Stillstand gleich Rückschritt?

Ole Frerks
16. August 201711:56
Kawhi Leonard muss es vermutlich wieder mit den Golden State Warriors aufnehmengetty
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Die San Antonio Spurs konnten ihre großen Pläne im Sommer nicht umsetzen und mussten sich daher mit kleineren Upgrades begnügen, sie ließen aber auch einige Spieler ziehen. Gerade der Vertrag von Pau Gasol wirft Fragen auf. Die Offseason in der Analyse.

Die Transaktionen der San Antonio Spurs

Als potenzielles Ziel für Chris Paul und Kyle Lowry wurden die Spurs nach dem Ende der vergangenen Saison gehandelt, auch als Team, das rund um den Draft einen Trade einfädeln könnte. Die Realität sah dann aber anders aus - San Antonio behielt seinen No.29-Pick und wählte Derrick White, in der zweiten Runde wurde zudem Jaron Blossomgame gezogen. Angeblich war San Antonio vorher mit mehreren Versuchen, einen Pick in der Top 10 zu ergattern, gescheitert.

So konzentrierte man sich in der Folge auf die Free Agency. Rudy Gay kam für zwei Jahre und 17,2 Millionen Dollar, er blieb aber der einzige namhafte Neuzugang. Jonathon Simmons ließ man Richtung Orlando ziehen, Dewayne Dedmon wechselte nach Atlanta. Verlängert wurden hingegen die Verträge von Pau Gasol (3 Jahre, 48,8 Millionen) und Patty Mills (4 Jahre, 50 Millionen).

Dazu wurden die Free Agents Joffrey Lauvergne und Brandon Paul zum Minimum geholt. Matt Costello erhielt den bisher einzigen Two-Way Contract, die Spurs hätten dafür also noch einen Platz frei.

Die Strategie der San Antonio Spurs

Wenn man den Gerüchten glauben darf, hatten sich die Spurs durchaus mehr von diesem Sommer erhofft. LaMarcus Aldridge und Danny Green waren mehr als nur "verfügbar", beide wurden wohl relativ direkt in Trades angeboten - eigentlich wollte man dringend einen Lottery-Pick, um einen der vielen guten Point Guards des Jahrgangs draften zu können, nachdem CP3 bekanntlich in Houston landete.

Kawhi Leonard muss es vermutlich wieder mit den Golden State Warriors aufnehmengetty

Es kam jedoch zu keinem signifikanten Deal und so musste sich San Antonio wieder anderweitig orientieren. Simmons wurde als entbehrlich beziehungsweise zu teuer betrachtet, dafür bezahlte man Mills üppig - und warum beim 37-jährigen Gasol nicht einmal eine Team-Option fürs dritte Jahr eingebaut werden konnte, ist eine gute Frage.

Gay, der sich noch von einem Achillessehnenriss erholt, blieb somit der einzige namhafte Neuzugang dieses Sommers. Zumindest für ein Jahr ist das aber wohl auch kein Problem für die Spurs: In San Antonio erinnert sich jeder Mensch noch daran, wie die Warriors in Spiel 1 der Western Conference Finals dominierten, bevor sich Kawhi Leonard verletzte. Damals wirkte es schließlich beinahe so, als wären die Warriors geknackt worden.

Nicht, dass das zwingend richtig sein muss. Aber die Spurs verdienen zumindest eine Chance, es nochmal in einigermaßen voller Stärke mit den Dubs aufzunehmen. Zumal die kommende Saison ja nun wirklich mal die letzte von Manu Ginobili sein könnte. Danach kann man sich immer noch neu orientieren.

Die Schwachstellen der San Antonio Spurs

Tony Parker spielte die statistisch schwächste Saison seit seinem Rookie-Jahr, bevor er dann in den Playoffs noch einmal aufdrehte. Dann verletzte er sich jedoch und fällt wohl noch bis Januar aus - wie fit der 35-Jährige dann sein wird, steht in den Sternen. Machen wir es kurz: Die Spurs hätten einen Point Guard a la CP3 wirklich gut gebrauchen können (Überraschung). Parker gehört seit zwei oder drei Jahren zu den schwächeren Startern auf der Eins, gerade im brutalen Westen.

