Kanadisches Kanonenfutter für den König?

Jan DafeldThorben Rybarczik
01. Mai 201711:55
LeBron Jamesgetty
Werbung

Der Kampf um den Einzug in die Conference Finals hat mit dem ersten Spiel der Washington Wizards bei den Boston Celtics bereits begonnen. In der Nacht auf Dienstag startet auch die Serie zwischen den Cleveland Cavaliers und den Toronto Raptors. SPOX hat beide Serien unter die Lupe genommen!

Boston Celtics (1) - Washington Wizards (4)

Saisonbilanz: 2-2 (93:118, 117:108, 123:108, 110:102)

Ausgangslage

Was macht man aus der Playoff-Serie der Celtics? Nach zwei Niederlagen aus den ersten zwei Heimspielen sahen sich sämtliche Kritiker des Teams von Coach Brad Stevens mehr als nur bestätigt. Als schlechtester No.1-Seed aller Zeiten wurde Boston bezeichnet, für die (angebliche) Entscheidung, im Frühjahr nicht für Jimmy Butler zu traden, erntete die gesamte Franchise Hohn und Spott.

Doch die Celtics zeigten eine Trotzreaktion, wie sie im Buche steht. Innerhalb von nur einer Woche drehten sie die Serie und brachten sie nach Hause. Vor allem die Defense verbesserte sich merklich, die Hürde "Auswärtsspiel" war für Boston offensichtlich keine. Im sechsten Spiel setzte das beste East-Team der Regular Season dann nochmal ein dickes Ausrufezeichen: Mit 22 Punkten Vorsprung wurden die Bulls aus der eigenen Halle geschossen. Dass das Celtics-Comeback vom Ausfall von Rajon Rondo stark begünstigt wurde, darf bei der Nachbetrachtung aber natürlich auch nicht unter den Tisch fallen.

Erlebe die NBA Live auf DAZN. Hol Dir jetzt Deinen Gratismonat

Ebenfalls in sechs Spielen, allerdings in einem klassischeren Stil, setzten sich die Wizards in ihrer ersten Runde durch. Auf zwei Heimsiege zum Start folgten zwei Niederlagen in Atlanta. In Spiel sechs zeigte das Team um den überragenden John Wall allerdings, dass es ebenfalls im Stande ist, in der Fremde zu gewinnen.

Mit den Hawks setzte sich Washington dabei gegen ein Team durch, das zumindest in Teilen an den kommenden Playoff-Gegner erinnert. Beide Coaches setzen auf Team- und Up-Tempo-Basketball. Im Laufe der Serie nahm Dennis Schröder zudem mehr und mehr das Zepter der Hawks-Offense in die Hand und agierte als klare No.1-Option im Angriff Atlantas - ähnlich, wie es auch Isaiah Thomas in Boston tut. Ob dies den Wizards in diesem Matchup dienlich sein kann, wird sich zeigen.

Fans dürfen sich auf jeden Fall auf eine Serie mit Hochgeschwindigkeits-Basketball und wenig Pausen einstellen. Mit 20,7 Fastbreak-Punkten pro Spiel waren die Wizards in dieser Kategorie gefährlicher als jedes andere Team. Bei ihren beiden Erfolgen in der Regular Season kamen John Wall und Co. zudem auf starke 19 Fastbreak-Punkte pro Spiel. Umso wichtiger wird für Boston das Vermeiden von Ballverlusten. Mit einer Turnover-Ratio von 12,2 Prozent gehörten die Celtics in der Regular Season in dieser Hinsicht zu den besseren Teams der Liga.

Player to watch

Isaiah Thomas vs. John Wall. Als Playmaker und erster Scoring-Option kommt auf Thomas die Hauptverantwortung in der bereits angesprochenen Sicherung des Balls zu. Mit 9,2 Steals pro Spiel wiesen die Wizards in Runde eins die aktivsten Hände auf - auch dank Wall. Dieses "Gambling" wird Thomas bestrafen müssen.

