Es sorgte kaum für ein verlängertes Anheben der Augenbraue, als Andrew Wiggins Ende Juli sagte, er sei einen Maximalvertrag wert - und keinen Cent weniger. Im Endeffekt sprach da einfach ein junger, selbstbewusster Basketballspieler. Und es ist ja auch nicht so, als wäre so eine Behauptung bindend oder auch nur außergewöhnlich.
Etwas anders verhielt es sich dann, als Timberwolves-Besitzer Glen Taylor rund zwei Wochen später öffentlich sagte, Wiggins habe den Maximal-Vertrag schon mehr oder weniger sicher. Versehen mit der unglaublich spezifischen Bedingung, dass Wiggins sich dazu verpflichten sollte, "in Zukunft ein besserer Spieler zu sein, als du heute bist." Na, wenn es sonst nichts ist.
Wiggins steht bei den Wolves noch für die kommende Saison unter Vertrag, danach wäre er Restricted Free Agent. Mit einer jetzigen Vertragsverlängerung würde man dies verhindern - und Wiggins könnte für fünf weitere Jahre 148 Millionen Dollar verdienen. Eine Menge Holz - zumal Wiggins bisher noch nicht einmal an einem All-Star Game teilgenommen hat.
Tatsächlich gehört der 22-Jährige nach drei Jahren in der NBA zu den polarisierenderen NBA-Spielern und längst nicht jeder hält es für eine gute Idee, ihn mit Geld zu überhäufen, zumal noch kein Zeitdruck dafür existiert. Andererseits wachsen Talente seiner Bauart nicht auf Bäumen - es lohnt sich also, beide Seiten anzuhören.
Darum verdient Andrew Wiggins keinen Maximalvertrag
Im Jahr 2014 kam Wiggins als No.1-Pick - im Trade für einen gewissen Kevin Love - von den Cavaliers nach Minnesota. Mit seinen physischen Tools, der Athletik, der Länge und der schönen Wurfbewegung war Wiggins damals gewissermaßen der "2K MyPlayer-Modus" im echten Leben, um Nate Wolf von The Sports Quotient zu zitieren. Sein Talentpaket erschien so vielseitig, als könnte man aus ihm nahezu jeden Spielertypen basteln.
Im Prinzip hat sich daran auch jetzt nicht viel geändert - Wiggins' Potenzial erscheint fast grenzenlos. Es ist nur leider so, dass er sich bisher in erster Linie nur in einem Bereich wirklich entwickelt hat. Wiggins scort, letzte Saison waren es 23,6 Punkte bei 45,2 Prozent aus dem Feld - aber er tut sonst nicht wahnsinnig viel.
Frisch vom College kommend, galt "Maple Jordan" als potenzieller Lockdown-Verteidiger. In der Realität aber verliert er häufig die Konzentration, pennt im Teamverbund und reboundet für seine körperlichen Voraussetzungen schlichtweg mies - seine Rebound-Rate (6,3) ist schlechter als die von Point Guards wie Stephen Curry, Kyle Lowry oder D'Angelo Russell.
Nicht die Skills, der Einsatz ist das Problem
Sogar Oldie Manu Ginobili sichert sich einen größeren Anteil der verfügbaren Rebounds als der kanadische Highflyer. Genau wie bei seiner Defense liegt das nicht daran, dass es ihm an Anlagen fehlen würde - es liegt vielmehr an der Einstellung. Wiggins verteidigt und reboundet teilweise unglaublich lethargisch, selbst Tom Thibodeau konnte ihm dies bisher nicht "ausbrüllen". FiveThirtyEight kürte ihn am Ende der Saison gar zum "Least Defensive Player" - kein Award, auf den man stolz sein kann.
Auch in der Offense erzählt der mehr als ordentliche Punkteschnitt nicht die ganze Wahrheit. Wiggins hat seine Dreierquote seit seinem Rookie-Jahr (31 Prozent) nur relativ wenig steigern können (35,6 Prozent) und lebt stattdessen mehr von der DeMar-DeRozan-Diät (Mitteldistanz). Anders als der All-Star der Raptors zieht Wiggins indes weniger Freiwürfe und ist ein deutlich schwächerer Playmaker.
Trotz seiner Fähigkeiten als Driver kreiert Wiggins kaum Würfe für seine Mitspieler (Assist-Rate: 10,6 Prozent). Da er den Distanzwurf zudem relativ oft verweigert, erlaubt er es den Verteidigern, abzusinken - und raubt damit Karl-Anthony Towns das Spacing für mögliche Aktionen im Post. Bisher ist Wiggins ein Volume-Shooter, aber nicht viel mehr - sein Spiel ist an den meisten Tagen wertvoller für Besitzer von Fantasy Teams als für sein eigentliches Team.
Potenzial bis unter die Hallendecke
Natürlich gibt es aber auch andere Tage - die Ausreißer nach oben. Bereits als Rookie lieferte er sich ein Duell mit James Harden, in dem er den Bart herausragend verteidigte und selber 30 Punkte machte. Letzte Saison legte er einmal 47, dreimal 41 und einmal 40 Punkte auf.
Er ist so athletisch und dynamisch, dass er sich in der Crunchtime jedes Spiels einen Wurf erarbeiten kann. Dabei trifft er längst nicht immer die richtige Entscheidung - dass die Wolves letzte Saison 29 von 44 Spielen mit "Clutch-Situationen" verloren, lag auch daran, dass es zumeist Wiggins war, der den Ball in der Hand hielt.
Doch es gibt diese Momente, in denen offensichtlich wird, dass im Kanadier eben doch das Potenzial für einen Superstar schlummert. Genau das ist es ja, worauf die Timberwolves zählen, wenn sie ihm den Maximalvertrag geben - auch wenn durchaus das Risiko besteht, dass er diesen nicht rechtfertigen wird.