Warten auf den Sonnenaufgang...

Simon Haux
26. Juni 201711:52
Josh Jackson weckt bei den Phoenix Suns große Hoffnungengetty
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Nach zwei Jahren im dunklen Keller der NBA wollen die Phoenix Suns die nächste Phase des Rebuilds einleiten. Im Draft konnten sie sich Wunschspieler Josh Jackson sichern, auch die übrigen "jungen Wilden" um Devin Booker, Marquese Chriss und Dragan Bender machen Hoffnung für die Zukunft. Der Weg in die Playoffs ist jedoch noch weit.

47. In Worten: siebenundvierzig. So viele Siege holten die Phoenix Suns. Nicht in der abgelaufenen Saison, sondern in den vergangenen beiden Jahren zusammen. Nur die Nets und die Lakers weisen in diesem Zeitraum eine noch schlechtere Bilanz auf. Der Grund dafür, dass die Stimmung bei den Verantwortlichen in Arizona derzeit trotzdem gut ist, hat einen Namen: Josh Jackson.

Mit dem Flügel der Kansas Jayhawks zog Phoenix an Position vier des diesjährigen NBA-Drafts seinen ausgemachten Wunschspieler. "Josh würde in jedes Team perfekt passen", schwärmte Head Coach Earl Watson im Anschluss. Ganz besonders scheint dies jedoch auf die Suns zuzutreffen.

Knallharte Verteidigung, Schnelligkeit, Spielübersicht und uneigennütziges Playmaking - Jacksons Stärken könnten genau das sein, was dem jungen Kader der Suns auf den Flügelpositionen noch fehlte. Besonders mit dem ebenfalls erst 20-jährigen Hoffnungsträger Devin Booker könnte sich Jackson hervorragend ergänzen und dessen defensive Schwächen ausgleichen.

Fragezeichen abseits des Basketball-Courts

Zumindest abseits des Platzes gibt es allerdings einige charakterliche Fragezeichen. Im Dezember hatte Jackson nach einer Auseinandersetzung in einer Bar die Ex-Freundin eines Jayhawks-Teamkollegen bis zum Parkplatz verfolgt, bedroht und auf ihr Auto eingetreten.

Josh Jackson weckt bei den Phoenix Suns große Hoffnungengetty

Um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden, stimmte er der Ableistung von 20 Sozialstunden, der Teilnahme an einem Anti-Aggressionstraining und einer Geldstrafe zu. Zu den Auflagen gehört außerdem der Verzicht auf Alkohol für den Zeitraum von einem Jahr.

Einige Monate später sorgte der Forward erneut für Ärger, als er nach der Beschädigung eines parkenden Wagens Fahrerflucht beging. Natürlich könnte man diese Vorfälle als Jugendsünden eines kaum 20-jährigen Studenten beiseite wischen. Zumindest die körperliche Bedrohung einer Frau sollte jedoch weder durch einen vorangegangenen Streit noch durch den angeblichen Alkoholkonsum entschuldigt werden.

Dennoch: Jackson zeigte sich immerhin reumütig und die Suns werden ihre Bedenken wohl in zahlreichen Gesprächen mit dem Spieler sowie Menschen aus seinem Umfeld ausgeräumt haben. Auf dem Platz können seine Emotionalität und die unbedingte Loyalität zu seinen Mitspielern außerdem durchaus positiv sein.

"Er tut alles, um zu gewinnen"

Jackson ist ein unermüdlicher Kämpfer, der sich zu jeder Zeit für sein Team zu opfern bereit ist. Ein Typ also, den Coaches und Mitspieler lieben. "Er ist unglaublich kompetitiv", schwärmt Norm Roberts, Assistant Coach der Jayhawks: "Vielleicht der größte Wettkämpfer, den wir jemals als Freshman hatten. Er tut alles, um zu gewinnen. Wenn dazu Rebounds nötig sind, holt er Rebounds. Wenn er scoren muss, scort er. Wenn er abspielen muss, spielt er ab."

Auch sein zukünftiger Coach ist überzeugt, dass Jackson dem Team guttun wird. "Wir brauchen diese Härte", so Watson: "Jemand muss sie vorleben und genau das tut Josh auf den Flügelpositionen."

Diese Mentalität spiegelte sich am College auch in Jacksons Spielweise wieder. Er verausgabte sich als aggressiver Verteidiger sowohl im Eins-gegen-Eins als auch abseits des Balles. Trotz seiner eher durchschnittlichen Spannweite konnte er sich im Kampf um Rebounds behaupten und sorgte mit Aggressivität und schnellen Händen auch in den Passwegen der Gegner für ständiges Chaos.

Obwohl der Forward noch etwas zu häufig auf riskante Steals spekulierte und auch immer wieder anfällig für Fouls war, bestehen kaum Zweifel an seinen defensiven Instinkten. Im Vergleich zu einem elitären Verteidiger wie Golden States Andre Iguodala fehlen Jackson jedoch nicht nur einige Zentimeter Armlänge, sondern wohl auch ein paar Prozentpunkte an Kraft und Athletik.

Chriss und Bender: Einhorn in Sicht?

Im Gegensatz zum College wird Phoenix' neuester Hoffnungsträger daher wohl nicht in der Lage sein, sich erfolgreich mit Power Forwards zu messen. Für die Suns sollte das jedoch kein Problem darstellen. In Marquese Chriss und Dragan Bender haben sie für genau diese Position bereits zwei Top-10-Picks aus dem vergangenen Jahr in ihren Reihen.