Eine Schlüsselrolle kommt auf den 28-Jährigen allerdings in der Defense zu: Mit Wall wartet einer der besten Point Guards der Liga - eine krasse Umstellung nach dem Matchup gegen Rajon Rondo und Isaiah Canaan. Mit Avery Bradley verfügen die Celtics zwar durchaus über eine Waffe, um Walls Kreise einzugrenzen, allerdings stellt Bradley Beal ein nicht minder schwieriges Matchup für den defensivschwachen Thomas dar, der daher wohl zumindest phasenweise in das direkte Duell gehen muss.

Dass er da kaum Land sehen wird, steht außer Frage. Wall spielte eine herausragende Erstrundenserie und wusste stets die Balance zwischen Scoring (29,5 Punkte) und Playmaking (10,3 Assists) zu wahren. Zudem sind die Celtics nicht elitär darin, die Zone zu beschützen. Gegen die Hawks stand Wall achtmal pro Spiel an der Linie - schwer vorstellbar, dass sich daran etwas ändern wird.

X-Faktor

Marcin Gortat. Die noch größere Schwäche der Celtics liegt aber unter dem Korb. In der Regular Season war man das viertschlechteste Team der Liga beim Rebound und auch in der Serie gegen die Bulls kam dieses Problem mehr als nur einmal ans Tageslicht. Wollen die Wizards dem höchsten Seed einen Strich durch die Rechnung machen, werden sie die Boards kontrollieren müssen. In den direkten Duellen in der Regular Season gelang ihnen das bereits, sie griffen sich fünf Rebounds mehr pro Spiel. Gortat ist der klar beste Rebounder der Wizards, mit 10,4 Boards pro Spiel stellte er in dieser Hinsicht ein neues persönliches Career-High auf. Kann der "Polish Hammer" seine Stärken gegen Horford und Co. voll einbringen, könnte er für Boston zum Albtraum-Matchup werden.

Prognose

Die Celtics haben aus der ersten Runde gelernt, einen weiteren Katastrophenstart wird es nicht geben. Vom Talentlevel wartet mit den Wizards allerdings ein anderes Kaliber. Dauerhaft wird Washingtons Backcourt-Duo von Boston nicht ausgeschaltet werden können. Zusammen mit einem klaren Vorteil unter den Boards reicht das zum Sieg in einer umkämpften Serie. Wizards in 7.

Cleveland Cavaliers (2) - Toronto Raptors (3)

Saisonbilanz: 3-1 (94:91, 121:117, 116:112, 83:98)

Ausgangslage

Gerade einmal mit zusammengerechnet 16 Punkten Differenz besiegten die Cavs in der ersten Runde Indiana. Was wie ein lockerer Sieg in nur einem Spiel klingt, war ein kompletter Sweep - mit vier durchaus knappen Erfolgen. "Wir hätten auch mit 2-1 vorne sein können", merkte Paul George richtigerweise an, als es 3-0 für die Cavs stand.

Letztendlich wird es den Cavs egal sein. Auch LeBron James persönlich betonte, dass die Art und Weise, wie Siege zustande kommen, ihm egal sind. Hauptsache, am Ende steht das "W" hinter dem richtigen Namen. Mit dieser Einstellung agierte offenbar das ganze Team, das seine defensiven Aufgaben nicht wirklich ernst nahm. Playoff-Atmosphäre war zwar auf den Rängen zu spüren, in der Verteidigung jedoch nicht. So gelangen den Pacers in jedem einzelnen Spiel mindestens 100 Punkte.

Die engen Resultate führten auch dazu, dass James deutlich mehr Minuten abreißen musste als geplant - auch, wenn Tyronn Lue das egal zu sein scheint. Durchschnittlich 43,7 Minuten stand der König auf dem Feld, mehr als jeder andere Spieler in der laufenden Postseason. Davon profitierten selbstverständlich auch seine Kollegen, die gewohnt sicher von der Dreierlinie einnetzten (40,3 Prozent von Downtown).

