen, aber die deutschen Glückwünsche habe ich fast verpasst. Mats Hummels und Toni Kroos am Schluss habe ich noch gesehen. Aber das Video habe ich mir natürlich im Nachhinein noch einmal in Ruhe angeschaut. Das war enorm emotional und es war schön, dass so viele Menschen diesen Moment mit mir teilen wollten und sich über mich und mit mir gemeinsam freuen konnten.
SPOX: Vor wenigen Monaten ist Ihr drittes Kind zur Welt gekommen. War das noch einmal eine größere Herausforderung oder hat man nach zwei Kindern schon alle Probleme des Vater-Daseins erlebt?
Nowitzki: Das dritte war jetzt schon nochmal schwierig, es kam ja mitten in der Saison. In der Hinsicht war es vielleicht gar nicht mal so schlecht, dass ich verletzt war. Dementsprechend war ich viel zu Hause und bin auch teilweise nicht mit zu den Auswärtsspielen gefahren. Und Jessica konnte die helfende Hand im Haushalt natürlich gut gebrauchen. Aber für das Team war es übel. Die Jungs haben verloren, ihnen konnte ich nicht helfen. Aber mit drei Kids ist zu Hause schon eine Menge los. Die Älteste wird bald vier Jahre alt, der Kleinere ist zwei und der Jüngste ist jetzt vier Monate alt. Aber es macht auch wahnsinnig viel Spaß.
SPOX: Bei Ihrer Hochzeit in Kenia, dem Mutterland Ihrer Frau Jessica Olsson, haben Sie ein traditionelles Hochzeitsritual durchgeführt: Sie mussten Ihre Frau unter mehreren verschleierten Damen erkennen. Haben Sie vor Ihrer Wahl einen Moment gezögert?
Nowitzki: Da sie verhüllt waren, war es schon nicht einfach. Aber es waren ja nur vier oder fünf Frauen, daher konnte ich ein wenig nach dem Ausschlussprinzip vorgehen. Die eine war zu groß, die andere zu klein. Aber ein bisschen Glück hatte ich schon, dass ich die Richtige gefunden habe. (lacht) Der ganze Tag war Wahnsinn. Es gab viele solcher kleinen, traditionellen Spielchen. Das war für uns beide ein Riesen-Erlebnis, auch für Jess war das ja alles neu. Wir haben einfach versucht, alles aufzusaugen und Spaß dabei zu haben. Den Tag werde ich natürlich mein ganzes Leben nicht vergessen.
SPOX: Ihre Kinder sind wie Ihre Frau dunkelhäutig. Schauen Sie unter diesem Aspekt besorgt auf die Entwicklung der letzten Monate in den USA?
Nowitzki: Natürlich macht man sich als Eltern seine Gedanken. Aber auf der ganzen Welt gibt es Probleme, ob nun rassistischer oder anderer Art. Wir wollen die Kids so erziehen, dass sie Respekt vor Autorität haben und dass sie so clever sind, sich in gewissen Situationen anpassen und richtig verhalten zu können. Mehr kann man als Elternteil nicht wirklich tun, auch wenn man das vielleicht gern würde. Wir möchten, dass sie ihre eigenen Entscheidungen treffen können. Wir wollen sie intellektuell großziehen, damit sie weltoffen sind und nicht in vorgefertigten Bahnen denken. Was die Kids dann später daraus machen, das wird man sehen.
SPOX: Sie haben schon angekündigt, kommende Saison noch spielen zu wollen. Wie hart mussten Sie dafür zu Hause verhandeln?
Nowitzki (lacht): Ich habe ja letztes Jahr schon für zwei Jahre unterschrieben, von daher musste ich das dieses Jahr zum Glück gar nicht. Und das war auch damals von Anfang an das Ziel, wenn der Körper mitspielt. Klar, zu Saisonbeginn habe ich Zweifel gehabt, ob es klappt. Die Achillessehne hat sich ganz schön Zeit gelassen. Da denkt man natürlich schon: Wenn das so weitergeht, höre ich lieber auf. Jeden Tag Schmerzen, das macht dann auch keinen Spaß mehr. Aber seitdem ich wieder fit bin, ist es ganz anders. Ich hoffe, dass ich die Saison ohne Verletzung beenden kann und nächste Saison dann nochmal eine gesunde spielen kann. Dann sind die 20 Jahre voll, ich bin 40 Jahre alt. Wir werden uns als Familie zusammensetzen und entscheiden, wie es weitergeht. Aber wenn es noch Spaß macht...