Chriss konnte nach Startschwierigkeiten gerade zum Ende der Saison andeuten, warum Phoenix zwei Erstrundenpicks sowie die Rechte an Bogdan Bogdanovic nach Sacramento geschickt hatte, um sich den damals erst 18-Jährigen mit dem achten Pick zu sichern. Gerade mit seiner steigenden offensiven Effizienz war Chriss nach dem All-Star-Break einer der Lichtblicke für die leidgeprüfte Fangemeinde der Suns.

Bender dagegen geriet aufgrund einer langwierigen Verletzung beinahe in Vergessenheit. Man sollte jedoch nicht vergessen, warum der Kroate General Manager Ryan McDonough einen Top-4-Pick wert gewesen war. Er kann werfen, mit dem Ball in der Hand sowohl den Korb attackieren als auch seine Mitspieler in Szene setzen und hat dazu die Länge und Mobilität, ein effektiver Pick-and-Roll-Verteidiger und Ringbeschützer zu sein und langfristig sogar auf die Center-Position zu rücken.

Man mag nun einwenden, dass er davon in seinen bisherigen Minuten nur wenig gezeigt hat. Aber: Bender ist immer noch neun Monate jünger als der diesjährige Suns-Pick Jackson. Insgesamt sind Bender (19), Chriss (19) und Jackson (20) mit ihrer Athletik gerade defensiv ein äußerst vielversprechendes Frontcourt-Trio. Dass sie noch dazu am vorderen Ende des Feldes nicht gerade für ihren Egoismus bekannt sind, könnte dem ebenfalls erst 20-jährigen Devin Booker entgegenkommen.

Booker bricht Scoring-Rekorde

Booker ist nach LeBron James der zweitjüngste Spieler, der jemals über eine Saison 22 Punkte pro Spiel auflegen konnte. Besonders ließ er natürlich durch sein - zugegebenermaßen auf eher absurde Weise und noch dazu im Rahmen einer Niederlage zustande gekommenes - 70-Punkte-Spiel Ende März gegen die Boston Celtics aufhorchen.

Dass bei der großen offensiven Verantwortung, die der Guard in einem schwachen Suns-Team bereits übernehmen durfte, die Effizienz noch zu wünschen übrig lässt und insbesondere der Distanzwurf mit 36 Prozent weniger zuverlässig fiel, als man es sich in Phoenix wünschen würde, sollte keine allzu tiefen Sorgenfalten verursachen.

Besorgniserregender war da schon die Spielweise der Suns, die immer wieder zu viele schwierige und ineffiziente Würfe erzwangen und bei der Anzahl der genommenen Dreier sowie der gespielten Pässe und Assists jeweils zum Bodensatz der Liga gehörten. Es liegt nun also am Trainerstab um Earl Watson, dem jungen Kern eine modernere und teamorientierte Spielweise einzubläuen.

Das Spielermaterial dazu ist eigentlich vorhanden. Neben Bender und dem jungen Backup-Spielmacher Tyler Ulis, der in der zweiten Hälfte seiner Rookie-Saison vor allem als uneigennütziger Passgeber und kleiner, aber giftiger Verteidiger überzeugen konnte, passt auch Josh Jackson in dieses Konzept.

Gesucht: Defense und Spacing

In der Verteidigung kann er die Schwächen von Nebenmann Booker ausgleichen, offensiv ist er ein weiterer Ballhandler und guter Passgeber, der den Ball bewegen und den besser postierten Mitspieler finden kann. In Transition und beim Zug zum Korb ist er aufgrund seiner Explosivität und Schnelligkeit eine ständige Gefahr und kann so Platz für seine Mitspieler schaffen.

Wie gut die Offensive der Suns in Zukunft funktionieren kann, wird zu großen Teilen davon abhängen, ob Booker, Bender und Chriss sich tatsächlich zu überdurchschnittlichen Distanzschützen entwickeln und damit das fehlende Shooting auf den anderen Positionen ausgleichen können.

Mit ihren beiden Zweitrundenpicks haben die Verantwortlichen in Phoenix sich außerdem zwei weitere potenzielle Schützen geangelt, die sich nun in der Summer League beweisen können. An Position 32 wählte man mit Davon Reed einen prototypischen "3&D"-Flügel, mit dem 54. Pick wurde Combo-Forward Alec Peters an Land gezogen, der abgesehen von seinem Shooting jedoch nicht allzu viel NBA-Potenzial mitbringt.

Warten auf den Sonnenaufgang

Auf dem Weg in eine erfolgreiche Zukunft müssen jedoch noch einige Hindernisse überwunden werden. Small Forward T.J. Warren wird neben Jackson wohl eine neue Rolle im Team finden müssen. Darüber hinaus könnten einige Veteranen abgegeben werden, um den jungen Wilden noch mehr Verantwortung zu übertragen. Dass dies nicht schon im kommenden Jahr zu einer guten Bilanz führen muss, ist Spielern und Verantwortlichen jedoch klar.

"Die meisten jungen Teams gewinnen nicht viel", weiß McDonough. "Aber wenn die Jungs hart arbeiten und sich gemeinsam entwickeln, können wir bald die Kurve kriegen." Und auch dem neuen Hoffnungsträger Jackson ist klar: "Wir werden rausgehen und Fehler machen. Aber wir brauchen die Gelegenheit, diese Fehler zu machen, um aus ihnen zu lernen und besser zu werden."

An Selbstbewusstsein mangelt es dem 20-Jährigen jedenfalls nicht: "Ich weigere mich, zu scheitern. Ich werde der beste Spieler werden, der ich sein kann. Und die Teams, die mich nicht gedraftet haben, werden das eines Tages bereuen." Sollte Jackson dieses Versprechen halten, könnte in der NBA schon bald wieder die Sonne aufgehen.