Unter dem Korb könnte der Abgang von Dedmon durchaus wehtun. Der Center war zwar in den Playoffs kaum noch ein Faktor, über die Saison gesehen war er aber der wohl wichtigste Rim Protector des Teams. Gasol wird nicht jünger, Aldridge machte Gregg Popovich mit seiner Lethargie in den Playoffs stellenweise wahnsinnig. Lauvergne hat ein gewisses Talent, ein Difference-Maker ist er bisher aber nicht.

Der Abgang von Simmons dürfte sich wiederum auf dem Flügel bemerkbar machen. Neben Kawhi war er gewissermaßen der athletische Dynamo des Teams, was man von Kyle "Slow Mo" Anderson oder Green so nicht unbedingt behaupten kann. Die Defense dürfte aber freilich trotzdem wie üblich kaum leiden, wir sprechen hier schließlich von den Spurs.

Ein etwas größeres Fragezeichen steht dagegen hinter der Offense, gerade im Hinblick auf die Playoffs - etwas anderes zählt bei den erfolgsverwöhnten Spurs ohnehin nicht. Und da wäre eine zweite, dynamische Option neben Leonard durchaus willkommen. Eigentlich sollte diese natürlich Aldridge sein, dynamisch agierte dieser in der letzten Postseason aber höchstens in jedem dritten Spiel.

Häufig waren Parker oder Ginobili de facto die zweite Option, im Idealfall sollten sie das zu diesem Zeitpunkt ihrer Karrieren eher für kurze Abschnitte sein als für ganze Spiele (gerade Ginobili). Vielleicht kann Gay hier Abhilfe schaffen, ob der Forward an seine Leistungen von vor der Verletzung anknüpfen kann, steht aber noch in den Sternen.

Der Hoffnungsträger der San Antonio Spurs

Gerne hätte man den Nachfolger von Parker auf der Eins im Draft oder in der Free Agency geholt, mit ganz viel Glück steht dieser aber auch schon im Kader - und die Rede ist nicht von Mills, der ideal als Backup ist. Vielmehr geht es um Dejounte Murray, der vor seiner zweiten NBA-Saison steht und gerade in Parkers Abwesenheit mehr Verantwortung übernehmen dürfte als vergangene Saison (8,5 Minuten im Schnitt bei 38 Einsätzen).

Murray ließ in den Playoffs einige Male durchblitzen, dass er defensiv wie offensiv wirklich großes Potenzial mitbringt. Der Youngster ist lang (1,96m), athletisch und hat gute Instinkte, auch der Dreier ist da (39 Prozent 3FG).

Natürlich fehlt ihm noch Konstanz und auch ein gewisses Durchsetzungsvermögen, aber mit der Ausbildung junger Talente kennt man sich bei den Spurs bekanntlich recht gut aus.

Das Fazit

Sorgen machen muss man sich nicht - wir reden von den Spurs. 52+ Siege holen sie sowieso, vermutlich landen sie im Westen auf Platz 2 oder 3 und stellen eine Top-3-Defense der Liga. Es geht hier also um Meckern auf hohem Niveau. Das allerdings muss sein, denn näher gekommen sind sie dem Titel in dieser Offseason nicht.

Zu viele wichtige Spieler sind (teilweise weit) jenseits der 30, auch Gay ist ja schon "drüber". Die Abhängigkeit von Leonard wird also wohl eher nicht geringer werden. Der ist zwar ohnehin ein Android (und vielleicht DER Favorit auf den MVP-Award in der kommenden Saison), ohne Unterstützung hätte aber auch der Terminator gegen Golden State seine Schwierigkeiten. Und das ist nun mal der Gegner, an dem die Spurs vorbei müssen.

Dennoch wäre jeder Move des Sommers verständlich gewesen - manchmal liegt eben nicht der richtige Deal auf dem Tisch - wenn da nicht der Vertrag von Gasol gewesen wäre. Spätestens 2019 ist Aldridge "raus aus den Büchern", wenn er nicht schon vorher getradet wird oder seine Option nicht zieht.

Warum gab man also Gasol einen Deal, der noch darüber hinaus geht? Im dritten Jahr sind zwar "nur" knapp 7 Millionen garantiert, aber wäre es nicht elementar gewesen, den verfügbaren Cap Space zu maximieren? Für Spurs-Verhältnisse wirkt das ziemlich kurzsichtig - es sei denn, sie haben noch ein Ass im Ärmel. Ausschließen kann man das zwar nicht, sie baggern beispielsweise ja auch an Kyrie Irving, nach dem heutigen Wissensstand haben die Spurs im Sommer aber keinen Schritt nach vorne gemacht.

Die Note: 4