47. In Worten: siebenundvierzig. So viele Siege holten die Phoenix Suns. Nicht in der abgelaufenen Saison, sondern in den vergangenen beiden Jahren zusammen. Nur die Nets und die Lakers weisen in diesem Zeitraum eine noch schlechtere Bilanz auf. Der Grund dafür, dass die Stimmung bei den Verantwortlichen in Arizona derzeit trotzdem gut ist, hat einen Namen: Josh Jackson.
Mit dem Flügel der Kansas Jayhawks zog Phoenix an Position vier des diesjährigen NBA-Drafts seinen ausgemachten Wunschspieler. "Josh würde in jedes Team perfekt passen", schwärmte Head Coach Earl Watson im Anschluss. Ganz besonders scheint dies jedoch auf die Suns zuzutreffen.
Knallharte Verteidigung, Schnelligkeit, Spielübersicht und uneigennütziges Playmaking - Jacksons Stärken könnten genau das sein, was dem jungen Kader der Suns auf den Flügelpositionen noch fehlte. Besonders mit dem ebenfalls erst 20-jährigen Hoffnungsträger Devin Booker könnte sich Jackson hervorragend ergänzen und dessen defensive Schwächen ausgleichen.
Fragezeichen abseits des Basketball-Courts
Zumindest abseits des Platzes gibt es allerdings einige charakterliche Fragezeichen. Im Dezember hatte Jackson nach einer Auseinandersetzung in einer Bar die Ex-Freundin eines Jayhawks-Teamkollegen bis zum Parkplatz verfolgt, bedroht und auf ihr Auto eingetreten.
Um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden, stimmte er der Ableistung von 20 Sozialstunden, der Teilnahme an einem Anti-Aggressionstraining und einer Geldstrafe zu. Zu den Auflagen gehört außerdem der Verzicht auf Alkohol für den Zeitraum von einem Jahr.
Einige Monate später sorgte der Forward erneut für Ärger, als er nach der Beschädigung eines parkenden Wagens Fahrerflucht beging. Natürlich könnte man diese Vorfälle als Jugendsünden eines kaum 20-jährigen Studenten beiseite wischen. Zumindest die körperliche Bedrohung einer Frau sollte jedoch weder durch einen vorangegangenen Streit noch durch den angeblichen Alkoholkonsum entschuldigt werden.
Dennoch: Jackson zeigte sich immerhin reumütig und die Suns werden ihre Bedenken wohl in zahlreichen Gesprächen mit dem Spieler sowie Menschen aus seinem Umfeld ausgeräumt haben. Auf dem Platz können seine Emotionalität und die unbedingte Loyalität zu seinen Mitspielern außerdem durchaus positiv sein.
"Er tut alles, um zu gewinnen"
Jackson ist ein unermüdlicher Kämpfer, der sich zu jeder Zeit für sein Team zu opfern bereit ist. Ein Typ also, den Coaches und Mitspieler lieben. "Er ist unglaublich kompetitiv", schwärmt Norm Roberts, Assistant Coach der Jayhawks: "Vielleicht der größte Wettkämpfer, den wir jemals als Freshman hatten. Er tut alles, um zu gewinnen. Wenn dazu Rebounds nötig sind, holt er Rebounds. Wenn er scoren muss, scort er. Wenn er abspielen muss, spielt er ab."
Auch sein zukünftiger Coach ist überzeugt, dass Jackson dem Team guttun wird. "Wir brauchen diese Härte", so Watson: "Jemand muss sie vorleben und genau das tut Josh auf den Flügelpositionen."
Diese Mentalität spiegelte sich am College auch in Jacksons Spielweise wieder. Er verausgabte sich als aggressiver Verteidiger sowohl im Eins-gegen-Eins als auch abseits des Balles. Trotz seiner eher durchschnittlichen Spannweite konnte er sich im Kampf um Rebounds behaupten und sorgte mit Aggressivität und schnellen Händen auch in den Passwegen der Gegner für ständiges Chaos.
Obwohl der Forward noch etwas zu häufig auf riskante Steals spekulierte und auch immer wieder anfällig für Fouls war, bestehen kaum Zweifel an seinen defensiven Instinkten. Im Vergleich zu einem elitären Verteidiger wie Golden States Andre Iguodala fehlen Jackson jedoch nicht nur einige Zentimeter Armlänge, sondern wohl auch ein paar Prozentpunkte an Kraft und Athletik.
Chriss und Bender: Einhorn in Sicht?
Im Gegensatz zum College wird Phoenix' neuester Hoffnungsträger daher wohl nicht in der Lage sein, sich erfolgreich mit Power Forwards zu messen. Für die Suns sollte das jedoch kein Problem darstellen. In Marquese Chriss und Dragan Bender haben sie für genau diese Position bereits zwei Top-10-Picks aus dem vergangenen Jahr in ihren Reihen.
Chriss konnte nach Startschwierigkeiten gerade zum Ende der Saison andeuten, warum Phoenix zwei Erstrundenpicks sowie die Rechte an Bogdan Bogdanovic nach Sacramento geschickt hatte, um sich den damals erst 18-Jährigen mit dem achten Pick zu sichern. Gerade mit seiner steigenden offensiven Effizienz war Chriss nach dem All-Star-Break einer der Lichtblicke für die leidgeprüfte Fangemeinde der Suns.
Bender dagegen geriet aufgrund einer langwierigen Verletzung beinahe in Vergessenheit. Man sollte jedoch nicht vergessen, warum der Kroate General Manager Ryan McDonough einen Top-4-Pick wert gewesen war. Er kann werfen, mit dem Ball in der Hand sowohl den Korb attackieren als auch seine Mitspieler in Szene setzen und hat dazu die Länge und Mobilität, ein effektiver Pick-and-Roll-Verteidiger und Ringbeschützer zu sein und langfristig sogar auf die Center-Position zu rücken.
Man mag nun einwenden, dass er davon in seinen bisherigen Minuten nur wenig gezeigt hat. Aber: Bender ist immer noch neun Monate jünger als der diesjährige Suns-Pick Jackson. Insgesamt sind Bender (19), Chriss (19) und Jackson (20) mit ihrer Athletik gerade defensiv ein äußerst vielversprechendes Frontcourt-Trio. Dass sie noch dazu am vorderen Ende des Feldes nicht gerade für ihren Egoismus bekannt sind, könnte dem ebenfalls erst 20-jährigen Devin Booker entgegenkommen.