Denn sie wissen nicht, was sie tun

Ole Frerks
26. Juni 201715:42
Jimmy Butler hat nach sechs Jahren in Chicago ein neues Zuhausegetty
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Der Trade von Jimmy Butler hat im Rahmen des NBA Drafts die gesamte Liga erschüttert. Was haben sich die Chicago Bulls dabei gedacht - und was kann man nun von den Minnesota Timberwolves erwarten? Was bedeutet der Deal für Butler und für den Rest der Liga? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.

Jimmy Butler und der No.16-Pick (Justin Patton) wurden für Zach LaVine, Kris Dunn und den No.7-Pick (Lauri Markkanen) von den Chicago Bulls zu den Minnesota Timberwolves getradet.

Was bedeutet der Deal für die Timberwolves?

Seitdem Tom Thibodeau die Geschicke des Teams vor einem Jahr übernommen hat, rechnete man mit einem "Win-Now"-Move, sogar Thibs hatte aber wohl nicht damit gerechnet, dass er so einen einseitigen Deal würde einfädeln können.

Jimmy Butler ist ein ehemaliger Schützling des Coaches und sein erklärter Wunschspieler, dafür musste er im Endeffekt sehr wenig abgeben. Zach LaVine hat als Scorer großes Potenzial, er erholt sich allerdings von einem Kreuzbandriss, hat kein ideales Spielverständnis und verteidigte bisher wenig bis gar nicht - der Highflyer ist damit alles andere als ein klassischer Thibs-Spieler und war entbehrlich.

Von Kris Dunn hielt Thibs zwar mehr, was die ewigen Gerüchte um Ricky Rubio belegen, allerdings blieb der Sophomore bisher den Beweis seiner NBA-Tauglichkeit schuldig, insbesondere bezüglich seines Wurfs. Diese beiden Spieler - kombiniert mit einem Pick-Swap - für einen bewiesenen All-Star wie Butler abzugeben, wird den Wolves keine schlaflosen Nächte bereiten.

Im Gegenteil. Butler ist eine Art von Spieler, die Minnesota in der Free Agency kaum bekommen würde. Der Swingman ist mit 27 Jahren im besten Alter, sein Vertrag läuft noch für zwei Jahre und sehr moderates Gehalt (für Star-Verhältnisse): Kommende Saison verdient er 17,5 Millionen Dollar, im Jahr darauf sind es 18,7. Für die dritte Saison bestünde dann noch eine Spieler-Option.

Butler wird dem Team defensiv wie offensiv helfen und dürfte mit den Jungstars Karl-Anthony Towns (21) und Andrew Wiggins (22) ein formidables Trio bilden. Die Wolves haben immer noch einige Baustellen - allen voran das Shooting, sollte Rubio bleiben und Gorgui Dieng weiter der fünfte Starter sein -, aber um dieses Gerüst lässt sich etwas aufbauen.

Jimmy Butler hat nach sechs Jahren in Chicago ein neues Zuhausegetty

Zumal die Wolves aller Voraussicht nach einige finanzielle Flexibilität haben werden. Sollte der Vertrag von Nikola Pekovic wie erwartet aus medizinischen Gründen aus den Büchern verschwinden und Minnesota zudem die Rechte an Restricted Free Agent Shabazz Muhammad aufgeben, könnten die Wolves um die 20 Millionen Dollar freischaufeln, um die Schwächen im Kader zu adressieren.

Mit Justin Patton konnte sich Minnesota zudem einen athletischen Center für die Zukunft sichern, der schon im ersten Jahr einige Alley-Oops von Rubio durch die Reuse drücken dürfte (sollte dieser bleiben).

Mit dem Wechsel von LaVine auf Butler kehrt zudem ein zusätzliches Maß an Ernsthaftigkeit bei den Wolves ein - die "Diese Jungs haben Potenzial!"-Phase ist vorbei, jetzt sollen erstmals echte Resultate her. Wenn sie weiter ihre Hausaufgaben machen, ist in Minnesota in der kommenden Saison mit einem Quantensprung zu rechnen.

Was bedeutet der Deal für die Bulls?

Seit zwei Jahren hatten die Bulls ihren besten Spieler mehr oder weniger mit einem Preisschild auf der Straße geparkt, am Ende dann aber doch immer wieder kalte Füße bekommen. Nun schickten sie Butler für ein Angebot weg, das man nicht gerade als üppig bezeichnen durfte und das Bulls-Fans allerorten schockierte und verärgerte. Da hat man einen Star in seiner Prime zu einem mehr als anständigen Vertrag - und dann gibt man ihn DAFÜR ab?