Von einem Sweep war bei den Raptors schon nach dem ersten Spiel keine Rede mehr. Die Kanadier starteten traditionell schwach in eine Serie und gerieten gegen die Bucks um einen überragenden Giannis Antetokounmpo ins Hintertreffen. Allerdings ließen sie sich davon nicht beirren und fanden - trotz eines weiteren Rückschlags mit einem desolaten DeMar DeRozan in Spiel 3 - zurück in die Serie.

Jetzt anmelden und gewinnen! Dunkest - der NBA-Manager

Es blieb allerdings dabei, dass die Abhängigkeit der Offense von DeRozan und Kyle Lowry mehr als offensichtlich war, wenn man die tolle Leistung von Norman Powell in Spiel 5 (25 Punkte, 8/11 FG) ausklammert. Dieses Problem kennt man aus dem Vorjahr, es bereitet jedoch offenbar nicht allzu viele Sorgen. Glaubt man den Worten von Head Coach Dwane Casey, dann ist das Team deutlich reifer als noch 2016 - und schon da reichte es für zwei Siege gegen den späteren Champion.

Player to watch

LeBron James vs. Verteidiger X. Die Leistungen von James in den vergangenen Playoff-Jahren lassen den Schluss zu, dass seine Kreise - egal, wer sich als Verteidiger versucht - nur minimal eingeschränkt werden können. Gegen die Pacers machte er, was er wollte und legte beinahe ein Triple-Double im Schnitt auf (32,8 Punkte, 9,8 Rebounds, 9,0 Assists, 3 Steals, 2 Blocks). All das gelang ihm selbstverständlich mit wechselnden Gegenspielern.

Diese Strategie wird zweifelsohne auch Toronto fahren. In den Conference Finals 2016 biss sich DeMarre Carroll die Zähne an ihm aus - vergeblich. Er war allerdings auch angeschlagen in die Serie gegangen. Vor der Trade-Deadline im Februar hat das Front Office defensive Untersützung akquiriert: P.J. Tucker leckt sich wahrscheinlich schon die Finger und kann LeBron mit seiner Physis auf die Nerven gehen, auch Serge Ibaka kann - wenn James nicht den Ball bringt - mal aushelfen. Bleibt noch Norman Powell, der eine vierte Komponente darstellen kann.

LeBron James: Der ultimative Problemlöser

Eine alternative Strategie besteht auch noch. Sie könnte lauten: Lass James machen, das kannst du eh nicht verhindern - und nimm stattdessen den Rest aus dem Spiel. Das funktionierte teilweise bei den Warriors in den Finals 2015, da waren allerdings auch Kyrie Irving und Kevin Love verletzt.

X-Faktor

Norman Powell. Dass die Kanadier nur dann eine Chance haben, wenn es bei DeRozan und Lowry rund läuft, ist sowieso klar. Wer ist also die dritte Option? Ibaka wird dieser Rolle traditionell nur vereinzelt gerecht - bleibt also Powell. Mit seiner Mischung aus Slashing und Shooting (10/11 Dreier in der Bucks-Serie!) belebt er im Optimalfall die Raptors-Bank und sorgt für einen entscheidenden Schub. Dass er seinen Auftritt aus Spiel fünf wiederholen kann, sollte aufgrund der schwachen Cavs-Defense keinesfalls ausgeschlossen werden.

Prognose

Die Raptors sind tiefer als letztes Jahr, sie sind reifer als letztes Jahr - doch sind sie auch besser als letztes Jahr? Letztendlich wird es egal sein. Denn der Titelverteidiger hat in den laufenden Playoffs noch nicht seinen besten Basketball gezeigt (LeBron mal ausgeklammert), wird dies aber in brenzligen Situationen tun. Auch defensiv ist von einer Leistungssteigerung auszugehen und es ist kaum vorstellbar, dass Kyrie Irving in einer Serie noch einmal nur 21 Prozent von Downtown trifft. Cavaliers in 6.

Das Playoff-Bracket im Überblick