Sein Herz rast. Um ihn herum eine jubelnde Traube aus Teamkollegen. Die zahlreichen Schulterklopfer kann er auf seinem geschundenen Körper eigentlich gar nicht gebrauchen. Während er noch nach Atem ringt, eilt schon die Reporterschar herbei, um seine gekeuchten Worte in die Welt hinauszusenden. Und doch kann Manu Ginobili nur lächeln.
Soeben hat der zweitälteste Spieler der NBA in den Playoffs sein bestes Spiel seit Jahren gezeigt und den Spurs zur wichtigen 3-2-Führung verholfen. Sein Block gegen James Harden war dabei das Sahnehäubchen auf einer famosen Leistung. Und sie hätte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können.
Der Superstar: verletzt. Der Strippenzieher: verletzt. Die letzte Option: außer Form. Weder Kawhi Leonard noch Tony Parker oder LaMarcus Aldridge konnten den Spurs helfen. Aber es gab ja noch einen 39-jährigen Argentinier, der sich im vergangenen Sommer hat überreden lassen, diese Saison ein womöglich letztes Mal einige Bankminuten beizusteuern. Eine ganz gute Entscheidung.
Von Wollen und Können
Das Experiment von Gregg Popovich mit Rookie Dejounte Murray als Parker-Ersatz hatte sich nicht bewährt, also versuchte er in Spiel 5 etwas anderes und startete mit Patty Mills auf der Eins. Dass er aus der Tiefe seiner Rotation einen Guard brauchen würde, der abliefert, war ihm klar. Dass es Ginobili sein würde, nicht.
Doch mit jeder Minute, die der Altmeister auf dem Court stand, wurde deutlicher: Wenn hier jemand neben Kawhi noch etwas würde reißen können, dann er. Bereits als Ginobili Ende des zweiten Viertels zum Dunk abhob und einen einhändigen Slam mit der schwachen Hand durch die Reuse stopfte, war das ein klares Zeichen von Manu. Ich will. Und ich kann.
Wer braucht schon Spielmacher?
Die Defense der Spurs war ständig damit beschäftigt, den Schützen der Rockets das Leben schwer zu machen - allerdings ging das mächtig an die Substanz. Auch Manu rieb sich in der D auf, während er vorn versuchte, Ordnung ins Spiel zu bringen. Zeitweise hatte San Antonio überhaupt keinen Point Guard auf dem Parkett.
32 Minuten riss der Team-Opa ab, so lange hatte er zuletzt 2014 gespielt. Mit +8 hatte er in dieser engen Partie zusammen mit Mills den besten +/- Wert aller Spieler vorzuweisen.
Ginobilis 12 Punkte bei 5 von 11 Treffern aus dem Feld waren dabei gar nicht unbedingt herausragend. Doch er stopfte defensiv enorm viele Löcher, arbeitete gut am Brett (7 Rebounds) und setzte seine Teamkollegen in Szene (5 Assists). Und als Kawhi mit - für seine Verhältnisse - schmerzverzerrtem Gesicht von der Bank zusehen musste, wusste die ganze Halle, dass es nun auf ihn ankommen würde.
Also kratzte Abuelo Manu nochmal alle Körner zusammen. Er war es, der in der Crunchtime den Korb von Aldridge zur Führung vorbereitete. Und er war es, der nach einem starken Drive mit einem schwierigen Scoop-Layup ausglich.
Ein letztes Big Play
Und damit ging es in der Verlängerung weiter. Die beiden wichtigen Körbe von Green legte wer auf? Richtig. Und auch am Ende dieses Spielabschnitts hatte Manu noch ein Big Play im Köcher.
Bei einem Rückstand von drei Punkten bekam Houston mit zehn Sekunden auf der Uhr noch eine letzte Chance zum Ausgleich. Nach einem Switch sah sich James Harden Ginobili gegenüber, doch der wollte um jeden Preis eine zweite Overtime verhindern. Die ganze Arbeit wäre ja ansonsten nutzlos gewesen.
Manu vermied das Foul, nahm anschließend den ersten Move von Harden weg, nur um ihn anschließend beim Versuch zum Ausgleich blitzsauber und vernichtend abzuräumen. Sieg San Antonio!
"Manu hat die Zeit zurückgedreht und uns eine Manu-Performance früherer Jahre gegeben" sagte Pop: "Er war eine Bank."
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Wo war der Frontcourt?
Dabei hätten die Spurs die Performance von Ginobili gar nicht gebraucht - wenn der Frontcourt von Popovich einen vernünftigen Job gemacht hätte. Sein Gegenüber Mike D'Antoni zeigte Mut zum Risiko und stellte nach dem Ausfall von Nene komplett auf Small Ball um.
In diesem Kampf der Systeme sollten die Spurs dank Pau Gasol und LaMarcus Aldridge offensiv eigentlich klar überlegen sein. Spoiler: Sie waren es nicht. Gasol (2/5 FG) war trotz Gegenspieler Harden nicht in der Lage, viel Zählbares aufs Scoreboard zu bringen. Aldridge (7/21 FG) postete und postete und postete und postete, nur um am Ende doch wieder schwierige Fadeaway-Jumper zu nehmen.
Houston respektierte daher lediglich in der Anfangsphase die Präsenz der Big Men unter ihrem Korb und kam zu Hilfe, was die Shooter der Spurs bestraften. Doch als D'Antoni sah, wie hilflos Gasol und Aldridge agierten, bestellte er das Double-Team rasch ab.
Auch Leonard hatte so seine Probleme und fand seinen Rhythmus erst im dritten Viertel - kurz bevor er auf Hardens Fuß landete. Damit war das Spiel für ihn praktisch beendet.
"Ich werde dabei sein"
Bezüglich eines Einsatzes in Spiel sechs in der Nacht auf Freitag ließ der Superstar aber gar keine Zweifel aufkommen. "Ich werde dabei sein", sagte Leonard schon direkt nach der Partie. In der Crunchtime zusehen zu müssen, war für ihn die Hölle.
"Es war frustrierend, da ich natürlich unbedingt spielen wollte. Aber ich bin froh, dass meine Teammates so guten Einsatz gezeigt haben und den Sieg für uns geholt haben."
Bedanken kann sich Kawhi dabei vor allem bei Manu Ginobili. Doch darauf zu setzen, dass der alte Mann für sein Team noch ein zweites Mal die Kohlen aus dem Feuer holen kann, sollte er nicht.
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Mit großer Wahrscheinlichkeit war es die letzte Vintage-Performance, die Ginobili in sich trug. Und vermutlich war der spielentscheidende Block das letzte Big Play eines der größten Spieler der vergangenen 15 Jahre. Doch es wird sicher nicht die letzte Reporterschar gewesen sein, mit der er sich rumschlagen musste. Die erwartet ihn mindestens noch drei Mal: nach dem Saisonende der Spurs, bei der Verkündung seines Rücktritts und bei der Aufnahme in die Hall of Fame.