Es ist ein bekanntes Bild. Gegen Ende der Saison nehmen die besten Spieler von schlechten Teams auf der Bank Platz. Die Phoenix Suns waren in der abgelaufenen Saison ein gutes Beispiel, als sie Eric Bledsoe einfach zwei Monate vor dem Ende aus dem Spielbetrieb nahmen. Als Begründung wird dabei oft angegeben, dass die jungen Spieler mehr Minuten bekommen und sich beweisen sollen. Das mag auch stimmen, doch insgeheim wollen viele Teams auch ihre Chancen auf bessere Wahrscheinlichkeiten in der Draft Lottery erhöhen.
Das schlechteste Team erhielt eine Wahrscheinlichkeit von 25 Prozent, das zweitschlechteste 19,9 Prozent und die folgende Mannschaft 15,6 Prozent. Die Boston Celtics (via Brooklyn), bevor sie den Pick tradeten, die Sicherheit, maximal an Position vier zu ziehen.
In fünf der letzten sechs Drafts gewann eines der drei schlechtesten Teams die Lottery, entsprechend versuchten Franchises ohne große Zukunft unter diesen drei Teams zu landen.
Draft Lottery: Tanking wird entschärft
Die Liga versucht nun mit der Reform, dem ein wenig gegenzuwirken. Die drei schlechtesten Teams bekommen ab der Draft 2019 die gleiche Chance auf den Hauptgewinn (14 Prozent). Dies ist deutlich weniger und es wird damit wahrscheinlicher, dass auch eine Mannschaft mit einer etwas besseren Bilanz die Lottery gewinnen kann.
Dies ist die Essenz der Neuerung. Mannschaften, welche die Playoffs nicht erreichten, aber auch nicht zu den absolut schlechtesten Teams der Association zählen, dürfen sich bessere Chancen ausrechnen. Während man als Mannschaft mit der siebt-schlechtesten Bilanz eine Möglichkeit von 4,3 Prozent auf den Top-Pick hatte, sind es nun immerhin 7,5 Prozent.
Wurde Tanking mit dieser Maßnahme ausradiert? Sicherlich nicht, aber dies wissen auch die Verantwortlichen der Liga, die die Reform als "inkrementell" in ihrer Pressemitteilung beschrieben. Auf Deutsch: Es ist ein erster Schritt bzw. das Optimum dessen, was im Moment durchgesetzt werden konnte.
Ein Wettrennen um die schlechteste Bilanz hat, wird es nun vielleicht nicht mehr geben. Stattdessen wird sich das Problem lediglich verschieben, nämlich auf ein paar Positionen nach hinten. Die Ziele bleiben für alle schlechten Teams die Gleichen.
Draft: Die Sixers trieben es auf die Spitze
Die NBA ist eine Gesellschaft, die sich über Stars definiert. Es wird immer Teams geben, die den Draft als die große Möglichkeit sehen, einen zukünftigen Klassespieler an Land zu ziehen. Denn Chancengleichheit gibt es nicht wirklich. Natürlich haben Teams ähnliche Ressourcen, doch Standorte wie Milwaukee, Memphis oder New Orleans können, das hat die Vergangenheit gezeigt, keine namhaften Free Agents verpflichten. Somit bleiben auch 14 oder 7,5 Prozent Wahrscheinlichkeit besser als die Chancenlosigkeit in der Free Agency.
Die Philadelphia 76ers trieben es mit ihrem Modell, auch bekannt als 'Trust the Process,' auf die Spitze. Über Jahre dümpelte die Franchise wohlwollend am Rande der Bedeutungslosigkeit und handelte sich dafür harsche Kritik, auch innerhalb der Liga ein. Nach vielen Picks ernten sie nun die Früchte und könnten erstmals seit 2012 wieder konkurrenzfähig sein. Mit Joel Embiid, Ben Simmons und Markelle Fultz stehen gleich drei potenzielle All Stars zur Verfügung.
Lediglich per Draft kann ein kleineres Team an einen kommenden Star kommen, der dann (dank der Restricted Free Agency) mindestens acht Jahre gebunden sein wird. In diesem Zeitraum hat die Franchise eine Chance, namhafte Spieler zu locken. Ein großer Markt ist schön, gewinnen aber wichtiger. Das mussten Teams wie die Lakers oder Knicks schmerzlich spüren.
Tanking wird also unvermeidbar bleiben, solange Verlieren in welcher Form auch immer belohnt wird. Die Reform ist ein erster richtiger Schritt und wahrscheinlich die Neustrukturierung, die vor allem die kleineren Teams noch mittragen wollten. Es ist der kleine Zeh im kalten Wasser, es wird vorgefühlt, wie weit die Liga gehen kann. Zumindest kann man davon ausgehen, dass die letzten Spiele im April ein wenig ansehnlicher als in den letzten Jahren werden.
Das Draft-Rad
Es wird nicht die letzte Änderung an der Lottery gewesen sein. Ein weiterer Vorschlag, der nun schon seit Jahren herumgeistert, ist nicht vom Tisch. Das Lottery wheel, ein Rad, das in 30 Jahren jedem Team einmal den ersten Pick beschert, hat seine Befürworter, aber auch seine Gegner.
Auch dieses Modell ist nicht der heilige Gral, der Faktor Glück wäre auch in diesem Fall eine beständige Komponente, weil es ja bessere und schwächere Draftjahrgänge gibt. Und was würde es bedeuten, wenn etwa die Warriors den Titel gewinnen und dann auch noch den ersten Pick erhalten, weil sie eben an der Reihe sind?
Probleme bleiben
Wie man es dreht und wendet: Der Draft bleibt ein hochkomplexes Thema, für das bislang keine absolut zufriedenstellende Lösung in Sicht ist. Die Reform dämmt Tanking tatsächlich ein wenig ein, verlagert aber auch die Probleme.
Dann sind es in zwei Jahren eben nicht die Phoenix Suns, die Bledsoe pausieren lassen, sondern die Pelicans, wenn sie Anthony Davis mit einer kleinen Verletzung rausnehmen, um in der Draft Lottery noch ein oder zwei Plätze nach oben zu rutschen.
Die Reform sollte als Signal gesehen werden, nicht als 'Game Changer'. Die Probleme wurden erkannt und sie werden proaktiv angegangen. Für Änderungen braucht es Mehrheiten, die 30 Teams müssen einen Konsens finden. Ein erster Schritt dazu ist gemacht.