Die Philosophie dahinter ist verständlich: Die Bulls traten auf der Stelle, im Locker Room konnte sich dem Anschein nach in den letzten beiden Jahren ohnehin niemand leiden. Butler stand mehrfach im Fokus der Schwierigkeiten. Für einen sauberen Rebuild musste er daher wahrscheinlich früher oder später abgegeben werden, zu beschädigt schien das Verhältnis zwischen Spieler, Coach Fred Hoiberg und dem Front Office bereits.

Dennoch: Für DIESES Paket? LaVine legte in seinem dritten Jahr bereits 18,9 Punkte auf, er erholt sich aber wie erwähnt noch immer von einem Kreuzbandriss und ist weit davon entfernt, ein kompletter Spieler zu sein. Nicht aus Zufall wurden die Wolves vergangene Saison besser, nachdem er sich verletzte, wenngleich das natürlich nicht ausschließlich an ihm lag.

LaVine wird darüber hinaus nach der nächsten Saison Restricted Free Agent - gut möglich, dass die Bulls ihm dann bereits 2018/19 mehr Geld überweisen müssen, als Butler in Minnesota erhält. Lauri Markkanen ist dank seiner Vielseitigkeit zweifellos ein interessantes Talent, wie sich sein Spiel jedoch auf den NBA-Level übersetzen lassen wird, ist keineswegs sicher.

Dann bliebe da noch Dunn, auf den die Bulls Berichten zufolge bereits vorm Draft 2016 ein Auge geworfen hatten. Der Point Guard kam in seiner ersten Saison in der NBA allerdings kaum zurecht (3,8 Punkte, 2,4 Assists, 37,7 Prozent FG, 28,8 Prozent 3FG), obwohl Thibs ihm durchaus viele Möglichkeiten gab. Wie viel kann man von dem 23-Jährigen realistischerweise erwarten?

Noch zur Trade Deadline soll Chicago einen ganzen Haufen Lottery Picks gefordert haben, jetzt haben sie sich stattdessen eher mit den drei Fragezeichen abspeisen lassen. Der Bedarf nach einem Rebuild ist verständlich, dieser Move war aber weder Fisch noch Fleisch - wenn dies aktuell wirklich das beste Angebot war, wie GM John Paxson sagte, dann hätte man einfach weiter abwarten sollen.

A propos Paxson: Nach dem Trade kündigte der immer wieder kritisierte Manager an, man wolle mit RFA Nikola Mirotic verlängern und sich in Kürze mit Dwyane Wade zusammensetzen. Bei Rajon Rondo sei noch nicht entschieden, ob man die Team-Option ziehen werde. Keine dieser Aussagen zeugte davon, dass man im Front Office der Bulls wirklich einen konkreten Plan hat.

Der Kader passt hinten und vorne nicht zusammen, weder von der Alters- noch von der Gehaltsstruktur. Das eine echte Asset, das die Bulls hatten, haben sie zum Dumping-Preis weggeschickt.

Was bedeutet der Deal für Jimmy Butler?

Mr. Buckets kehrt zu dem Mann zurück, der ihn einst entdeckte beziehungsweise ihm seine erste echte Chance gab. Er sei zunächst schockiert gewesen, berichtete AmicoHoops - allerdings dürfte Butler den Trade relativ bald als Chance für sich begreifen.

Einerseits ist er nach zwei Jahren zum ersten Mal überhaupt die ermüdenden Gerüchte um seine Person los und hat berufliche Klarheit. Andererseits ist er bei einer Franchise gelandet, die zwar seit Jahren keinen Blumentopf gewonnen hat, die sich aber in die absolut richtige Richtung entwickeln dürfte. Im Gegensatz zu den Bulls.

Towns gehört zu den größten Talenten der Liga, Wiggins ebenso. Beide dürften von der Ankunft des erfahreneren Butlers immens profitieren und nur noch besser werden. Butler wird in Minnesota nicht das "Gesicht der Franchise" sein, was ihm angeblich in Chicago ja wichtig war - allerdings wird er der Anführer sein.

Auch in dieser Hinsicht hat er eine Chance: Er kann seinen Ruf reparieren. Die Streitigkeiten mit Hoiberg, die Instagram-Attacke von Rondo und auch seine eigene Kritik an den jüngeren Spielern haben Butlers Ansehen in der Liga ein Stück weit beschädigt.

Gut möglich, dass Frustration der Grund war - nicht zuletzt soll Butler ja alles andere als glücklich darüber gewesen sein, dass Thibodeau von den Bulls überhaupt entlassen wurde. Dass er jetzt wieder für ebenjenen Coach spielt, dürfte ihn noch zusätzlich motivieren.

Um die wahre Wertschätzung von Butlers Umfeld für das Front Office der Bull zu demonstrieren, lohnt übrigens der Blick auf einen Tweet seines Privattrainers Travelle Gaines: "0-82. Schlechteste Kultur der Liga. Ich habe Drogendealer getroffen, die mehr Moral hatten als der GM. Er ist ein Lügner und das weiß jeder."

Im Vergleich dazu lässt sich sicherlich auch der Schnee im Winter Minnesotas ertragen.

Welche Moves könnten folgen?

Für beide Teams wird der Trade nicht das Ende der Fahnenstange gewesen sein, aber auch für den Rest der Liga könnte es Implikationen haben. Der niedrige Preis etwa sollte die Pacers alarmieren, die sich mittlerweile damit abgefunden haben, dass sie Paul George wohl loswerden müssen.

Butler hat eine bessere Saison hinter sich als George und noch zwei Jahre Vertrag, PG dagegen hat seinen Wechselwunsch öffentlich gemacht - wer wird da also viel für ihn bieten? Womöglich muss sich auch Indiana mit verhältnismäßigen "Peanuts" zufrieden geben.

Die Gespräche mit Boston, den Lakers, Houston oder auch den Cavaliers dürften nun eventuell einen anderen Ton annehmen, zumal der Druck für Indiana eben auch nicht geringer wird.

Interessant wird auch, was die Bulls mit ihren Veteranen anfangen. Wade wird seine Option ziehen, unabhängig vom Butler-Trade - 24 Millionen Dollar sind eben immer noch 24 Millionen Dollar. Aber was können die Bulls, abgesehen von Trikot-Verkäufen, jetzt noch mit dem Hometown-Hero (*hust*) anfangen?

Die Bulls dürften versuchen, ihn irgendwo anzubieten, aber höchstwahrscheinlich werden sie kein reizvolles Angebot für ihn bekommen. Dann wird womöglich sogar ein Buyout zur Option - das ist zwar teuer, aber Wade blockiert dann eben auch keine Minuten mehr für LaVine, Dunn und Co. Um etwas anderes als Talententwicklung kann es für die Bulls zunächst ja nun nicht mehr gehen. Aus dem gleichen Grund ist auch Rondo mehr als entbehrlich.

Weder Wade noch Rondo werden zu diesem Zeitpunkt ihrer Karriere ernsthafte Auswirkungen auf das Championship-Rennen haben - dennoch kann man sich schon jetzt auf den Bericht freuen, dass die Cavaliers darauf hoffen, Wade per Minimalvertrag nach Cleveland zu holen.

Wie gefährlich sind die Timberwolves nach dem Trade?

Bei aller Euphorie muss man die Kirche zunächst im Dorf lassen, auch von einer Big Three kann noch nicht wirklich die Rede sein, solange Butler der einzige All-Star im Team ist. Wenngleich es sehr wahrscheinlich ist, dass mindestens Towns in der kommenden Saison ebenfalls einer sein wird - nach dem All-Star Break legte er vergangene Saison 28,4 Punkte und 13,4 Rebounds bei Quoten von fast 60 Prozent aus dem Feld und 43 Prozent von der Dreierlinie auf. Geht.

Stand jetzt wäre Towns allerdings der mit Abstand beste Shooter im Wolves-Lineup und das ist ein Problem. Die Wolves haben genug Talent, um auch ohne große weitere Änderungen um die 45 Siege oder etwas mehr einzufahren, zum ernsthaften Contender fehlt dann aber doch noch einiges, nicht ausschließlich Erfahrung.

Die Free Agency sollte Minnesota dazu nutzen, Shooter aufzutreiben. Die Power Forward-Position würden sie vermutlich gern upgraden, allerdings ist der teure Vertrag von Dieng wohl eher nicht so leicht loszuwerden. Ob sich ein Trade von Rubio wirklich lohnt, ist ebenfalls ungewiss - natürlich hat der Spanier seine Schwächen, er bringt aber auch genug Qualitäten, dass die Wolves immer dann besser spielen, wenn er auf dem Court steht.

Auch er steigerte sich zudem vergangene Saison nach dem All-Star Break enorm, auf 16 Punkte, 10,5 Assists und immerhin 35,3 Prozent von Downtown - kann er dieses Niveau halten oder vielleicht noch ein Stück weit anheben, hat er vielleicht doch eine Zukunft bei den Wolves, Gerüchte hin oder her.

Unabhängig von weiteren Moves: Ein Jahr mehr Erfahrung und ein Jahr mehr unter Thibodeau dürfte gerade defensiv zu einer großen Verbesserung führen, wobei Butler als einer der besten Two-Way-Player der Liga helfen wird.

Die Wolves haben sehr gute Chancen darauf, zum ersten Mal seit den Tagen von Kevin Garnett im Jahr 2004 (!) wieder in die Playoffs einzuziehen. Und wenn ihnen noch ein paar Moves von diesem Kaliber gelingen sollten, könnte man in nicht allzu ferner Zukunft vielleicht wirklich nach den Sternen greifen.